Mit seinem Dokumentarfilm "No Other Land" macht Regisseur Hamdan Ballal auf die Vertreibung von Palästinensern im Westjordanland aufmerksam. Nun ist er von israelischen Siedlern angegriffen und von der israelischen Armee festgenommen worden. Ein Regiekollege sieht darin eine Rache-Aktion.
Gut drei Wochen nach dem Gewinn eines Oscars für den Dokumentarfilm "No Other Land" ist der Co-Regisseur Hamdan Ballal im israelisch besetzten Westjordanland Augenzeugen zufolge von jüdischen Siedlern zusammengeschlagen worden. Anschließend hätten israelische Soldaten den verletzten palästinensischen Filmemacher aus einem Krankenwagen geholt und festgenommen, berichteten palästinensische Aktivisten und Kollegen Ballals.
Das israelische Militär bestritt in einer Stellungnahme, dass ein Palästinenser aus einem Krankenwagen geholt worden sei.
Der palästinensisch-norwegische Dokumentarfilm, den Ballal mit den Israelis Yuval Abraham und Rachel Szor sowie dem Palästinenser Basel Adra drehte, gewann Anfang März in Los Angeles den Oscar für den besten Dokumentarfilm. "No Other Land" erzählt vom gewaltfreien Kampf der Palästinenser in Susja und der umliegenden Landschaft Masafer Jatta südlich von Hebron für den Erhalt ihrer Dörfer und ihres Landes.
Die nicht-staatliche Organisation Center for Jewish Nonviolence teilte über die Plattform Bluesky mit, Ballal sei am Montagabend in seinem Heimatdorf Susja im Westjordanland von israelischen Siedlern angegriffen worden. Die Angreifer seien mit Schlagstöcken, Messern und mindestens einem Sturmgewehr bewaffnet gewesen.
Viele seien maskiert gewesen. Fünf jüdisch-amerikanische Aktivisten seien ebenfalls attackiert und ihr Auto mit Steinen beworfen worden. Es sei unklar, wo sich Ballal derzeit befinde.
Berichte: Vier Palästinenser verletzt
Laut Medienberichten sollen Dutzende gewalttätige Siedler Steine in Richtung der Bewohner, Häuser und Autos des Dorfes geworfen haben. Vier Palästinenser seien verletzt worden, unter ihnen Ballal. Er soll von einem Stein am Kopf getroffen worden sein, über seinen Aufenthaltsort und Zustand wurde zunächst nichts bekannt. Die israelische Polizei bestätigte drei Festnahmen, Aktivisten zufolge ist Ballal einer der Festgenommenen.
Das israelische Militär teilte mit, dass "einige Terroristen" Steine auf Israelis geworfen und ihre Fahrzeuge beschädigt hätten. Daraufhin hätten sich Gruppen von Israelis und Palästinensern gegenseitig mit Steinen beworfen. Polizei und Armee hätten die Gruppen voneinander getrennt.
Co-Regisseur Adra schrieb auf X, Ballal sei von Siedlern "gelyncht" worden. Soldaten hätten ihn entführt. Hamdan sei verletzt und habe geblutet. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärte er, dass das "No other Land"-Team seit seiner Rückkehr von der Oscar-Verleihung "jeden Tag angegriffen" werde. Die Attacke auf Ballal, "könnte ihre Rache an uns sein, weil wir den Film gemacht haben. Es fühlt sich wie eine Bestrafung an." Auch Co-Regisseur Yuval Abraham schrieb auf X, Ballal sei gelyncht worden.
Palästinensische Extremisten aus dem Westjordanland verüben immer wieder Anschläge auf israelische Bürger. Zugleich hat auch die Gewalt extremistischer jüdische Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland stark zugenommen.
Eklat bei der Berlinale
Der Film "No Other Land" zeigt, wie der Palästinenser Adra den schrittweisen Abriss der Dörfer seiner Heimatregion durch Soldaten im Auftrag der israelischen Regierung dokumentiert.
Im Vorjahr wurde der Film bei der Berlinale mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet. Zu einem Eklat kam es, nachdem bei der Preisverleihung einseitig Vorwürfe gegen Israel laut wurden, ohne dass das Oktober-Massaker der islamistischen Hamas-Terroristen erwähnt wurde.
Vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs sprach Abraham auf der Bühne von einer "Situation der Apartheid", im Saal gab es Applaus. Nachträglich distanzierte sich die Festivalleitung von den Aussagen, nicht aber vom ausgezeichneten Film. (dpa/bearbeitet von thp)