Der Aufdecker Peter Pilz gehörte zu längst dienenden und populärsten Politikern des Landes. Nun findet seine außergewöhnliche Karriere nach mehr als drei Jahrzehnten ein jähes Ende.
Als er mit seinen Ausführungen beinahe zu Ende war, brach Peter Pilz die Stimme. Nur kurz. Eine Sekunde und er hatte sich wieder gefangen. Der 63-Jährige ist ein politischer Vollprofi, der nach mehr als drei Jahrzehnten in der Spitzenpolitik weiß, wie er sich in der Öffentlichkeit gibt.
Das zeigte sich auch bei seinem vermutlich letzten Auftritt auf der großen Bühne, bei dem er zum ersten Mal in seiner Karriere nicht Angreifer war, sondern Verteidiger.
In einer eilig einberufenen Pressekonferenz erklärte der frühere Grünen-Politiker am Samstag das Ende seiner Laufbahn als Parlamentarier. Keine drei Wochen ist es her, seit ihm mit einer Namensliste ein Husarenstück gelungen ist.
Ohne große finanzielle Mittel und ohne Partei im Hintergrund schaffte er es bei der Wahl auf Anhieb in den Nationalrat. Am Donnerstag hätte er zum sechsten Mal als Mandatar angelobt werden sollen.
Pilz gibt Fehlverhalten zu
Doch der Vorwurf der sexuellen Belästigung machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Zwei Frauen werfen ihm vor, sich ihnen gegenüber auf inakzeptable Weise genähert zu haben.
Pilz bestreitet die Vorwürfe zum Teil, aber er gibt Fehlverhalten zu: "Ich bin einer dieser älteren, mächtigen Männer, die zum Teil noch aus anderen politischen Kulturen stammen." Nach Ende seiner Erklärung war Pilz nur noch ein älterer Mann. Damit findet eine der längsten politischen Karrieren Österreichs ein jähes Ende.
Als Pilz Anfang der Achtzigerjahre politisch aktiv wurde, regierte in Österreich noch Bruno Kreisky mit absoluter Mehrheit, ÖVP-Chef Sebastian Kurz war noch lange nicht geboren. Die Grünen waren ein loser Haufen von Friedensaktivisten und Umweltbewegten, die von etablierten Politikern belächelt wurden.
Einer der ersten Grünen im Nationalrat
Einer dieser frühen Grünen war Pilz, der als Student zunächst bei der SPÖ angedockt hatte, ehe er zur Ökobewegung stieß. Als diese 1984 gegen das geplante Kraftwerk Zwentendorf in der Hainburger Au mobil nachten, war Pilz mitten drin. Mit tatkräftiger Hilfe der "Krone" gelang es damals, den Bau des Kraftwerks zu verhindern. Als die Grünen zwei Jahre später zum ersten Mal in den Nationalrat einzogen, war Pilz einer ihrer ersten Abgeordneten.
An seinem eigenen politischen Profil arbeitete er schon sehr früh. Bald machte er sich als Aufdecker von politischen Skandalen einen Namen. "Lucona" und "Noricum" waren die Schlagworte der beiden Affären, die Österreich in den Achtziger-Jahren erschütterten. In Untersuchungsausschüssen profilierte sich der Sicherheitsexperte Pilz durch gründliche Recherche, beinharte Fragen und einem Zug zum Tor, der vielen seiner friedensbewegten Mitstreiter fremd war: Er wusste die öffentliche Bühne geschickt für sich zu nutzen.
Kurz schaffte er es Anfang der Neunzigerjahre bis an die Spitze der Grünen. Als Obmann wollte er die Partei verbreitern, kantiger machen. "Der bessere Haider", urteilte das Nachrichtenmagazin "profil" damals über Pilz. Wie der legendäre FPÖ-Chef spielte auch Pilz gerne mit Populismus und inszenierte sich als einsamer Kämpfer gegen die Übermacht der Regierung. Im Gegensatz zu Haider verzichtete er aber auf das Spiel mit Ressentiments gegen Ausländer.
Schon damals zeigte sich eine Kluft zwischen dem Obmann und seiner Partei, die Pilz nicht so recht folgen wollte. Die Zeit an der Spitze der Grünen blieb ein kurzes Gastspiel für Pilz. Zwischen 1992 und 1999 wechselte er in den Wiener Gemeinderat, dann kam er wieder zurück in den Nationalrat.
Pilz leistete Aufklärungsarbeit
Mit der Angelobung der schwarz-blauen Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel im Januar 2000 schlug die große Stunde für Pilz. Von Anfang an heftete er sich an die Fersen von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der demnächst wegen Korruption vor Gericht steht. Beim teuren Ankauf der Eurofighter witterte er frühzeitig Bestechung: Auch heute, 15 Jahre später, ist die Sache noch nicht ausgestanden.
Dass die zahlreichen Unregelmäßigkeiten ans Licht kamen, ist zu einem guten Teil der Aufklärungsarbeit von Peter Pilz zu verdanken.
Als Aufdecker von Skandalen strahlte Pilz weit über die Grenzen seiner Partei hinaus: Er gehörte zu den bekanntesten und populärsten Politikern des Landes, dem auch politische Mitbewerber Respekt zollten. Gemeinsam mit Gabriele Moser und Werner Kogler begründete er den Ruf der Grünen als Kontrollpartei, die den Mächtigen auf die Finger blickt. Das machte die Partei auch für Wähler attraktiv, die viele der grünen Werte nicht teilten.
"Er ist keine einfache Person"
Nur mit seiner eigener Partei fremdelte er zunehmend. "Er ist alles, bloß keine einfache Person", sagt ein grüner Mitstreiter über ihn. Pilz gilt als machtbewusster Einzelkämpfer, der ungern auf die Interessen der Gesamtpartei Rücksicht nimmt.
In den letzten Jahren verschärfte sich der Konflikt mit Parteichefin Eva Glawischnig. Pilz verlangte in Zeitungsinterviews, dass Grünen populistischer werden und ihren allzu sanften Kurs gegenüber Zuwanderern und dem politischen Islam überdenken sollten. Glawischnig rüffelte Pilz öffentlich für seine Ausreißer: "Vielleicht ist ihm fad", sagte sie.
Streit mit den Grünen eskaliert
Im Sommer 2017 eskalierte sie Sache schließlich. Die grüne Basis verwehrte Pilz den begehrten vierten Platz für die Nationalratswahlliste – ein Affront für das Partei-Urgestein. Empört zog sich Pilz zurück und gründete eine eigene Partei unter seinem Namen. Die "Liste Pilz" versetzte den nach internen Querelen taumelnden Grünen den Todesstoß: Zum ersten Mal seit 31 Jahren verpassten die Grünen den Einzug in den Nationalrat, während Pilz die Vier-Prozent-Hürde locker übersprang.
Es schien, als ob sich Pilz am Ende doch durchgesetzt hätte und nun das Erbe der Ökopartei im Nationalrat antreten könnte.
Doch dann platzte am Freitag die Bombe: Pilz soll zwei Frauen sexuell belästigt haben. Die Vorwürfe sind so stark, dass Pilz nun alle Ämter zurücklegt. Damit endet die lange und erfolgreiche Karriere eines Ausnahmepolitikers unrühmlich. Über der Lebensbilanz von Peter Pilz liegt ein Schatten.
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