Kathrin Nachbaur macht im ORF-Sommergespräch das, was sie immer tun muss: die Aussagen ihrer Parteikollegen geradebügeln. Am Montagabend bei Peter Resetarits tut sich die Klubobfrau des Team Stronach zunächst sichtlich schwer, entpuppt sich jedoch als diskussionsstaugliche Politikerin.
Wie heißt eigentlich die Chefin des Team Stronach? Kein einziger der für den Anfangseinspieler des ORF-Sommergesprächs interviewten Bürger kann die Frage beantworten. "Wäre es hilfreich, wenn Frank Stronach wieder zurück in die Politik käme?", fragte Peter Resetarits Studiogast Kathrin Nachbaur zur Begrüßung. Dass sie nicht mit dem Bekanntheitsgrad ihres Parteiobmanns mithalten könne, brauche man ihr nicht erst sagen, konterte Nachbaur. Wenig beeindruckt zeigte sich die Politikerin davon, dass ihr von über 800 Befragten jegliche Kompetenzen bei den Themen Arbeitslosigkeit und Zuwanderung abgesprochen wurden. Das sei die logische Konsequenz ihres geringen Bekanntheitsgrads.
Inhaltliche drehte sich zunächst alles um das Waffengesetz. Von einem Publikumsgast wurde Nachbaur gefragt, warum sich ihre Partei für eine Liberalisierung einsetze. Direkt mit einem Opfer von Waffengewalt konfrontiert, hatte Nachbaur sichtlich Mühe, die Frage zu beantworten. Sie selbst lehne Waffenbesitz zwar ab, dennoch solle ein Mensch, der die Voraussetzungen erfülle, auch das Recht haben, eine Waffe zu besitzen. Tragische Einzelfälle werde man nie ganz verhindern können.
Kathrin Nachbaur drückt sich um konkrete Ansagen
Etwas sicherer wirkte Nachbaur, als es um Wirtschaft, Steuern und Schulden ging. Ihre Positionen verwunderten kaum: Sie wiederholte im Wesentlichen, womit das Team Stronach bei den vergangenen Wahlen gepunktet hatte: Die Partei sei gegen Steuererhöhungen und weitere Schulden, aber für mehr Investitionsförderung. Resetarits' Nachfrage, wie dies finanzierbar sei, wollte die Klubobfrau nicht konkret beantworten.
Überraschen konnte Nachbaur – wenn überhaupt – nur mit ihrer Ablehnung des geplanten Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA. Von einer wirtschaftsliberalen Partei wäre prinizipiell Applaus für wegfallende Zölle zu erwarten, Nachbaur sieht jedoch nicht nur die heimischen Lebensmittelstandards in Gefahr, sondern befürchtet auch, dass die Öffnung den Konzernen zu viele Rechte einräumen würde. Die TS-Chefin kritisierte das generelle Vorgehen der EU-Kommission: Man könne sich letztlich kein Urteil über TTIP bilden, solange die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfänden.
Gegen Ende des Sendung wurde Nachbaur auf eine Aussage des Gesundheitssprechers ihrer Partei, Marcus Franz, angesprochen. Dieser hatte in einem Interview Homosexualität kürzlich als amoralisch und anomal bezeichnet. Ein Studiogast, der mit seinem Partner zwei Kinder großzieht, fühlte sich durch diese Aussage zu einem Mensch zweiter Klasse degradiert und wollte von Nachbaur wissen, wie sie persönlich dazu stehe.
Nachbaur nutzte die Gelegenheit, um eine aus ihrer Sicht verdrehte Darstellung zurechtzurücken. Franz habe Homosexualität als Anomalie, also Abweichung vom Standard bezeichnet. Der Standard sei nun mal eine Paarbeziehung zwischen Mann und Frau - und die Feststellung, dass etwas davon abweiche, sei nicht als Wertung zu verstehen. Dennoch sprach sich Nachbaur für eine rechtliche Besserstellung von Homosexuellen aus, lehnte gleichzeitig aber ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ab. Dafür fehle ihr der wissenschaftliche Beweis, dass das Aufwachsen in einem Haushalt Homosexueller nicht zum Schaden der Kinder sei.
Zwar lieferte Nachbaur inhaltlich wenig Neues, wusste ihren Auftritt dennoch für sich zu nutzen. Schon zu Beginn reagierte die TS-Chefin auch auf Kritik an ihrer Person mit Sachlichkeit. Dieses Maß an Professionalität behielt sie bis zum Ende bei und umschiffte so geschickt manches Fettnäpfchen, das ihr Vorgänger Frank Stronach mit Sicherheit nicht ausgelassen hätte.
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