Am Freitag haben die liberalen NEOS ihren Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen verkündet. Die ÖVP übt nun Kritik - aber nicht an den NEOS, sondern an der SPÖ. Die gibt sich weiterhin koalitionsbereit.
Die ÖVP hat am Freitag nach dem Ausstieg der NEOS aus den Regierungsverhandlungen Kritik geübt - allerdings weniger am pinken Gesprächspartner, sondern an der SPÖ. "Das Verhalten von Teilen der SPÖ hat zur aktuellen Situation geführt", meinte Generalsekretär Christian Stocker in einer Aussendung. Eine Reaktion von Bundeskanzler und ÖVP-Chef
"Während sich Teile der Sozialdemokratie konstruktiv eingebracht haben, haben in den letzten Tagen die rückwärtsgewandten Kräfte in der SPÖ überhandgenommen", beklagte Stocker. Nötig seien nachhaltige Veränderungen und Reformen, um Beschäftigung und Wohlstand zu halten, die Pensionen abzusichern sowie Sicherheit und klare Regeln in der Integration durchzusetzen.
Stocker ließ weiteres Vorgehen offen
Offen ließ er, wie die ÖVP nun weiter zu tun gedenkt. ÖVP und SPÖ kommen gemeinsam im Nationalrat auf eine hauchdünne Mehrheit von einem Mandat Überhang. Sie könnten nun versuchen, eine Zweierkoalition zu bilden oder die Grünen als dritten Partner dazunehmen.
Die SPÖ hingegen ist auch nach dem Ausstieg der NEOS aus den Koalitionsverhandlungen bereit zu regieren. Das stellte Parteichef
Scharfe Kritik übte Babler, der von Mitverhandlern umgeben war, an den NEOS. Diese hätten Parteitaktik vor Staatsinteressen gestellt. Deren "sehr blitzartiger" Ausstieg sei für ihn überraschend gewesen. Immerhin sei man auf gutem Weg gewesen und kurz davor, die Verhandlungen zu einem positiven Ende zu bringen. Die noch bestehenden Hürden hätten noch bereinigt werden können.
Die geschäftsführende ÖVP-Landesparteiobfrau in der Steiermark, Landeshauptmannstellvertreterin Manuela Khom, warnte: "Neuwahlen und einen langen, lähmenden Wahlkampf können wir uns jetzt jedenfalls nicht leisten. Es sind jetzt alle Parteichefs gefordert, ein paar Schritte zurückzugehen und gemeinsam so rasch wie möglich eine Lösung für diese politische Pattstellung zu finden."
FSG-Chef Josef Muchitsch appellierte an die ÖVP, die Verhandlungen weiter zu führen und die ausgestreckte Hand der SPÖ aufzunehmen. Die SPÖ habe nichts zu gewinnen gehabt angesichts der Budget-Verantwortung, aber aus Verantwortung für Österreich sei man dafür bereit gewesen und bleibe auch dabei. Gleich äußerten sich Frauenchefin Eva Maria Holzleitner und Klubchef Philip Kucher. Fragen im Anschluss an die Statements waren nicht zugelassen.
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), der in zwei Wochen eine Landtagswahl zu schlagen hat, rechnet hingegen nach dem Aus der Koalitionsgespräche mit einer Expertenregierung und dann mit einer Neuwahl. Für die SPÖ sieht er aufgrund des historisch schlechtesten Abschneidens beim Urnengang im September weiterhin keinen Regierungsauftrag. Andere rote Ländervertreter teilen diese Meinung nicht.
Man sollte nun also auch nicht damit liebäugeln, eine türkis-rote Regierung mit einem Mandat Überhang zu bilden, befand Doskozil: "Das wäre ein Schildbürgerstreich." Doskozil ging am Freitag im APA-Gespräch nicht davon aus, dass die FPÖ nun mit der ÖVP das Budget sanieren will. Auch würden die Freiheitlichen bei einer etwaigen Neuwahl mit weiteren Zugewinnen rechnen.
Doskozil über Scheitern "nicht unglücklich"
Eine Expertenregierung könnte nun "Ruhe und Verlässlichkeit" bringen, bevor neu gewählt wird. Was die Wahl im Burgenland betrifft, zeigte sich Doskozil über das Scheitern der Dreier-Koalition "nicht unglücklich": "Ich war von Haus aus kein Freund dieser Koalition." Auch dass die Sozialdemokratie "für ein paar Ministerposten und den Vizekanzler" in eine Bundesregierung gegangen wäre, "wäre sicherlich kein Motor für unser Wahl gewesen", stellte der Landesparteichef fest.
Im Burgenland hingegen gebe es bei den Themen und in der Politik "Stabilität" und diese gelte es zu bewahren: "Wir werden es wie bei vielen Krisen in den letzten fünf Jahren auch diesmal schaffen, unseren eigenständigen burgenländischen Weg beizubehalten", sagte der Landeshauptmann.
