Wie lässt sich das Flüchtlingsproblem in Europa lösen? Im ORF-Sommergespräch kündigt Bundeskanzler Werner Faymann an, den Druck auf die Nachbarländer zu erhöhen - zur Not will er sogar anstehende Finanzverhandlungen torpedieren.

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In der Politik bedeutet das Wort Gemeinschaft meist ein einfaches Geschäft: Alle Mitglieder investieren - und im Gegenzug profitieren sie auch. Im sechsten und damit letzten ORF-Sommergespräch macht der Bundeskanzler aber unmissverständlich klar: In der Flüchtlingsproblematik steht er mit wenigen Ländern allein da, die täglich Asylsuchende aufnehmen, während sich andere hinter Zäunen verschanzen. "Der Druck auf diese Länder muss größer werden", kündigt Werner Faymann im Gespräch mit ORF-Innenpolitik-Chef Hans Bürger an. Er erwäge daher, die nächsten Finanzrahmenverhandlungen zu torpedieren - und seine Zustimmung zu verweigern.

Asylpolitik steht im Fokus

Löst man die Flüchtlingsproblematik in Europa durch politischen Druck? Bringt man EU-Partner wie Ungarn dazu, Asylsuchende aufzunehmen, in dem man ihnen mit finanziellen Sanktionen droht? Darüber debattieren Faymann und Bürger in ihrem Fernsehinterview, das sich freilich vor allem um die Flüchtlingsströme dreht. Nach der Tragödie auf der A4 in der vergangenen Woche, bei der 71 Menschen im LKW einer Schlepperbande erstickt waren, war von vornherein klar, dass das Thema Asylpolitik im Fokus des ORF-Gesprächs stehen würde. Es sei schließlich die "entscheidende Frage in Europa", sagt denn auch der Chef der SPÖ, der nach der Aufzeichnung im Wiener Ringturm gleich weiter zum Trauergottesdienst in den Stephansdom ging. Es brauche eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU. "Zu glauben, dass man etwas mit einem Zaun lösen kann, halte ich für falsch", sagte der Kanzler in Anspielung auf die Sicherungsmaßnahmen Ungarns, die in der EU stark kritisiert werden.

Faymann verwies auf das neue Verfassungsgesetz, das die Verteilung von Flüchtlingen in den österreichischen Bundesländern stärker regeln soll. Und er kündigte an, die Polizeikontrollen in seinem Land zu verschärfen, zudem die Untersuchungshaft für festgenommene Schlepper zu verlängern. "Verhaftet man am Ende nicht einfach nur die Chauffeure?", fragte Hans Bürger nach - die Ursachen der Flüchtlingsströme löse man damit nicht. "Natürlich ist es die beste Lösung, den Krieg in den Konfliktgebieten zu beenden", räumte Faymann ein.

Außengrenzen gemeinsam kontrollieren

Und so wiederholte er auch seine Forderung nach einem UNO-Mandat, das ein militärisches Vorgehen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien ermögliche. "Wenn die UNO ein solches Mandat erteilt und sagt, wir wollen Schutzzonen errichten, dann können wir auch mitwirken." Wir, das seien aus seiner Sicht die EU, aber natürlich auch Österreich.

Zudem habe die EU schon jetzt die Möglichkeit, ihre Außengrenzen gemeinsam zu kontrollieren und auch die Kosten dafür gemeinsam zu übernehmen. Dafür reiche ein Beschluss des Europarats schon im Herbst - vorausgesetzt, es finde sich dafür eine Mehrheit. Ist das wahrscheinlich? Hans Bürger fragt an dieser Stelle nicht nach.
Aber er wirft süffisant ein, dass Faymanns deutsche Amtskollegin Angela Merkel schon von "Folterinstrumenten" gesprochen habe, die man den Asylblockierern in der EU aufzeigen könne. Überhaupt fallen an diesem Abend immer wieder Vergleiche zwischen der deutschen Kanzlerin und Faymann. Bürger konfrontierte ihn mit den schlechten Umfragewerten für die SPÖ - und dem enormem Zuspruch für die FPÖ. "Herr Strache hat nie gezeigt, was er kann", gab sich Faymann betont gelassen - und schloss eine Koalition mit den Blauen auf Bundesebene erneut kategorisch aus.
Zudem sei auch Angela Merkel oft mit Kritik in ihrem Land konfrontiert - und würde trotz allem Wahlen gewinnen. 2018 will Faymann wieder Kanzler werden.

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