Israel holt nach dem iranischen Raketenangriff zum Gegenschlag aus. Teheran ist angeblich bereit zu reagieren. Gerät der Konflikt zwischen den beiden Erzfeinden außer Kontrolle?
Israel hat kurz vor der US-Präsidentenwahl zum Vergeltungsschlag auf den Iran ausgeholt. Man führe "als Reaktion auf die seit Monaten andauernden Angriffe des iranischen Regimes" auf Israel präzise Angriffe auf militärische Ziele im Iran durch, teilte das Militär in der Nacht mit.
Nach etwa fünf Stunden mehrerer Angriffswellen erklärte die israelische Armee den Schlag am Morgen für beendet. Die "Mission" sei erfüllt.
Explosionen in Irans Hauptstadt Teheran
Irans Militär ist bereit, zurückzuschlagen. "Es besteht kein Zweifel daran, dass Israel auf jede Aktion eine angemessene Antwort erhalten wird", zitierte die Nachrichtenagentur Tasnim eine anonyme Quelle aus der Staatsmacht. Tasnim gilt als Sprachrohr der Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht. Israels Luftangriff erfolgte über eine Distanz von etwa 1.500 Kilometern.
Es ist der erste bekannte groß angelegte Angriff einer fremden Macht im Iran seit dem ersten Golfkrieg zwischen der Islamischen Republik und dem Irak in den 1980er Jahren. Laut dem israelischen Militär griffen Kampfflugzeuge Anlagen zur Herstellung von Raketen an. Auch Boden-Luft-Raketenstellungen sowie weitere iranische Luftabwehrsysteme seien attackiert worden. "Hunderte Kampfflugzeuge und Flugkörper" seien beteiligt gewesen, berichtete die israelische Nachrichtenseite "Ynet".
Iranische Medien berichteten von Explosionen im Raum der Hauptstadt Teheran, in der 15 bis 20 Millionen Menschen leben. Am frühen Morgen waren auch Explosionen im Stadtzentrum zu hören und Feuer der Luftabwehr zu sehen.
Israel macht Drohung wahr
Unklar war, welche Ziele getroffen wurden. Iranische Medien meldeten am Morgen zunächst "begrenzte Schäden" an Militärstützpunkten. Es gibt bislang keine Berichte über Opfer.
Der Luftraum wurde laut Irans Staatsmedien gesperrt. Alle Flüge seien gestrichen, meldete die Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf einen Sprecher der zivilen Luftfahrtbehörde. Israels Gegenschlag erfolgte in Reaktion auf die jüngste iranische Raketenattacke.
Am 1. Oktober hatten die Revolutionsgarden rund 200 ballistische Raketen auf Israel abgefeuert. Der Angriff erfolgte nach einer Reihe von gezielten Tötungen durch Israel, die sich gegen zentrale Akteure in Irans Netzwerk nichtstaatlicher Verbündeter wie der libanesischen Hisbollah-Miliz und der islamistischen Hamas richteten. Israel hatte daraufhin Vergeltung angekündigt. Generalstabschef Herzi Halevi leite den Angriff von der unterirdischen Kommandozentrale der Luftwaffe aus dem Militärhauptquartier in Tel Aviv zusammen mit dem Kommandeur der israelischen Luftwaffe, Tomer Bar, teilte die Armee mit.
Der Angriff begann während des jüdischen Ruhetags Sabbat. Die hohen jüdischen Feiertage waren am Donnerstagabend zu Ende gegangen. Welche Ziele getroffen wurden, war zunächst unklar. Ein israelischer Beamter erklärte dem US-Sender NBC News, Israel greife keine Atomanlagen oder Ölfelder im Iran an. "Wir zielen auf Dinge, die uns in der Vergangenheit bedroht haben oder in der Zukunft bedrohen könnten", sagte er. Laut dem israelischen Militär handelt es sich um "präzise Angriffe auf militärische Ziele im Iran".
"Sollte das Regime im Iran den Fehler begehen, eine neue Eskalationsrunde einzuleiten, sind wir verpflichtet, darauf zu reagieren."
