Vor einigen Tagen hat in Ungarn der Prozess gegen jene Männer begonnen, die am 27. August 2015 einen LKW mit 71 Flüchtlingen auf einem Pannenstreifen in Nickelsdorf zurückgelassen hatten. 71 Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und Iran, zusammengepfercht auf 14 Quadratmetern. Alle erstickten binnen einer dreiviertel Stunde qualvoll. Zurückgelassen von ihren Schleppern, die nicht entdeckt werden wollten.

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Familie mit 9-Monate altem Baby unter den Opfern

Roman Schmit war damals einer der Ermittler, die den Wagen öffneten. Im Interview mit der ORF-Sendung "Thema" erzählt er: "Das war der negative Höhepunkt meiner Karriere."

Man habe beim Öffnen der Flügeltüre des Autos darauf achten müssen, dass die Körper der Toten nicht herausfallen.

Es war ein schwieriger Fall, auch für seine Kollegin Heike Wallner: "Das Schwierigste und Emotionalste war, dass unter den Opfern eine gesamte Familie gefunden wurde, mit einer Mutter, die ihr 9 Monate altes Baby noch im Arm gehalten hat."

Keine Luft: Flüchtlinge erstickten qualvoll

Als ein Sachverständiger später das Luftvolumen im LKW bemessen hat, war klar: die Menschen waren innerhalb kürzester Zeit tot. 30 Kubikmeter Luft standen den 71 Personen zur Verfügung.

Eine normale Person verbraucht pro Stunde einen Kubikmeter. Die Flüchtlinge waren 48 Stunden in dem Lastwagen eingesperrt gewesen. "Das bedeutet, dass diese Personen innerhalb von 30 bis 45 Minuten alle verstorben waren", so Schmit.

Hinzu kam, dass es an jenem Augusttag weit über 30 Grad hatte. Schmit dazu: "In Bodennähe hatte es zum Zeitpunkt der Bergung noch 41 Grad, da war der LKW aber bereits zwei Stunden offen."

Schlepper sollten Leichen abladen

Die Schlepper konnten bereits nach wenigen Stunden ausgeforscht und festgenommen werden. Einer ist nach wie vor auf der Flucht.

Hauptangeklagter ist der afghanische Schlepper Somsoor L. Beim Prozessauftakt betrat er den Gerichtssaal mit einem breiten Grinsen und einem Schild, auf dem "Alle Araber sind Islam" stand.

Mit ihm sind mittlerweile Telefongespräche protokolliert, in denen er den Schleppern Anweisungen gab, den Lastwagen unter keinen Umständen zu öffnen. Würden die Menschen sterben, sollte man sie einfach irgendwo in Deutschland abladen, so seine Anweisungen.

Witwe begleitet Prozess um die Mörder ihres Mannes

Unter den Zuhörern ist auch Nahed Alaskar. Sie hat ihren Mann und Vater ihrer beiden Kinder bei dem Unglück vor zwei Jahren verloren. Sie selbst kam zuvor noch über offene Grenzen nach Österreich und bekam schnell Asyl.

Ihr Mann hätte später nachkommen sollen. Den letzten Kontakt hatte sie mit ihm einen Tag vor der Katastrophe. Als sie zwei Tage lang nichts mehr hörte, bekam sie Angst.

Sie rief einen der Schlepper in der Türkei an. "Am Anfang hat er gesagt, er weiß nicht. Als ich noch ein paar Mal angerufen habe, hat er gesagt, das Auto ist in Deutschland angekommen", erzählt die Witwe im "Thema"-Interview.

Aus den Medien erfuhr sie schließlich vom Drama in Österreich. Über einen Dolmetscher hat sie Kontakt mit der Polizei aufgenommen – und erfuhr die bittere Wahrheit über den Tod ihres Mannes.

Zu Beginn habe sie noch an ein Unglück glauben wollen. Doch: "Als ich von den Gesprächsprotokollen erfuhr, war klar, dass ich beim Prozess dabei sein muss."

Prozess bis Ende 2017: Lebenslange Haftstrafen

Bis Ende des Jahres wird der Prozess noch dauern. Die mutmaßlichen Täter müssen sich unter anderem wegen qualifizierten Mordes und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung verantworten.

59.000 Seiten umfasst die Ermittlungsakte, 284 Zeugen werden geladen. Der Prozess wird in Ungarn geführt, weil das Auto dort gemeldet war. Die Angeklagten erwartet eine lebenslange Haftstrafe.

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