Annegret Kramp-Karrenbauer wurde zur neuen CDU-Chefin gewählt. Ihre Aufgabe ist es jetzt, die Partei in die Zukunft zu führen.
Es wird nicht die letzte Nervenprobe gewesen sein, die
Modernisierungskurs mit mehr Debatte
Aber es geht ja auch um was: Darum, ob die Partei nach den gut 18 Jahren der Ära
Als das Ergebnis endlich feststeht, kommen Merz und Spahn an Kramp-Karrenbauers Platz im Plenum und gratulieren. Dann geht die Saarländerin Richtung Podium. Merkel kommt ihr entgegen, die Frauen umarmen sich. Erleichterung ist zu spüren, bei beiden. Kramp-Karrenbauer ist die Spannung der vergangenen Stunden anzusehen, irgendetwas wischt sie sich aus dem Gesicht, es könnten ein paar Tränen der Rührung gewesen sein. Allen im Saal ist klar: Kramp-Karrenbauer war die Wunsch-Kandidatin Merkels für deren Erbe an der Parteispitze - auch wenn sich die Kanzlerin in den zurückliegenden Wahlkampf-Wochen strikte Neutralität auferlegt hatte.Es geht auch um Merkel selbst und ihre Lage als Kanzlerin einer nach wie vor taumelnden großen Koalition an diesem Herbsttag in Hamburg. Hätten sich Merz und damit sein Freund und Förderer
Die "Rache der alten Männer"
Die "Rache der alten Männer" an Merkel, die manche in der Kandidatur von Merz sahen, ist ausgeblieben. Schäuble musste sich nach der CDU-Spendenaffäre vor 18 Jahren dem Machtwillen Merkels beugen. Dann hatte Merkel Merz vom Fraktionsvorsitz verdrängt. Vergessen haben beide ihr das nie.
Doch zurück zu AKK, wie Kramp-Karrenbauer in ihrer Partei genannt wird: Es ist kurz vor 17.00 Uhr, als der schleswig-holsteinische Regierungschef
Die faustdicke Überraschung: Von jenen 157 Delegierten, die im ersten Wahlgang noch für Spahn gestimmt haben, könnten bis zu 67 ins Lager von Kramp-Karrenbauer gewechselt sein - gut 42 Prozent sind das. Im Freundeskreis von Merz war ursprünglich für den Fall einer Stichwahl eher damit gerechnet worden, dass 80 Prozent oder noch mehr dann den Sauerländer wählen. Mit Merz an der CDU-Spitze hätte Spahn sein Alleinstellungsmerkmal als konservativer Merkel-Kritiker verloren.
Tagesform gab den Ausschlag
Am Ende war es wohl tatsächlich die Tagesform von AKK und Merz, die den Ausschlag gab. Selbst ausgewiesene Merz-Fans zeigten sich nach der Vorstellungsrunde der drei Kandidaten von dem Sauerländer enttäuscht. AKK habe die noch unentschlossenen Delegierten mit einer Rede ans "Herz der Partei" auf ihre Seite gezogen. Geschickt habe sie mit ihrer Regierungserfahrung im Saarland und den für die Partei so wichtigen Erfolgen im Wahljahr 2017 geworben.
Die Kandidatin habe viel Gefühl gezeigt und Führungsanspruch, sagt ein anderer, den man ebenfalls eher im Merz-Lager vermuten könnte. "Er hatte nicht seinen starken Tag", urteilt einer, der sonst die rhetorischen Fähigkeiten des Sauerländers seit Jahren schätzt. Die Delegierten habe er jedenfalls nicht mitnehmen können.