Zunächst hatten die iranischen Staatsmedien den israelischen Angriff als harmlos dargestellt. Der staatliche Rundfunk berichtete, Geräusche von Explosionen im Westen der Hauptstadt Teheran seien durch Luftabwehr ausgelöst worden. Irans Revolutionsgarden hatten in den vergangenen Tagen immer wieder betont, entschieden auf einen Angriff reagieren zu wollen. Israels Armeesprecher Daniel Hagari warnte den Iran nach Ende des Schlags vor weiterer Eskalation. "Sollte das Regime im Iran den Fehler begehen, eine neue Eskalationsrunde einzuleiten, sind wir verpflichtet, darauf zu reagieren", sagte Hagari am Morgen.
Schlägt der Iran zurück?
Irans Militär arbeitete laut einem Medienbericht an mehreren Angriffsszenarien. Sollten Israel massiv angreifen und beispielsweise auch die Öl- und Nuklearanlagen des Landes ins Visier nehmen, werde die Reaktion heftig ausfallen, berichtete die "The New York Times" unter Berufung auf vier iranische Beamte, darunter zwei Mitglieder der Revolutionsgarden.
Der Iran könnte bis zu 1.000 ballistische Raketen auf den erklärten Erzfeind abfeuern, die Angriffe verbündeter Milizen in der Region noch ausweiten und den Schiffsverkehr im Persischen Golf und der Straße von Hormus stören. Die USA stationierten vor diesem Hintergrund eine Batterie des Raketenabwehrsystems THAAD in Israel. Bereits im vergangenen Jahr hatten die USA eine Batterie des THAAD-Systems in die Region verlegt.
Berichte: USA nicht an Angriff beteiligt
Israel habe seinen wichtigsten Verbündeten USA vorab informiert, meldeten derweil US-Medien. US-Präsident Joe
Israels Kabinett hatte den Vergeltungsschlag örtlichen Medienberichten zufolge kurz vor dem Angriff autorisiert. Eine entsprechende Telefonkonferenz mit Regierungschef
Nach Beginn des Angriffs hielt Netanjahu nach Angaben seines Büros eine Lageberatung im Militärhauptquartier in Tel Aviv ab. An dem Treffen im unterirdischen Kommandozentrum der israelischen Luftwaffe seien auch Generalstabschef Halevi, Verteidigungsminister Galant sowie die Chefs der Geheimdienste Mossad und Schin Bet beteiligt gewesen.
Israel: Haben das Recht zu reagieren
"Wie jedes andere souveräne Land der Welt hat der Staat Israel das Recht und die Pflicht zu reagieren", erklärte das israelische Militär am Samstagmorgen. Israel werde es dem Iran nicht erlauben, "sich weiter hinter seinen Stellvertretern zu verstecken", schrieb Israels UN-Botschafter Danny Danon auf der Plattform X. Israel habe der internationalen Gemeinschaft gegenüber immer wieder deutlich gemacht, "dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen werden, um die Bürger Israels zu schützen", schrieb Danon weiter.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als einem Jahr kommt es immer wieder zu Angriffen der sogenannten "Widerstandsachse" von Verbündeten des Irans auf Israel. Dazu gehören neben der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gazastreifen auch Milizen im Irak sowie die Huthi-Rebellen im Jemen. Nach Beginn des Vergeltungsschlags gegen den Iran erklärte das israelische Militär am Morgen, die defensiven und offensiven Fähigkeiten seien voll mobilisiert. "Wir werden alles Notwendige tun, um den Staat Israel und das israelische Volk zu verteidigen." Es gebe aber derzeit keine besonderen Anweisungen des Zivilschutzes.
Erneut Raketenalarm im Norden Israels
Unterdessen gab es nach Beginn des israelischen Vergeltungsschlags im Norden Israels erneut Raketenalarm. Die israelische Armee teilte mit, in der Küstenstadt Naharija und umliegenden Gebieten heulten die Warnsirenen. Es gab zunächst keine Berichte über mögliche Opfer. Die mit dem Iran verbündete Hisbollah beschießt Israel seit Beginn des Gaza-Krieges vor einem Jahr. Israel antwortete mit massiven Luftangriffen und inzwischen auch einer Bodenoffensive. Derweil geht Israel im Libanon weiter gegen die Hisbollah vor. (dpa/bearbeitet von ms)
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