ÖVP, SPÖ und NEOS wollen gemeinsam eine Regierung bilden. Das haben die Vorsitzenden der drei Parteien Bundespräsident Alexander Van der Bellen Samstagmittag mitgeteilt, wie das Staatsoberhaupt im Anschluss in einem Statement bekanntgab.
ÖVP-Obmann Christian Stocker zeigte sich "sehr zuversichtlich", die Finalisierung des Regierungsprogramms zu schaffen. "Möglichst rasch" stabile Verhältnisse zu erzielen, ist das Ziel von SPÖ-Chef
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Es gehe nicht nur darum, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, sondern auch darum, "die Stimmung im Land zu sanieren, neue Zuversicht zu schaffen", betonte Van der Bellen. Die kommenden Jahre würden schwierig, "machen wir uns nichts vor", auch aufgrund der geopolitischen Situation. Europa müsse aktiv werden und Österreich werde seine Rolle dabei spielen, zudem sei auch in der inneren Sicherheit "ein entschlossenes Vorgehen" notwendig, nahm Van der Bellen wohl etwa auf den Terroranschlag in Villach Bezug.
Eine Entwicklung zum Besseren müsse man jetzt "zügig und nachhaltig angehen". Er wünsche sich von einer neuen Regierung das Bemühen, Österreich wieder an die Spitze zu bringen.
Stocker glaubt an "zeitnahe" Regierung
Fragen von Journalisten waren nach den Stellungnahmen nicht erlaubt. Ob er nun davon ausgehe, Kanzler zu werden, beantwortete Stocker beim Verlassen des Saales nicht. In seinem Statement versprühte er jedenfalls Zuversicht: Es habe sich in den Gesprächen gezeigt, dass eine gemeinsame Basis vorhanden sei, um Kompromisse auch zu neuen Lösungen für Österreich zu finden, erklärte der geschäftsführende ÖVP-Chef. Man werde daher alles daran setzen, "zeitnah" diese Regierung zu bilden.
Seit FPÖ-Chef Herbert Kickl - mit dem Stocker über Blau-Schwarz verhandelt hatte - seinen Regierungsbildungsauftrag zurückgelegt habe, habe man "intensive Gespräche" geführt, um auf Basis dessen, was man im Herbst bei den Dreier-Verhandlungen erarbeitet habe, eine gemeinsame Bundesregierung aufbauen zu können. Inhaltlich nannte Stocker den Sicherheitsbereich, das Leben leistbar zu machen, Bildung in den Vordergrund zu rücken und Reformen für einen schlankeren Staat zu setzen.
Babler: "Sehr intensive Tage und Nächte"
Babler betonte, dass man Staats- vor Parteiinteresse gestellt habe. Er stimme dem mahnenden Appell des Bundespräsidenten von vor einigen Tagen zu, dass mehr Kompromissbereitschaft notwendig sei, ein "Aufeinanderzugehen" und Kommunikation "auf Augenhöhe". "Hinter uns liegen sehr intensive Tage und Nächte", man starte nun in einen "Finalisierungsprozess". Er wisse, dass die Zeit nun schon lange sei. Sein Anspruch sei, dass die Menschen sich nicht um Politik zu sorgen hätten, sondern umgekehrt, dass die Politik dafür sorgen müsse, dass ihr Leben wieder leichter werde.
Meinl-Reisinger: "Wir sind noch nicht ganz am Ziel"
"Es ist keine leichte Situation", meinte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, es sei ihr bewusst, dass "die letzten Tage, Wochen, Monate durchaus eine Geduldsprobe" für die Bevölkerung gewesen seien. "Wir sind in der Zielgeraden, wir sind noch nicht ganz am Ziel", sagte die NEOS-Chefin. "Es ist noch nicht alles gelöst, es sind noch Fragen offen", erklärte sie, aber man sehe Wege, die "Blockaden" aus dem ersten Versuch zu lösen. Meinl-Reisinger betonte, dass seit Jänner vieles anders geworden sei - FPÖ und ÖVP hätten es nicht geschafft, eine Regierung zu bilden, und auch die geopolitische Situation habe sich verändert, versuchte sie zu rechtfertigen, warum die NEOS die Verhandlungen zunächst platzen ließen und diese nun wieder aufgenommen haben.
