Unmittelbar vor Beratungen des israelischen Sicherheitskabinetts über das Abkommen für eine Waffenruhe im Gazastreifen wirft Israel der radikalislamischen Hamas vor, Teile der Abmachung infrage zu stellen. Damit könnte der komplette Deal scheitern.

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Die radikalislamische Hamas verweigert laut Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ihre Zustimmung zu Teilen der Vereinbarung über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln. "Die Hamas hält Teile der mit den Vermittlern und Israel getroffenen Vereinbarung nicht ein, um Zugeständnisse in letzter Minute zu erpressen", hieß es am Morgen aus Netanjahus Büro. Dies habe zu einer "Krise in letzter Minute" geführt.

Das israelische Kabinett werde daher erst dann zur Billigung des Deals zusammentreten, "wenn die Vermittler Israel mitteilen, dass die Hamas alle Elemente des Abkommens akzeptiert hat". Die Sitzung war für 10:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit geplant.

Die Hamas habe eine Krise bei den Verhandlungen verursacht, hieß es aus Netanjahus Büro weiter. Dem widersprachen die Islamisten: Issat al-Rischk, Mitglied des Hamas-Politbüros, erklärte via Telegram, die Hamas stehe zur von den Vermittlern angekündigten Waffenruhevereinbarung.

Grund für die Verschiebung der Kabinettssitzung soll laut dem israelischen Sender Kan auch sein, dass der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich Netanjahu noch nicht Bescheid gegeben habe, ob seine Partei aus Protest gegen das geplante Abkommen die Regierung verlässt.

Details zur Waffenruhe werden derzeit noch verhandelt

Netanjahu hatte bereits am Mittwochabend erklärt, dass "mehrere Klauseln des Rahmens" noch offen seien und geklärt werden müssten.

Israelischen Angaben zufolge werden derzeit in Katar noch abschließend Details zu der von Katar und den USA zuvor offiziell verkündeten Waffenruhe im Gazastreifen geklärt. Laut der israelischen Nachrichtenseite "Ynet" handelt es sich um "technische Details" wie die genaue Zusammensetzung der Liste von palästinensischen Häftlingen, die aus israelischen Gefängnissen freikommen sollen.

Nach monatelangen Verhandlungen hatten die Vermittlerländer USA und Katar am Mittwoch eine Einigung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas auf eine Waffenruhe im Gazastreifen und den Austausch von Geiseln verkündet. Den Angaben zufolge soll die Waffenruhe am Sonntag in Kraft treten.

Im Rahmen des Abkommens sollen zunächst 33 der verbliebenen 98 israelischen Geiseln freikommen und im Austausch palästinensische Gefangene freigelassen werden. Zu der ersten Gruppe gehören neben den beiden Langzeitgeiseln Frauen - darunter Soldatinnen - sowie zwei Kinder, ältere und kranke Menschen.

Berichte: Zwei der freizulassenden Geiseln sind seit zehn Jahren gefangen

Zwei Gaza-Geiseln, die mithilfe des Deals freikommen sollen, sind nach israelischen Medienberichten zwei Männer, die schon seit langen Jahren im Gazastreifen festgehalten werden.

Ein israelischer Araber, der geistig behindert sein soll, ist demnach seit 2015 in der Gewalt der islamistischen Hamas. Ein anderer israelischer Staatsbürger, dem psychische Probleme nachgesagt werden, wird seit 2014 im Gazastreifen gefangen gehalten, wie es weiter hieß. Beide hatten die Grenze zum Gazastreifen eigenständig übertreten - wurden also nicht aus Israel entführt - anders als die während des Massakers am 7. Oktober verschleppten Menschen.

Die Hamas veröffentlichte im Jahr 2022 auch Aufnahmen des israelischen Arabers in einem Bett mit Sauerstoffmaske. Im Jahr darauf verbreitete die Islamistenorganisation zudem ein Video des anderen Mannes. Die Aufnahmen sorgten in Israel für Empörung. Seit Jahren liefen erfolglos Bemühungen um ihre Freilassung.

Angriffe im Gazastreifen gehen weiter

Unterdessen setzt Israel seine Angriffe im Gazastreifen trotz der angekündigten Waffenruhe unvermindert fort. Nach palästinensischen Angaben mindestens 73 Menschen getötet worden. Wie die von der Hamas kontrollierte Zivilschutzbehörde am Donnerstag mitteilte, wurden bei den anhaltenden Bombardierungen auch 230 Menschen verletzt.

Auch militante Palästinenser im Gazastreifen setzten ihre Angriffe fort. Sie feuerten laut dem israelischen Militär eine Rakete auf Israel ab, verletzt wurde niemand.

Der Gaza-Krieg dauert seit mehr als 15 Monate an. Ausgelöst worden war er durch den beispiellosen Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1210 Menschen getötet und 251 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Israel geht seitdem massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 46.700 Menschen getötet. (dpa/AFP/Reuters/bearbeitet von ank)

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