Im Zuge der Waffenruhe-Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas kommen die nächsten aus Israel Entführten nach 484 Tagen Geiselhaft frei. Die Übergabe an das Rote Kreuz verläuft diesmal ohne Chaos.

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Die Hamas hat im Zuge einer Waffenruhe-Vereinbarung drei weitere Geiseln an das Rote Kreuz im Gazastreifen übergeben. Ofer Kalderon (54) und Jarden Bibas (35) kamen in Chan Junis im Süden des Gebiets frei und sind bereits zurück in Israel. Keith Siegel (65) wurde am Hafen der Stadt Gaza im Norden des Küstenstreifens an das Rote Kreuz übergeben, wie auf live-Fernsehaufnahmen zu sehen war.

Die israelische Armee bestätigte die Übergabe unter Berufung auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Terroristen hatten die drei Männer vor 484 Tagen während des Hamas-Massakers in Israel in den Gazastreifen verschleppt.

Sie kommen im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung zwischen Israel und der islamistischen Hamas frei. Im Gegenzug sollen 183 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden, darunter mehrere zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilte Gefangene. 111 von ihnen sind aus dem Gazastreifen und wurden nach dem 7. Oktober verhaftet.

Zudem soll laut israelischen Medienberichten der wichtige Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza wieder geöffnet werden.

Keine großen Menschenmengen bei Freilassungen

Die beiden Übergaben verliefen im Vergleich zur vergangenen geordnet und zügig. Keine große Menschenmenge hat sich dieses Mal vor Ort versammelt. Bewaffnete und vermummte Hamas-Kämpfer in Uniform säumen eine Straße, durch die das Fahrzeug mit Siegel fuhr. Fernsehaufnahmen zeigten eine Frau, die Rosenblätter und glitzerndes Konfetti in Richtung der Hamas-Kämpfer streut.

Vor jeder Übergabe unterschrieben Hamas und Vertreter des Roten Kreuz "Freilassungsdokumente". Auf Fernsehaufnahmen war zu sehen, wie Kalderon und Bibas nacheinander auf eine Bühne traten und dort Anwesenden winken mussten. Sie standen dabei vor Plakaten, auf dem getötete Hamas-Führer abgebildet sind.

Hinter der Bühne, auf die Keith Siegel zwei Stunden danach am Hafen der Stadt Gaza geführt wurde, war das Mittelmeer zu sehen. Auf einem an der Bühne angebrachten Banner ist in hebräischer Schrift zu lesen: "Der Zionismus wird nicht siegen". Unter dem Begriff versteht man das Streben nach der Gründung eines jüdischen Staates. In ihrer Charta fordert die Terrororganisation Hamas die Zerstörung des Staates Israel und die gewaltsame Errichtung eines islamischen Staates Palästina vom Jordan-Fluss im Osten bis zum Mittelmeer im Westen.

Siegel sollte nach seiner Freilassung zunächst zu einem israelischen Militärlager im Süden Israels gebracht werden. Die anderen Männer sind israelischen Angaben bereits zurück in Israel. Alle drei sollten anschließend in Krankenhäuser kommen.

In der Küstenmetropole Tel Aviv jubelten etliche Menschen, die live-Aufnahmen der Übergabe der Geiseln an das Rote Kreuz im Gazastreifen sahen.

Schicksal der Bibas-Familie bewegt die Welt

Die Entführung der Familie Bibas mit ihren zwei kleinen Jungen, einer davon ein Baby, hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Auch die Kinder sowie die Mutter, die neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sind für die Freilassung in der ersten Phase der Vereinbarung vorgesehen. Nun kommt der Vater vor ihnen frei - obwohl Frauen und Kinder Vorrang bei der Freilassung haben sollen.

Die Hamas hatte vor langer Zeit mitgeteilt, dass die Frau und die beiden Jungs bei israelischen Bombardements getötet worden sein sollen. Israel bestätigte ihren Tod - anders als in anderen Fällen - nicht. Es gebe aber große Sorge um das Schicksal der drei, hieß es von offizieller Seite.

Noch 79 Geiseln im Gazastreifen

Bei der letzten Geiselfreilassung am Donnerstag hatten sich chaotische Szenen abgespielt. Aufnahmen zeigten, wie etwa eine Deutsch-Israelin von vermummten und bewaffneten Islamisten durch eine drängelnde und schreiende Menschenmenge geführt wurden. Viele Palästinenser versuchten dabei auch, die verängstigt aussehende Frau mit ihren Handys zu fotografieren. Israel drängte nach diesen bedrohlichen Szenen darauf, dass die Staaten, die das Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der Hamas vermittelt haben, dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Die Vermittlerstaaten gaben israelischen Angaben zufolge ihre Zusage für künftig sichere Übergaben der Geiseln.

Nach der Freilassung aller drei Verschleppten werden noch 79 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, 35 von ihnen sind israelischen Angaben zufolge tot. Die nächsten Geiseln sollen am kommenden Wochenende freikommen.

Das Abkommen über eine Waffenruhe trat am 19. Januar in Kraft. Es sieht vor, dass in einer ersten Phase innerhalb von sechs Wochen 33 Geiseln im Austausch für 1.904 palästinensische Häftlinge freigelassen werden - 15 Geiseln kamen bereits an den vergangenen beiden Wochenenden sowie am Donnerstag frei. Die Hamas teilte zuletzt mit, dass acht der 33 Geiseln tot seien. Um wen genau es sich dabei handelt, ist unklar.

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Der Überfall war der Auslöser des Krieges in dem abgeriegelten Küstengebiet, wo seither laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 47.400 Menschen getötet wurden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. (dpa/bearbeitet von ari)

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