Kramp-Karrenbauer wendet sich in ihrer Vorstellungsrede vor allem an die eigene Partei und deren Ängste angesichts immer noch dramatisch schlechter Umfragewerte. Mut fordert die Kandidatin von ihrer CDU. Sie versucht, den verunsicherten Mitgliedern und Delegierten wieder Selbstbewusstsein einzuimpfen. Besonders großen Applaus bekommt AKK, als sie in Richtung Merz und Spahn sagt, keiner der Vorsitzenden-Kandidaten "wird der Untergang für diese Partei sein". Viele im Saal wissen, dass gerade Merz-Unterstützer mit einer solchen Warnung Stimmung gegen Kramp-Karrenbauer gemacht hatten.
Wer führt CDU in die Zukunft?
Auch wenn Vertraute Merkels wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier zuletzt immer wieder betont haben, bei der Vorsitzendenwahl gehe es nicht zugleich um den nächsten Kanzlerkandidaten der CDU: natürlich geht es auch darum. Viele Delegierten dürften genau diese Frage im Hinterkopf haben, als sie für Kramp-Karrenbauer stimmen. Mit wem die CDU am ehesten wieder aus dem Umfragetief kommen und und wer ihnen das nächste Mandat sichern könnte - das ist für viele im Saal eine entscheidende Frage.
Merkel selbst verabschiedete sich am Vormittag mit einer Rede von ihrer Partei, in der sie zuerst auf ihren schwierigen Start als Vorsitzende im Jahr 2000 zu sprechen kommt. Eine "Schicksalsstunde der CDU" sei es damals gewesen, als sie Partei und Fraktion nach der CDU-Spendenaffäre wieder aufrichten musste. Das ging auch wieder an die Adresse von Schäuble und Merz.
Eindringlich legt sie den Delegierten das von ihr gewählte Parteitagsmotto ans Herz: "Zusammenführen. Und zusammen führen." Denn Merkel weiß: die Vorsitzendenwahl wird bei den Unterlegenen Verletzungen hinterlassen und Gräben weiter vertiefen.
Was dann kommt, kann als Merkels Vermächtnis für ihre Partei verstanden werden. Es hört sich ein wenig wie die Gebote der CDU an, als sie sagt: "Wir Christdemokraten grenzen uns ab, aber niemals grenzen wir aus. Wir Christdemokraten streiten - und zwar nicht zu knapp. Aber niemals hetzen wir oder machen andere Menschen nieder. Wir Christdemokraten machen keine Unterschiede bei der Würde der Menschen. Wir spielen niemanden gegen den anderen aus. Wir Christdemokraten verlieren uns nicht in Selbstbeschäftigung und Selbstbespiegelung. Wir Christdemokraten dienen den Menschen unseres Landes."
AKK muss die Enttäuschten integrieren
Ob es Kramp-Karrenbauer schafft, dass sich die Merz-Anhänger nun nicht schmollend zurückziehen oder ihre Arbeit torpedieren, dürfte ganz wesentlich davon abhängen, ob sie es schafft, die Enttäuschten zu integrieren. Ein wichtiges Signal dürfte sein, welchen Generalsekretär sie den Delegierten zur Wahl vorschlägt.
Spekuliert wird in der Partei darüber, dass AKK die CDU künftig im Tandem mit dem JU-Vorsitzenden Paul Ziemiak als Parteimanager führen könnte. Ziemiak wäre ein kluger Schachzug der neuen Vorsitzenden: Er gilt als Freund Spahns. Kramp-Karrenbauer könnte so wohl die Jungen in der Partei und womöglich auch etliche besonders konservative Kritiker von Merkels Politik auf ihre Seite ziehen.
Auch der Name Marco Wanderwitz fällt, geht es um den Generalsekretär. Der junge Rechtsanwalt sitzt für die sächsische CDU im Bundestag - vor den wichtigen Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen wäre das ein wichtiges Signal in den Osten der Republik. Nach einer Mini-Merkel klingen solche taktischen Überlegungen nicht, sollten sie zutreffen. Selbst bei der kleinen Schwesterpartei CSU sind sie ohnehin längst überzeugt, dass die Saarländerin ihrer Fördererin Merkel in Härte und Raffinesse in kaum etwas nachsteht.
(dpa/af)
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