Nach dem Abbruch der Dreierkoalitionsgespräche mit den NEOS rücken ÖVP und SPÖ zusammen und versuchen es nun zu zweit. Trotz knapper Mehrheit drängt Bundespräsident Van der Bellen auf rasche Ergebnisse. Doch Kritik an der bisherigen Uneinigkeit bleibt laut.
ÖVP und SPÖ wollen es nun doch zu zweit versuchen: Die Verhandlungen über eine Dreierkoalition zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS sind geplatzt, weil die Pinken am Freitag das Handtuch warfen. Es dauerte schließlich bis zum Abend, bis klar wurde, dass Volkspartei und Sozialdemokraten die Gespräche fortsetzen wollen. Im Nationalrat verfügen sie freilich nur über eine hauchdünne Mehrheit von einem Mandat Überhang.
Nachdem die NEOS sowohl ihre Verhandlungspartner als auch Bundespräsident
Tagsüber war unklar geblieben, wie es nun mit den Koalitionsverhandlungen weitergeht, die Parteichefs brauchten bis zum Abend, um Stellungnahmen abzugeben, und diese fielen dann wenig konkret aus. Nehammer zeigte sich in einem zweiminütigen Video bereit, "Verantwortung zu übernehmen" und appellierte an die "Kräfte der politischen Mitte".
Die SPÖ zeigte sich gesprächsbereit. "Unsere Hand bleibt ausgestreckt", meinte
Am Abend hieß es schließlich aus der ÖVP zur APA, es sei vereinbart worden, dass die Verhandlungen mit der SPÖ weitergeführt werden. Auch die SPÖ bestätigte am Abend auf APA-Anfrage, dass die Partei bereit sei, weiter zu verhandeln. Man sei bereit zu Gesprächen und der Wahrnehmung der "Staatsverantwortung", sagte ein Parteisprecher. Wann diese Gespräche nun fortgeführt werden, war vorerst noch offen.
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Gestärkter Rücken für Nehammer
Sowohl Nehammer als auch Babler hatten sich am Nachmittag in ihren Parteigremien beraten. Nehammer wurde im Vorstand mittels Wortmeldungen der "Rücken gestärkt", wie es zur APA hieß. Das galt nicht als selbstverständlich, denn zwischenzeitlich hatte es Gerüchte über eine Ablöse Nehammers gegeben. Seit Wochen schon brodelt es vor allem im Wirtschaftsflügel der Partei, wo die größte Skepsis gegenüber einer Koalition mit der Babler-SPÖ herrscht.
Zunächst hatte die ÖVP am Freitag übrigens mit einer Schuldzuweisung an die SPÖ reagiert: "Das Verhalten von Teilen der SPÖ hat zur aktuellen Situation geführt", meinte Generalsekretär Christian Stocker in einer Aussendung. "Während sich Teile der Sozialdemokratie konstruktiv eingebracht haben, haben in den letzten Tagen die rückwärtsgewandten Kräfte in der SPÖ überhandgenommen", so Stocker.
NEOS beklagen Nein zu Reformen
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte am Vormittag bei ihrem kurzfristig einberufenen Presseauftritt erklärt, dass kein Durchbruch mit "Schwarz-Rot" erzielt werden konnte. Für grundsätzliche Reformen habe es diese Woche mehrfach ein Nein gegeben. Man sei nicht naiv in die Verhandlungen gegangen und habe sich bis zuletzt um Kompromissvorschläge bemüht, betonte Meinl-Reisinger. Aber in den letzten Tagen sei der Eindruck entstanden, dass in zentralen Fragen "leider nicht nur keine Fortschritte, sondern eigentliche Rückschritte gemacht wurden". In der ZiB2 des ORF sprach sie die Themen Pensionen, Gesundheitsfinanzierung, Föderalismusreform und das Zurückdrängen des Parteieneinflusses an. Wieder einmal werde nur bis zum nächsten Wahltag gedacht und zum Schluss stehe ein Abtausch wie "auf einem Bazar", kritisierte die NEOS-Chefin. Sie sprach von "Kurzsichtigkeit", ohne mit Schuldzuweisungen konkreter zu werden.
Namentlich dankte Meinl-Reisinger nur den Vertretern der ÖVP, Bundeskanzler Nehammer und Klubobmann August Wöginger, denen sie auch den Willen zu Reformen und den Blick über den Tellerrand zuerkannte. In Bezug auf die SPÖ zeigte die pinke Parteichefin Verständnis, dass der Weg für die Sozialdemokratie in vielen Bereichen weiter sei, appellierte aber an die "staatspolitische Verantwortung, den Standort nicht aus dem Blick zu lassen". ÖVP und SPÖ habe sie versichert, dass man weiter konstruktiv die Hand reichen werde und das bisher am Verhandlungstisch Erreichte auch im Parlament unterstützen werde.
ÖVP, SPÖ und NEOS hatten seit Mitte November über die Bildung einer gemeinsamen Dreierkoalition verhandelt. Knackpunkt war dabei von Anfang an das Thema Budget und Steuern - verschärft durch den großen Konsolidierungsbedarf.
Kritik von Grünen und FPÖ
Eine Option, um die hauchdünne Mehrheit solide zu verbreitern, wären nun die Grünen als dritte Partnerin gewesen. Die gaben sich aber gleich zurückhaltend und äußerten sich eher kritisch: Bundessprecher Werner Kogler schrieb auf Social-Media-Kanälen, dass Volkspartei, Sozialdemokraten und NEOS nun erklären müssten, warum sie die Republik monatelang warten ließen und dann nichts zustande brächten. Der grüne Gesundheitsminister Johannnes Rauch verwies in der ZiB2 des ORF auf die Festlegung Nehammers gegen die Grünen als weiterer Regierungspartner. Jetzt gelte: "Der Notnagel oder der Lückenbüßer, der sind wir ganz bestimmt nicht."
Die FPÖ warnte am Freitag vor einer neuen Dreier-Variante und forderte den umgehenden Rücktritt Nehammers. "Nehammer muss sich umgehend zu den Vorgängen äußern. Er verursacht stündlich größeren Schaden", so der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz. Parteichef Herbert Kickl sprach von einer "politischen Missgeburt der Verlierer-Ampel". © APA
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