Am 26. März sind die ersten 100 Tage der neuen "alten" Regierung voll. Viele haben nach der Nationalratswahl Befürchtungen geäußert, es werde sich nichts ändern. Was hat das Kabinett Werner Faymann II tatsächlich bisher geleistet?
"Man muss das erfolgreiche Land Österreich nicht neu erfinden. Wir sind ein Vorbild in Europa", leitete Bundeskanzler Werner Faymann am Ende langer Koalitionsverhandlungen die Pressekonferenz zum neuen Koalitionspakt zwischen SPÖ und ÖVP im Dezember vergangenen Jahres ein. Nach 100 Tagen des Kabinetts Faymann II ist in dieser Aussage deutlich die inoffizielle Doktrin der Regierung zu erkennen: Anstelle von großen Reformen steht die nüchterne Verwaltung des bereits Bestehenden im Vordergrund.
Das Tempo der neuen Regierung ist dementsprechend gemächlich. Ein neues Steuerpaket, eine Gehaltserhöhung für Beamte, die Anhebung der Familienbeihilfe, sowie die Aufstockung der Bundesheerkontingente in Bosnien und im Kosovo, sind die nennenswerteren Leistungen der Regierung in den vergangenen Monaten. Größere Reformvorhaben - etwa in der Verwaltung - blieben aus. "Es fehlt der Mut zur größeren Entscheidungen - etwa, was den Parlamentarismus betrifft, der Mut zum koalitionsfreien Raum, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht, sowie in der Bildungspolitik. Da blockiert weiterhin jeweils eine Partei die andere", so Anton Pelinka von der Central European University in Budapest.
Faymann und Spindelegger aufeinander angewiesen
Die harmonische Zusammenarbeit ist für die beiden Regierungsparteien ein realpolitisches Muss, denn Neuwahlen würden laut jüngsten Umfragen katastrophal für Rot und Schwarz enden. Dr. Peter Filzmaier vom Institut für Strategieanalysen in Wien unterstreicht, dass das politische Überleben von Michael Spindelegger und Werner Faymann primär von der Zusammenarbeit mit dem jeweils Anderen abhängt: "Aufgrund der jahrzehntelangen Tradition eines Dauerstreits zwischen SPÖ und ÖVP wird aus Sicht der breiten Öffentlichkeit und auch vieler Medien jede öffentliche Diskussion als Regierungskonflikt empfunden, obwohl Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger in Wahrheit inzwischen sorgsam um Gemeinsamkeiten bemüht sind. Beide wissen sehr gut, dass sie beim Koalitionspartner keine Alternative hatten."
Die neue Regierung ist nach 100 Tagen noch immer fragil. Kanzler und Vizekanzler verzichten in der Öffentlichkeit auf gegenseitige Attacken, doch ist Letzterer in der ÖVP mit so vielen internen Gegnern konfrontiert, dass sein Amt als Parteichef fast permanent am seidenen Faden hängt. Laut Insidern muss der Parteichef bei fast jedem Regierungsbeschluss zittern, ob nicht die eigenen Teilorganisationen ihre Gefolgschaft verweigern.
Für Peter Filzmaier war das Koalitionsabkommen insofern wenig ambitioniert, als man bei den Regierungsplänen auf fast alles verzichtet hat, was eine von beiden Parteien nicht wollte.
Wähler müssen auf Visionen verzichten
Das hat zur Folge, dass viele Wähler, abgesehen von der laufenden Verwaltungsarbeit, eine gähnende Leere und Visionslosigkeit verspüren, von der vor allem die Oppositionsparteien profitieren. "ÖVP und SPÖ werden sich nur ändern, wenn sie Macht verlieren", meint hierzu der Politikberater Rudi Fußi.
Jedoch unterstreicht Peter Filzmaier die im internationalen Vergleich unverändert relativ guten Sozial- und Wirtschaftsdaten Österreichs, also "kann die Arbeit in den einzelnen Politikfeldern und inhaltlich zuständigen Ministerien nicht überall schlecht sein. Auch fällt auf, dass einige Minister, die sich möglichst aus allen Parteibezügen heraushalten und ihre Sacharbeit in den Mittelpunkt stellen, gute Vertrauenswerte haben. Dazu zählen beispielsweise Verteidigungsminister Klug und auch der medial wenig glamouröse Gesundheitsminister Stöger bei der SPÖ, sowie Außenminister Sebastian Kurz und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner bei der ÖVP."
Die große Achillessehne des Kabinetts Faymann II in den ersten 100 Tagen ist vor allem die Kommunikation. Zum Beispiel wurde schon während der Koalitionsverhandlungen eine Diskussion zugelassen, dass es langfristig eine budgetäre Finanzierungslücke mit bis zu 40 Milliarden geben würde, wovon am Ende 18 Milliarden übrig blieben.
Gleichzeitig sind die Staatshaftungen für die Hypo Alpe Adria-Bank in Kärnten das vielleicht schwerwiegendste finanzielle Problem der Regierung: "Hier sind neuerlich fast 20 Milliarden Euro in Gefahr, über eine Milliarde muss als Finanzspritze für die marode Bank sofort ausgegeben werden. Was immer die Regierung also nun ankündigt oder für Zukunftspläne hat, wer soll ihr glauben, dass sie budgetär dazu in der Lage ist? Das war und ist ein Kommunikationsdesaster ohnegleichen, nachdem man es bereits im Regierungsprogramm verabsäumt hat, Schlüsselprojekte zu definieren", sagt Filzmaier.
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