Nach dem Standortkapitel hat die ÖVP am Donnerstag mit ihrem Modell für eine "Sozialhilfe Neu" einen weiteren Punkt ihres Wahlprogramms vorgelegt. Sie setzt dabei auf "Fairness und Leistung", Sozialmissbrauch und "Zuwanderung in unser Sozialsystem" will sie verhindern.
Konkret soll es erst nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts volle Sozialleistungen geben und ein Fokus auf Sachleistungen gelegt werden. Familien mit vielen Kindern sollen weniger Geld pro Kind bekommen.
ÖVP plädiert schon länger für Wartefrist
Bei der von der ÖVP schon länger forcierten Wartefrist sollen alle Zuwanderer in den ersten fünf Jahren nur Anspruch auf die Hälfte der Sozialleistungen haben. Diese Regelung gebe es für EU-Bürgerinnen und -Bürger schon längst, künftig soll sie auch für Drittstaatsangehörige gelten.
Weil sie für alle gelten solle, gehe er auch davon aus, dass sie verfassungskonform wäre, so Generalsekretär Christian Stocker auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzler
Die Frist soll bei Asylberechtigten erst mit Zuerkennung des Schutzstatus zu laufen beginnen, durch eine finanzielle Basisstufe samt Sachleistungen soll ihnen aber eine "einfache, aber menschenwürdige Lebensführung" ermöglicht werden, wie Stocker betonte.
Wer arbeitet, Freiwilligenarbeit leistet, Praktika absolviert oder Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse besucht, soll dem Modell zufolge schneller an die vollen Sozialleistungen kommen können, sieht das Modell vor, das die ÖVP laut Nehammer basierend auf ihrem "Österreichplan" gemeinsam mit Experten entwickelt hat.
Ganz grundsätzlich sollte es künftig mehr Sach- als Geldleistungen geben, um Sozialmissbrauch zu verhindern. Von Sachleistungen würden zudem vor allem Kinder profitieren.
ÖVP will weniger Unterstützung pro Kind in kinderreichen Familien
Mit Blick auf den medial breit diskutierten Fall einer syrischen Familie, die in Wien 4.600 Euro Mindestsicherung samt Wohnbeihilfe und mit weiteren Transferleistungen mehr als 6.000 Euro netto pro Monat erhalten soll, wird auch ein "degressiver Leistungsbezug für Minderjährige" gefordert: In kinderreichen Familien soll es also weniger finanzielle Unterstützung pro Kind geben, das sei auch in vielen Bundesländern schon umgesetzt.
Mit dem ÖVP-Modell würde diese Familie jedenfalls nur noch rund 2.600 Euro an Sozialhilfe inklusive Wohnbeihilfe erhalten, dazu kämen dann noch etwa Familienbeihilfe, rechnete Stocker vor. Die Bundesländer sollten laut ÖVP aber auch weiterhin die Möglichkeit haben, ihr individuelles Modell maßzuschneidern.
Gegen die aktuelle Umsetzung in Wien wendet sich die ÖVP auch bei den Unterstützungsleistungen für subsidiär Schutzberechtigte: Dass diese in Wien entgegen dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz mehr als die Grundversorgung bekommen, sei verfassungswidrig.
Sollte Wien sich weiter über das Gesetz hinwegsetzen, sollte die Bundesregierung den Verfassungsgerichtshof (VfGH) anrufen. Mit einheitlichen Leistungen in allen Bundesländern würde auch Binnenmigration in die Bundeshauptstadt verhindert, warb Nehammer. Laut Stocker leben nämlich aktuell 10.300 der 12.400 subsidiär Schutzberechtigten in Wien.
Hacker: Prüfung durch den VfGH wünschenswert
In der Bundeshauptstadt würde man eine Prüfung durch den VfGH ausdrücklich begrüßen, wurde im Büro von Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gegenüber der APA betont. Dadurch würde nämlich endgültig die Frage geklärt, ob das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in diesem Punkt überhaupt europarechtskonform ist. Im Übrigen würde eine von der ÖVP gewünschte VfGH-Überprüfung auch das schwarz regierte Tirol treffen, wo es für subsidiär Schutzberechtigte ebenfalls eine Aufstockung aus der Mindestsicherung/Sozialhilfe gebe.
Weitere Punkte im Programm der ÖVP sind mehr Transparenz, indem die Sozialhilfe-Auszahlungen konsequent in die Transparenzdatenbank eingemeldet werden, und die Schaffung einer Integrationsdatenbank, damit Sozialleistungen bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben konsequent gekürzt werden können.
Das Sozialsystem müsse eine verlässliche Unterstützung sein für jene, die es brauchen, betonte Nehammer. Es müsse aber auch sichergestellt sein, " dass die, die arbeiten und fleißig sind und das Sozialsystem und den solidarischen Wohlfahrtsstaat am Leben erhalten, dann nicht die Dummen sind". Das ÖVP-Modell garantiere außerdem weniger Anreize, um ins Sozialsystem einzuwandern.
Kritik vonseiten der Grünen: "Nebelgranaten"
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer und Sozial-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (beide ÖVP) lobten per Aussendung das vorgestellte Modell und betonten dessen oberösterreichische Handschrift. Von den politischen Mitbewerbern hagelte es indes Kritik.
Beim ÖVP-Koalitionspartner Grüne sah man eine Neiddebatte und "Nebelgranaten, statt echte Probleme zu lösen". Ursache der Schwierigkeiten sei nämlich die Abschaffung der Mindestsicherung unter Türkis-Blau und die schlechte Zusammenarbeit der beteiligten Einrichtungen.
Sozialsprecher Josef Muchitsch warb einmal mehr für den Vorschlag der SPÖ, arbeitsfähige Sozialhilfebezieher wieder einheitlich über das AMS zu betreuen, um Qualifizierung und Vermittlung zu verbessern, und für eine von der Sozialhilfe losgelöste Kindergrundsicherung. Das Modell der ÖVP produziere ganz bewusst Kinderarmut, warnte die Volkshilfe Österreich. Die Caritas sieht noch viele offene Fragen.
NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker verwies darauf, dass die ÖVP hat gemeinsam mit der FPÖ das geltende Sozialhilfegesetz beschlossen habe. Dieses sei aber weder treffsicher noch gerecht. "Sozialleistungen sollen grundsätzlich immer eine Motivation beinhalten, damit die Menschen wieder auf eigenen Beinen stehen können - egal, ob sie zugewandert sind oder nicht. Das Ziel, dass sich Arbeit wieder auszahlen muss, gilt für alle Menschen in Österreich", befand er. Mit "plumpem Ausländerbashing", wie es die ÖVP zelebriere, werde man nicht weiterkommen. Es brauche eine "umfassende Reform".
Erst am Mittwoch hat die ÖVP eine Kampagne gegen angebliche Pläne der SPÖ in Sachen Mindestsicherung gestartet. Stocker warnte, dass SPÖ-Parteichef Andreas Babler das Wiener Modell auf ganz Österreich ausweiten werde. "6.800 Euro Sozialhilfe ohne zu arbeiten. Ist das gerecht Herr Babler?", lautet einer der Slogans in Anspielung auf den Fall der kinderreichen syrischen Familie aus Wien. Die SPÖ sprach von einer "unsäglichen Kampagne" gegen armutsbetroffene Kinder. (APA/bearbeitet von ank)
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