Knalleffekt im ORF-"Report": WKO-Chef Christoph Leitl macht seinem Ärger über Neo-Finanzminister Michael Spindelegger lautstark Luft. Es scheint, als komme die seit Monaten befürchtete Obmanndebatte nun doch.
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ist sauer. "Die Regierung muss jetzt erkennen, worauf es ankommt", sagte er in der ORF-Sendung "Report". Er kann nicht nachvollziehen, dass die ÖVP nun Steuererhöhungen verteidige und Leistungsträger demotiviere.
"Die reden sich raus auf den Koalitionspartner. Ich lasse solche Ausreden aber nicht mehr gelten", tadelt Leitl. Vor allem am Parteichef reibt er sich auf. "Michael Spindelegger ist ein Gefangener im Finanzministerium." Seine Beamten würden ihm vorrechnen, "welche schauerlichen Auswirkungen" manche Maßnahmen hätten - mit dem Ziel, ebendiese verhindern. "Er ist zu jung im Finanzministerium, um dieses Spiel zu durchschauen."
ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel verteidigte im "Report"-Studiogespräch den Kurs der Regierung. Er verstehe, dass einige Maßnahmen "gewissen Klientelen" nicht gefielen. Auch er habe sich die Situation "anders gewünscht". Was aber im Koalitionspakt mit der SPÖ vereinbart worden sei, müsse nun auch umgesetzt werden.
Es köchelt nicht nur in der Wirtschaftskammer. Vor allem im Westen des Landes fallen klare Worte: In der Tiroler ÖVP denkt man etwa wehmütig an frühere Parteichefs wie Alois Mock und Wolfgang Schüssel zurück. "Viele wenden sich von der Partei ab", sagt Franz Hörl, Bezirksparteiobmann der ÖVP in Schwaz. "Uns sind eine 'Entfesselung der Wirtschaft' und Steuererleichterungen versprochen worden, aber das Gegenteil ist der Fall."
Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl wünscht sich mehr Freiheiten, "ohne gleich eine Krisensitzung einberufen zu müssen". Eine Umfrage des Market-Instituts exklusiv für den "Report" ergibt für Spindelegger desaströse Werte. Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner oder Außenminister Sebastian Kurz wären demnach als Parteispitze lieber gesehen. Selbst ihre eigenen Wähler halten die ÖVP für angestaubt: 70 Prozent der Befragten finden sie "zu konservativ". Noch im Dezember hieß es, eine Obmanndebatte werde nicht geführt. Jetzt scheint es, als seien Spindeleggers Tage als Parteichef gezählt.
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