Nach Gewesslers Ja zur Renaturierungsverordnung wirft die ÖVP der Umweltministerin Amtsmissbrauch vor. Am heutigen Donnerstag will die ÖVP deshalb eine Anzeige gegen Gewessler einbringen.

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Die ÖVP will am heutigen Donnerstag die von ihr angekündigte Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die Grüne Umweltministerin Leonore Gewessler einbringen. In der Anzeige, die der APA vorliegt, wirft die ÖVP ihrer Koalitionspartnerin vor, mit ihrer Zustimmung zur EU-Renaturierungsverordnung "wissentlich ihre Befugnis (...) missbräuchlich ausgeübt" zu haben, weil sie kein Einvernehmen mit den Bundesländern und dem ÖVP-geführten Landwirtschaftsministerium hergestellt hatte.

Nehammer hält an Koalition fest

Gewesslers Ja zur Renaturierungsverordnung hatte die Regierung ordentlich ins Wanken gebracht, Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich aber letztlich dagegen entschieden, die Koalition platzen zu lassen. Allerdings kündigte die ÖVP sowohl eine Nichtigkeitsklage beim EuGH als auch eine Amtsmissbrauchs-Anzeige gegen Gewessler an. Letztere liegt nun vor und soll am Donnerstag namens der Bundespartei bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht werden. Weitere Anzeigen aus der Partei seien nicht geplant, hieß es zur APA.

Die Argumente in der von der Kanzlei des Rechtsanwalts Werner Suppan verfassten Strafanzeige sind hinlänglich bekannt: Gewesslers Zustimmung auf EU-Ebene sei "nach innerstaatlichem österreichischen Recht zu Unrecht erfolgt und verstößt gegen die einschlägigen verfassungsgesetzlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben", heißt es darin. Es sei eine ablehnende einheitliche Stellungnahme der Bundesländer vorgelegen, außerdem habe die Ministerin nicht das Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium hergestellt.

Gewessler habe sich über einheitliche Länder-Stellungnahme "hinweggesetzt"

Die Verordnung betreffe mit Naturschutz Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung auch Landessache sei. Die Bundesländer hätten dazu im November 2022 eine ablehnende einheitliche Stellungnahme abgegeben, die im Mai 2023 durch eine weitere einheitliche Stellungnahme der Länder ergänzt worden sei. Eine Abweichung von einer einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer sei nur aus zwingenden Integrations- und außenpolitischen Gründen möglich, die hier nicht ersichtlich seien, heißt es in der Anzeige.

Der inzwischen erfolgte Meinungsumschwung aus Wien und Kärnten ändert für die ÖVP nichts: "Eine anderslautende dahingehende einheitliche Stellungnahme der Bundesländer, wonach sie dem Vorhaben der Renaturierungsverordnung nunmehr zustimmen würden, ist ungeachtet der Meinungsäußerungen einzelner Bundesländer in der Folge nicht zustande gekommen", wird betont. Gewessler habe sich also über die einheitliche Länder-Stellungnahme "entgegen ihrer verfassungsgesetzlichen Bindung (...) hinweggesetzt".

Weiters wird argumentiert, dass Bundesministerien bei Geschäften, die den Wirkungsbereich mehrerer Ressorts betreffen, entweder gemeinsam oder zumindest im Zusammenwirken mit den beteiligten Bundesministerien vorzugehen hätten. In diesem Fall sei das Landwirtschaftsministerium berührt. Gewessler habe aber weder das Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium hergestellt noch eine Beschlussfassung der Bundesregierung herbeigeführt, "obwohl ihr eine entsprechende Ablehnung der Renaturierungsverordnung durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft bekannt war".

Vorwurf des Amtsmissbrauchs

Dass all dies notwendig gewesen wäre, argumentiert die ÖVP auch in der Anzeige mit einer entsprechenden Information des Verfassungsdienstes im Kanzleramt. Es liege also "der Verdacht nahe, dass der Straftatbestand 'Missbrauch der Amtsgewalt' gemäß Paragraf 302 StGB erfüllt ist", meint die ÖVP. Denn Gewessler habe "funktionell als 'Beamtin'" wissentlich ihre Befugnis missbräuchlich ausgeübt, "indem sie dem Vorhaben mit dem (zumindest bedingten) Vorsatz, die betroffenen Bundesländer sowie das betroffene Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (also den Bund) in ihren Rechten zu schädigen, zugestimmt hat".

Die von Gewessler eingeholten Gutachten seien "private Expertisen", die zeigen würden, dass sich die Angezeigte "völlig eindeutig darüber im Klaren war, dass ihr geplantes und angekündigtes Vorgehen offensichtlich gesetzes- und verfassungswidrig war". Damit sei "ihre Wissentlichkeit beim vorgenommenen Befugnismissbrauch hinlänglich dokumentiert", schreiben die ÖVP-Anwälte in der Anzeige.

Gewessler sieht "rechtlichen Schritten sehr gelassen entgegen"

Die angezeigte Ministerin zeigte sich am Donnerstag weiterhin unbeeindruckt. "Ich sehe allfälligen rechtlichen Schritten sehr gelassen entgegen", sagte Gewessler am Rande des "Austrian World Summits" (AWS) in Wien gegenüber Journalisten. Sie habe dem Renaturierungsgesetz rechtskonform zugestimmt, "und ich folge damit nicht nur der Rechtslage, sondern auch der langjährigen Praxis", betonte sie unter Verweis etwa auf das Veto von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gegen den von den Grünen unterstützten Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien. Den Renaturierungs-Beschluss lobte Gewessler erneut als "Sieg für die Natur": "Ich bin sehr froh, dass ich einen Beitrag dazu leisten konnte." (APA/aks)

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