Viktor Orban pflegt trotz des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gute Beziehungen zu Russland. Nun ist er nur kurz nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Ungarn nach Moskau gereist. Das dürfte innerhalb der EU für Streit sorgen.

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Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orban ist zu Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau eingetroffen. Das teilte Orbans Sprecher Bertalan Havasi mit. Er bestätigte ein geplantes Treffen mit Putin.

Zuvor hatte es Berichte über den mutmaßlichen Besuch Orbans gegeben, die bereits im Vorfeld viel Kritik auslösten.

Der ungarische Regierungschef, der trotz des Angriffskriegs gegen die Ukraine weiter gute Beziehungen zum Kremlchef pflegt, bezeichnete die Reise als Friedensmission. "Man kann Frieden nicht von einem bequemen Sessel in Brüssel aus schaffen", schrieb Orban vor Bestätigung seiner Reise auf der Online-Plattform X.

"Auch wenn die rotierende EU-Ratspräsidentschaft kein Mandat hat, im Namen der EU zu verhandeln, können wir uns nicht zurücklehnen und darauf warten, dass der Krieg auf wundersame Weise endet. Wir werden ein wichtiges Instrument sein, um die ersten Schritte in Richtung #Frieden zu machen."

Besuch Orbans in Russland sorgt für Empörung

In Brüssel löste der Besuch Orbans, dessen Land am Montag die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hatte, heftige Kritik aus. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte am Freitag in Brüssel, Orban habe "kein Mandat" der anderen 26 Mitgliedsländer für den Besuch. Die EU-Haltung schließe offizielle Kontakte mit Putin aus.

"Der ungarische Regierungschef vertritt die EU damit in keiner Form", betonte Borrell. "Der Besuch von Ministerpräsident Viktor Orban in Moskau findet ausschließlich im Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und Russland statt."

Borrell erinnerte weiter daran, dass gegen Putin bereits seit März 2023 ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine vorliegt.

Aus Deutschland kommen ähnliche Worte: Auch Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass die außenpolitische Vertretung der EU nicht in der Hand Orbans liege. Der Europäische Rat werde außenpolitisch vom EU-Ratspräsidenten Charles Michel vertreten, sagte der SPD-Politiker.

"Das sind die Regeln, die wir miteinander haben. Und deshalb ist die Ratspräsidentschaft Ungarns nicht das, was diesen Besuch trägt, sondern die Tätigkeit als ungarischer Ministerpräsident." Die Haltung der EU, die die Ukraine unterstütze, sei sehr klar, betonte Scholz: "Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg."

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte im Onlinedienst X, "Appeasement" werde "Putin nicht aufhalten." Sie ergänzte: "Nur Einigkeit und Entschlossenheit werden den Weg zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine ebnen."

SPD-Außenpolitiker Michael Roth sprach in Bezug auf Orbans Besuch bei Putin von einem "Skandal". "Es ist ein Skandal, dass Orban die EU-Ratspräsidentschaft schändlich missbraucht und ohne Mandat in den Kreml reist", schrieb er auf Englisch auf X.

Der ungarische Regierungschef untergrabe damit die Grundprinzipien der EU-Außenpolitik. "Entweder respektiert die ungarische Regierung ihre derzeitige Rolle in der EU oder sie sollte den Vorsitz abgeben", schrieb Roth weiter.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hielt sich hingegen mit öffentlicher Kritik an Orban zurück. Stoltenberg erklärte bei einer Pressekonferenz in Brüssel, Ungarn habe das Bündnis über die Reise im Vorfeld informiert. "Viktor Orban vertritt nicht die Nato bei diesen Treffen, er vertritt sein eigenes Land", betonte Stoltenberg.

Er betonte, wichtig sei, dass sich alle einig seien, dass Russland im Konflikt mit der Ukraine der Aggressor sei und die territoriale Integrität und Souveränität respektiert werden müsse.

Orban drängt in Kiew auf Feuerpause

Erst am Dienstag hatte Orban Kiew besucht - das erste Mal seit Kriegsbeginn. Dort forderte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dazu auf, eine Feuerpause in Erwägung zu ziehen, um Verhandlungen zu ermöglichen.

Die Beziehungen zwischen Kiew und Budapest gelten als angespannt, weil Orban mehrfach Hilfen für die Ukraine verzögert hat und Sanktionen gegen Russland zu verhindern versuchte.

Ungarn ist weiterhin stark von russischen Gaslieferungen abhängig, die trotz des Kriegs teilweise durch die Ukraine fließen. Allerdings will Kiew den zum Jahresende auslaufenden Vertrag zum Gastransit nicht verlängern.

Orban hatte Putin bereits im Oktober 2023 bei einem Gipfeltreffen in Peking getroffen, was in der EU auf Empörung gestoßen war. (AFP/dpa/thp)

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