Meinl-Reisinger absolvierte am Nachmittag dann noch einen spontanen - und bejubelten - Auftritt bei der Mitgliederversammlung der Wiener NEOS, für die sie eigentlich abgesagt hatte. Dort hielt sie ebenfalls fest: "Nein, wir sind nicht fertig. Es ist nicht alles in trockenen Tüchern." Es seien durchaus noch Fragen offen. Jedoch übte sie sich auch in Zuversicht: "Ich glaube, es ist möglich."
Bildung morgen zentrales Thema
"Wir sitzen heute und morgen intensiv, in rotierender Besetzung", verriet sie. Morgen werde etwa die Bildung ein entscheidendes Thema sein. Man arbeite hart und gebe alles, hier viel rauszuholen. Sie skizzierte auch den weiteren Zeitplan: Voraussichtlich nächstes Wochenende werden, falls es zu einer Einigung kommt, die Parteigremien tagen. Geplant ist laut Meinl-Reisinger eine Mitgliederabstimmung am Sonntag (2. März).
Dass sich die drei Parteien nun offenbar zusammenfinden, ist tatsächlich einigermaßen überraschend. Der erste Versuch war mit dem Ausstieg der NEOS am 3. Jänner krachend gescheitert, danach richtete man sich gegenseitig auch allerlei Unfreundlichkeiten aus. An sich hätten ÖVP und SPÖ auch zu zweit eine Mehrheit, die aber nur mit einem Mandat abgesichert wäre. Daher entschied man sich schließlich, die NEOS noch einmal als fixen Partner in eine Koalition zu bitten. "Schön, Sie wieder hier zu sehen in der Hofburg, danke für Ihr Interesse", begrüßte Van der Bellen die Journalistinnen und Journalisten am Samstag, zieht sich die Regierungsbildung seit der Wahl Ende September doch schon historisch lange hin.
Nicht alle bei NEOS begeistert
Auch wenn die Zeichen derzeit auf Dreierkoalition stehen, ist diese noch nicht in trockenen Tüchern. Eine Voraussetzung ist auch, dass sich bei einer NEOS-Mitgliederversammlung eine Mehrheit für den Koalitionspakt ausspricht. Das entsprechende Treffen dürfte Ende kommender Woche stattfinden. Dass nicht alle Spitzenvertreter der Partei von einer Koalition begeistert sind, zeigte sich am Samstag, als der Tiroler Landeschef Dominik Oberhofer diese in der "Kronen Zeitung" ablehnte.
"Wir haben ein Angebot mit zwei Ministerien und ein Staatssekretariat, aber die Reformen vermisse ich. Die NEOS stehen für Reformen, nicht für Jobs", meinte der Nationalratsabgeordnete. Laut "Heute" hatten im erweiterten Vorstand der NEOS vier Personen gegen die Koalitionsverhandlungen gestimmt. Der Wiener Parteiobmann Christoph Wiederkehr hielt in seiner Rede bei der NEOS-Landesmitgliederversammlung zu den Gesprächen im Bund fest, dass das Finden von gemeinsamen Lösungen und von Kompromissen nötig sei. Dies sei die Verantwortung der Zentrumsparteien. "Wir brauchen ein Aufeinanderzugehen und den Willen, etwas zu bewegen."
Kritik von FPÖ, Freude bei Grünen
Mit Kritik reagierte die FPÖ auf die neuerlichen Dreierverhandlungen. Generalsekretär Michael Schnedlitz sprach erneut vom "größten Wählerbetrug der jüngeren Politikgeschichte" und warf der ÖVP vor, die Verhandlungen mit SPÖ und NEOS bereits vor der Wahl begonnen zu haben, um den Kanzler weiter stellen zu können. Babler und Meinl-Reisinger seien "politische Steigbügelhalter" und die Regierung werde niemals handlungsfähig sein. Auch einen notwendigen Aufbruch im Land und Hoffnung für die Menschen werde "diese Regierung der Wahlverlierer" keinesfalls bewirken können, so Schnedlitz in einer Aussendung.
Ganz anders der Grüne Parteichef Werner Kogler. Er wünschte einer möglichen neuen Dreierkoalition einen guten Start. "Die Gefahr eines rechtsextremen FPÖ-Bundeskanzlers ist damit vorerst gebannt und eine proeuropäische Regierung in Sicht. Das ist eine gute Nachricht", meinte Kogler und kündigte bei gleichzeitig geäußerter Kritik an den Budgetplänen erneut eine konstruktive Oppositionsrolle seiner Partei an. (APA/bearbeitet von fte/vit)
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