Hakenkreuzschmierereien und das öffentliche Abfeiern von Nazi-Idealen: Auch 70 Jahre nach der Befreiung Österreichs durch die Alliierten nisten fragwürdige Weltvorstellungen hartnäckig weiter in so manchem Kopf. Und das nicht nur bei Neonazis.
Neofaschisten störten am 8. April einen Vortrag des polnisch-jüdischen Soziologen Zygmunt Bauman im Wien Museum durch rechtsextreme Parolen. Und seit knapp einem Jahr existiert im niederösterreichischen Retz eine Weinbruderschaft, die sich offen auf ihrer Website in Frakturschrift als "kulinArisch" bezeichnet. Auch 70 Jahre, nachdem die alliierten Truppen Österreich befreit haben, finden sich hierzulande immer noch Menschen mit einschlägiger Gesinnung.
Eine genaue Zahl zu nennen, ist schwer. Die Neonazi-Szene in Österreich sei zwar kleiner als in Deutschland, dürfe aber trotzdem nicht unterschätzt werden, sagt Wilhelm Lasek vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW): "Sie ist derzeit mehrheitlich geprägt von losen Gruppen und Personen, die lokal aktiv sind." Eine Aufgabe des DÖW ist es, die Entwicklungen innerhalb der rechten Szene zu beobachten, zu analysieren und darauf aufmerksam zu machen.
Neonazis formieren sich im Netz
Besonders Salzburg geriet in den vergangenen Jahren häufiger ins Visier des DÖW: Im Mai 2014 wurde das Mahnmal zum Gedenken an die Opfer der NS-Euthanasie im Kurpark zerstört. Außerdem verunstalten die Stadt seit letztem Jahr vermehrt Schmierereien mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Symbolen. Ende Jänner wurden zwei mutmaßliche Neonazis wegen Vandalakten an Stolpersteinen verurteilt, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern.
Das Netz hat auch der Neonazi-Szene Vorteile gebracht: "Ein Großteil ihrer Aktivitäten laufen über das Internet, wobei hier die sozialen Netzwerke eine zentrale Rolle spielen", erklärt Lasek. Die Altersgruppe zwischen 13 und 18 Jahren sei besonders empfänglich. "Die Rekrutierung geschieht heute im Wesentlichen über den Versuch, Jugendliche an die neonazistische Subkultur heranzuführen und nach Möglichkeit dort einzubinden. Dabei spielen Internet, Musik und Mode eine wichtige Rolle."
Rechtsradikale werben um die Mitte
Eine Altersgrenze für Radikalisierung gibt es freilich nicht. "Als Auslöser können mangelndes Selbstbewusstsein, Angst vor gesellschaftlich und ökonomisch bedingten Krisen und Veränderungen sowie Perspektivlosigkeit und das Gefühl, mit seinen Ängsten nicht ernst genommen zu werden, dienen", sagt Lasek und liefert damit auch eine mögliche Erklärung für die länderübergreifende Verbreitung von Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), die - trotz eindeutiger Tendenz nach rechts - von einer breiten Gesellschaftsschicht toleriert zu werden scheint.
Obwohl der Wiener Ableger Gastredner wie Ignatz Bearth einlädt, der erst im Jänner das Schweizer Pendant wegen seiner rechtsextremen Vergangenheit verlassen musste, und die Demos stets von einschlägig bekannten Neonazis flankiert werden, versucht sich die Bewegung davon zu distanzieren, eine Plattform für Nazis zu sein. "Die Grenze beginnt dort zu verschwimmen, wo Existenzängste an Schuldzuweisungen auf Minderheiten und Ausländer gekoppelt werden oder an Intoleranz und Vorurteile, an mangelndes Demokratiebewusstsein und den Ruf nach einem starken Staat", erläutert Rechtsextremismus-Experte Lasek.
"Maßnahmen gegen Radikalisierung wären der Ausbau der politischen Bildung, die Stärkung eines kritischen Bewusstseins und des sozialen Handelns sowie das Fördern von mehr Teilnahme an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen", sagt Lasek. Zudem könnte die Politik seiner Ansicht nach dem Rechtsextremismus recht einfach Nährboden entziehen: wenn sie die Zukunftsängste von Menschen ernster nehmen würde.
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