Donald Trump ist nach seinem Vorstoß für einen Gipfel mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un stark kritisiert worden. Eine Chance bestünde in diesem Treffen nur dann, wenn der US-Präsident auch eine langfristige Strategie verfolgen würde, sagt US-Experte Boris Vormann im Interview.

Ein Interview

Herr Vormann, US-Präsident Donald Trump hat schon im Wahlkampf gesagt, er würde sich persönlich mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un treffen, um im Streit um das Atom- und Raketenprogramm zu verhandeln. Nun hat er diesen Vorschlag wiederholt. Warum gibt es solche Kritik daran?

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Professor Boris Vormann: Zum einen ist die Verunsicherung groß, denn es ist seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen, dass sich ein US-Präsident mit einem nordkoreanischen Staatschef getroffen hat.

Das kann im internationalen System durchaus für Verwerfungen sorgen, wo man sich doch eher genau ans Protokoll hält.

Trump hat allerdings in der Vergangenheit schon gezeigt, dass er kein allzu großer Freund von Systematik ist und sehr unkonventionell handelt.

Die USA haben immer wieder enge Kontakte zu Diktatoren unterhalten und tun dies auch aktuell. Worin soll genau in diesem Fall der Tabubruch liegen?

Es wäre wie schon gesagt ein ganz erheblicher Bruch mit der außenpolitischen Tradition. Zudem bezweifle ich, dass hinter Trumps Vorstoß eine langfristige Strategie steckt.

Bestünde in einem amerikanisch-nordkoreanischen Gipfel nicht auch eine Chance, um alte Gegensätze abzubauen?

Ja. Prozesse, die festgefahren sind, könnten aufgerüttelt werden. Die derzeitige Gemengelage im Nordkorea-Konflikt ist allerdings nicht ganz ungefährlich.

So etwas Unvorhergesehenes wie Trumps Vorschlag kann durch die damit einhergehende Verunsicherung auch zu Instabilität in einer militärisch hochgerüsteten Region führen.

Erst heizt Trump den Konflikt durch seine harte Rhetorik und die Entsendung eines Flugzeugträgers und B52-Bombern an, dann schlägt er ein Gespräch vor. Welche Taktik steckt dahinter?

Das ist eine Art Verhandlungsstrategie, die Trump führt. Er ist ja als Geschäftsmann ins Weiße Haus gewählt worden. Seine Verhandlungstaktiken versucht er nun auf die Beziehungen zu anderen Staatschefs zu übertragen.

Trump geht es darum, sich nicht in die eigenen Karten schauen zu lassen und möglichst hoch zu pokern. Für ihn haben in den Verhandlungen historische Allianzen wenig Bedeutung.

Weder bei alten Verbündeten, noch bei Staaten, mit denen die USA bisher schlechte Beziehungen unterhielten. Ob diese Taktik in der Politik Erfolg bringt, steht in den Sternen. Im Übrigen: Auch als Geschäftsmann musste er ja viermal Insolvenz anmelden.

Nordkorea wurde in den letzten Jahrzehnten international isoliert und mit Sanktionen überzogen, um das Raketen- und Atomprogramm zu stoppen – praktisch ohne Erfolg. Braucht es in dem Konflikt nicht eine neue diplomatische Dynamik?

Es gibt keine ganz einfachen Rezepte in komplizierten Krisenherden. Was man aber feststellen kann: Wir beobachten einen gewissen Einfluss Chinas auf Trump, was den Nordkorea-Konflikt betrifft.

In Peking war ja das Entsetzen groß, als die USA gegenüber Kim Jong-un mit Konsequenzen drohten. Da könnte es Druck gegeben haben aufs Weiße Haus, auch mit Pjöngjang zu sprechen.

Ist denn ein Gespräch mit Trump aus Sicht Nordkoreas denkbar? Es würde schließlich der eigenen Propaganda völlig zuwiderhandeln.

Nordkorea könnte es als Verhandlungserfolg darstellen, als Erfolg des großen Führers, die Isolation durchbrochen zu haben.

Die Gefahr besteht daher für Trump, dass er selbst instrumentalisiert wird von der Propaganda der anderen Seite.
Ihr Fazit: Ist Trumps Vorstoß nun ein naiver Alleingang oder ein kluger Schachzug?

Es ist eine Entscheidung, die aus dem Bauch heraus getroffen wurde, wie wir es bei Trump schon mehrfach gesehen haben. Es scheint keinen größeren strategischen Kontext zu geben, in dem das passiert.

Die Entscheidung ist zudem ein Zeichen für die enger gewordenen Beziehungen zu China. Aber es bleibt unklar, wie weit diese Taktik bei Trumps Wankelmütigkeit trägt – denn nächste Woche könnte schon wieder alles ganz anders aussehen.

Zur Person: Professor Boris Vormann ist Politikwissenschaftler am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Er ist Mitherausgeber vom "Handbuch Politik USA"


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