Stöger und Leiter für weitere Verhandlungen
Der geschäftsführende oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Alois Stöger kritisierte gegenüber dem ORF Radio Oberösterreich, dass sich die NEOS bei Themen wie Erbschafts- oder Vermögenssteuern nicht bewegt hätten. Er hält es für möglich, die Grünen wieder in die Verhandlungen einzubeziehen, das müsse nun aber die ÖVP entscheiden.
Der Vorarlberger SPÖ-Klubobmann und Landesvorsitzende Mario Leiter bedauert die für ihn unerwartete Entscheidung der NEOS: "Diese Dreierkoalition wäre eine echte Neuerung für Österreich gewesen. Mit ihrem Rückzug aus den Verhandlungen verpassen die NEOS eine historische Chance, eine stabile und zukunftsfähige Regierung mitzugestalten." Was das weitere Vorgehen der SPÖ betrifft, würde er es begrüßen, wenn seine Partei mit der ÖVP weiterverhandle.
Kaiser bedauert NEOS-Schritt
Er bedauere, dass die NEOS den Verhandlungstisch verlassen haben, sagte der Kärntner SPÖ-Parteivorsitzende und Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) gegenüber dem ORF Kärnten. Er finde, es sei nicht notwendig gewesen, in so einer Situation die Verhandlungen abzubrechen: "Es hat einige Kompromisse gegeben. Mit gutem Willen, Verantwortungsbewusstsein und einem Aufeinanderzugehen wäre einiges möglich gewesen."
Die Lasten durch die budgetäre Situation seien gemeinsam zu schultern. Wichtiger als die Frage, welche Parteien zusammenarbeiten, sei es in solchen Verhandlungen "das, um was es geht, außer Streit zu stellen". 2013, bei der Umsetzung der ersten Dreierkoalition in Kärnten, habe man wichtige Fragen im Voraus geklärt, die Umsetzung sei dann in gemeinsamer Form erfolgt.
Der steirische SPÖ-Chef Max Lercher, seit der Wahlniederlage der SPÖ als Nachfolger von Anton Lang in Funktion und nicht unbedingt Fan von Bundesparteichef Andreas Babler, sprach am Freitag von "einem weiteren Tiefpunkt auf der bundespolitischen Ebene. Was wir derzeit auf Bundesebene erleben, ist ein unwürdiges Schauspiel. Die Politik steht in der Verantwortung, den Stillstand zu beenden." Österreich befinde sich aktuell durch das von der ÖVP verursachte Finanzchaos in einer sehr schwierigen Situation. Deswegen sei jetzt nicht die Zeit für parteitaktische Spielchen.
Noch ziemlich zugeknöpft was den Abbruch der Verhandlungen durch die NEOS und die weitere Vorgangsweise angeht, gab sich vorerst Tirols geschäftsführender SPÖ-Chef und neuer Landeshauptmannstellvertreter Philip Wohlgemuth. Die abgebrochenen Verhandlungen "und die darauffolgenden Schuldzuweisungen bestätigen mich nur darin, eine konstruktive Politik der Handschlagqualität ohne Streit und gegenseitiges Anpatzen zu verfolgen", ließ er die APA wissen. Die Menschen hätten "das politische Hick-Hack" und erwarteten "bodenständige, harte Arbeit".
Salzburgs Interims-SP-Chef sieht keinen Sinn in Neuwahlen
Der Salzburger Arbeiterkammer-Präsident Peter Eder, der seit dem Rücktritt von SPÖ-Landesparteichef David Egger-Kranzinger die Landespartei nun seit Jahresbeginn interimistisch in einer Dreierspitze mit zwei Parteikolleginnen leitet, zeigte sich am Freitag gegenüber der APA von dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen enttäuscht. "Man hätte eine Vernunftehe eingehen können, es hätte jeder ein Stück seines Programms abgeben müssen", sagte Eder.
Zum strittigen Punkt Budget meinte Eder, SPÖ und NEOS seien ja nicht in den letzten Regierungen gewesen und hätten das Budget nicht verursacht, im Gegensatz zur ÖVP. Es hätte aber mehr an Kreativität benötigt, anstatt keinen Millimeter von den eigenen Forderungen abzurücken und vom Tisch aufzustehen, sagte er in Richtung NEOS. Es werde nicht gehen, Geld für die Industrie zu schaufeln, das Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre anzuheben und Arbeitnehmer und Pensionisten zu belasten.
Neuwahlen auszurufen, darin sehe er keinen Sinn. "Es braucht schnell eine Regierung, es stehen viele Probleme an." Eine Koalition aus ÖVP und SPÖ schätzte er "wegen des geringen Überhangs" als schwierig ein. "Es braucht stabile Verhältnisse". Eine SPÖ-Regierungsbeteiligung unter einem Kanzler Herbert Kickl (FPÖ) könne er sich aber nicht vorstellen. (APA / bearbeitet von best)
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