Während der brüchigen Waffenruhe für den Gazastreifen wurden 13 israelische Geiseln gegen Hunderte Palästinenser ausgetauscht. Jetzt steht plötzlich alles auf der Kippe.

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Die islamistische Hamas im Gazastreifen verschiebt die für diesen Samstag vorgesehene nächste Freilassung israelischer Geiseln auf unbestimmte Zeit. Zur Begründung teilte Hamas-Sprecher Abu Obeida mit, Israel halte sich nicht an die Vereinbarung zur Waffenruhe. Israels Verteidigungsminister Israel Katz indes versetzte die Armee, die noch im Gazastreifen stationiert ist, in höchste Alarmbereitschaft.

Am Samstag wollten die Extremisten eigentlich drei weitere Geiseln freilassen. Dies werde erst möglich, wenn sich Israel wieder an die Vereinbarungen halte, hieß es nun. Die Hamas stehe aber grundsätzlich zu den Vereinbarungen über die seit dem 19. Januar für zunächst sechs Wochen geltende Waffenruhe und den Austausch von Geiseln gegen inhaftierte Palästinenser, bekräftigte Obeida.

Hamas wirft Israel Bruch der Vereinbarungen vor

Israel hingegen habe die Rückkehr von Vertriebenen in den nördlichen Gazastreifen verzögert, das Feuer an verschiedenen Stellen des Küstenstreifens eröffnet und die Einfuhr von Hilfsgütern behindert, begründete Obeida die Verschiebung der Freilassung. Die Hamas hingegen habe sich an alle Abmachungen gehalten.

Israelische Soldaten hatten auch während der Waffenruhe wiederholt auf Palästinenser geschossen. Dabei gab es mehrere Tote und Verletzte. Zur Begründung teilte die Armee mit, Verdächtige hätten sich israelischen Stellungen genähert und nicht auf Warnschüsse reagiert.

Israel: Blockieren keine Hilfslieferungen

Israel weist die Vorhaltungen der Hamas zurück und wirft den Islamisten seinerseits Verstöße vor. Der israelische Regierungssprecher David Mencer wies insbesondere Vorwürfe zurück, Israel blockiere Hilfslieferungen für die mehr als zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens.

Verteidigungsminister Israel Katz bezeichnete die Ankündigung der Hamas als gravierenden Verstoß gegen das Waffenruheabkommen und die Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln. "Ich habe die IDF angewiesen, sich mit höchster Alarmbereitschaft auf jedes mögliche Szenario in Gaza vorzubereiten und die Ortschaften (am Rande des Gazastreifens) zu schützen", sagte er.

Bisher 16 Geiseln freigelassen

Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar hat die Hamas bisher bei fünf Freilassungsaktionen 16 von insgesamt 33 israelischen Geiseln freigelassen, die während der ersten Phase der dreistufigen Vereinbarung von der Hamas übergeben werden sollen. Außerdem ließ die Terrororganisation fünf Thailänder frei, dies aber nicht als Teil der Vereinbarung mit Israel. Im Gegenzug entließ Israel 583 inhaftierte Palästinenser von vorgesehenen 1.904 Häftlingen.

Angehörige bitten Vermittler um Hilfe

Das israelische Forum der Angehörigen bat die in dem Konflikt vermittelnden Länder um Unterstützung. Das sind vor allem die USA, Katar und Ägypten. Die Umsetzung des Abkommens zur Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas müsse ermöglicht werden, forderte die Organisation. "Wir stehen an der Seite der israelischen Regierung und setzen uns für die Aufrechterhaltung der Bedingungen ein, die eine erfolgreiche Fortsetzung des Abkommens und damit die sichere Rückkehr unserer 76 Brüder und Schwestern gewährleisten", hieß es. 35 der noch 76 Verschleppten sind nach israelischen Angaben nicht mehr am Leben.

Nahostkonflikt - Tel Aviv
Verwandte von Geiseln, die von der Hamas im Gazastreifen festgehalten werden, protestieren vor dem israelischen Verteidigungsministerium in Tel Aviv, nachdem die militante Gruppe angekündigt hatte, sie werde die Freilassung der Geiseln verzögern. © dpa / Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Die Berichte der bisher Freigelassenen sowie der schockierende körperliche Zustand der am Samstag freigelassenen drei Geiseln lasse keinen Zweifel daran, dass die Zeit dränge und alle Geiseln dringend aus dieser schrecklichen Situation befreit werden müssten, schrieb das Forum weiter.

Gespräche über zweite Phase der Waffenruhe hätten schon beginnen sollen

Über die zweite Phase der Waffenruhe sollte eigentlich schon seit vergangener Woche verhandelt werden. In diesem zweiten Abschnitt würden alle lebenden Geiseln freigelassen und die israelische Armee ihren bereits jetzt begonnenen Abzug aus dem Gazastreifen abschließen.

Die Hamas warf Israel jedoch vor, den Beginn zu verzögern und nicht an einem Ende des Krieges interessiert zu sein. In der rechtsreligiösen Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu fordern Mitglieder wie der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich eine Fortsetzung des Krieges gegen die Hamas. Der rechtsextreme frühere Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, der aus Protest gegen die Waffenruhe aus der Regierung ausgetreten war, forderte nun einen "massiven Angriff" auf den Gazastreifen und einen totalen Stopp humanitärer Hilfslieferungen. (dpa/bearbeitet von lag/cgo)

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