Videoaufnahmen der verängstigen Mutter Schiri Bibas und ihrer beiden kleinen Söhne waren bei ihrer Entführung 2023 um die Welt gegangen. Nach der Hamas-Übergabe wurden nur die Kinder identifiziert.

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Israel hat die Identität von zwei Kinderleichen bestätigt, die von der islamistischen Hamas im Gazastreifen übergeben worden waren. Es handele sich um die vor mehr als 16 Monaten in den abgeriegelten Küstenstreifen verschleppten Geiseln Kfir und Ariel Bibas, teilte die Armee nach einer forensischen Untersuchung mit. Bei der dritten von der Hamas übergebenen Leiche handele es sich jedoch nicht um ihre Mutter Schiri Bibas.

Die Armee habe die Familie Bibas über den Tod von Ariel und Kfir Bibas informiert, hieß es weiter in der Mitteilung. Die beiden haben auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach Einschätzung von Experten auf der Basis von Geheimdienstinformationen und forensischer Untersuchungsergebnisse seien "Ariel und Kfir im November 2023 in Gefangenschaft brutal von Terroristen ermordet worden". Nach Darstellung der Hamas waren sie bei einem israelischen Bombardement getötet worden.

Geisel, Hamas, Kfir
Mitglieder der Hamas tragen den Sarg mit dem Leichnam von Kfir Bibas, einer der vier israelischen Geiseln und jüngster Gefangener. © Jehad Alshrafi/AP/dpa

Militär: Dritte Leiche gehört einer anonymen Person

Die Untersuchung habe ergeben, dass es sich bei der dritten Leiche nicht um die Mutter Schiri Bibas handele, aber auch um keine der anderen verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas, hieß es in der Mitteilung der Armee. "Dies ist eine anonyme, nicht identifizierte Leiche."

Dies sei ein schwerer Verstoß der Terrororganisation Hamas gegen die Vereinbarung, vier getötete Geiseln an Israel zu übergeben. "Wir fordern, dass die Hamas Schiri mit allen anderen unserer Geiseln zurückgibt", hieß es weiter. Ariel Bibas sei zum Zeitpunkt seines Todes vier Jahre und Kfir Bibas zehn Monate alt gewesen.

Unklar war nun zunächst, wie es mit der Umsetzung des Deals zwischen Israel und der Hamas weitergehen soll. Vier weitere Leichen sollten laut Hamas kommende Woche übergeben werden. Zudem sollen am Samstag sechs weitere Geiseln im Rahmen des Abkommens zwischen Israel und der Islamistenorganisation freikommen.

Die Hamas hatte am Donnerstag im Gazastreifen die sterblichen Überreste von vier Menschen an das Rote Kreuz übergeben. Anschließend wurden sie der Armee ausgehändigt und von dieser in das forensische Institut bei Tel Aviv gebracht. Zuerst wurde die Leiche von Oded Lifschitz identifiziert. Lifschitz war ein pensionierter Journalist und Aktivist für die Rechte von Palästinensern.

Im Zuge einer Vereinbarung mit der Hamas sollte Israel Berichten zufolge alle Frauen und Minderjährigen freilassen, die seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 festgenommen wurden und die nicht am bewaffneten Kampf gegen Israel beteiligt gewesen sein sollen.

Übergabe der Leichen bei Hamas-Inszenierung

Die Leichen waren in einer Inszenierung der islamistischen Terrororganisation Hamas in Chan Junis im Süden des Küstengebiets an Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben worden.

Die Hamas hatte am Übergabeort eine Bühne errichtet, zahlreiche jubelnde Schaulustige versammelten sich neben Dutzenden vermummten und maskierten Islamisten in Uniformen zu lauter Musik. Dies sorgte auch international für große Empörung.

Israels UN-Botschafter fordert Verurteilung der Hamas

"Dies ist ein neuer Tiefpunkt, ein Übel und eine Grausamkeit, die ihresgleichen sucht", schrieb Israels UN-Botschafter Danny Danon auf der Plattform X. Die Hamas habe eine nicht identifizierte Leiche anstelle der Mutter von zwei ermordeten Jungen zurückgegeben, "als ob es sich um eine wertlose Lieferung handelte".

UN-Generalsekretär António Guterres, der UN-Sicherheitsrat und die Generalversammlung dürften "angesichts der Barbarei der Hamas nicht weiter schweigen", schrieb Danon weiter. "Der Staat Israel fordert eine klare und unmissverständliche Verurteilung dieses abscheulichen Verbrechens und eine klare und sofortige Forderung nach der Rückkehr von Shiri zu ihrer Familie".

Schicksal der Bibas-Familie war lange unklar

Das Schicksal der in den Gazastreifen entführten Schiri, Ariel und Kfir Bibas war seit langem ungeklärt gewesen. Videoaufnahmen der verängstigen Mutter und ihrer beiden rothaarigen Söhne, die bei der Entführung nach dem Massaker der Hamas-Terroristen im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 entstanden, gingen um die Welt.

Der Vater der Kinder, Jarden Bibas, wurde kürzlich freigelassen. "Unglücklicherweise ist meine Familie nicht zu mir zurückgekehrt", teilte er nach seiner Rückkehr nach Israel mit. "Mein Licht ist immer noch dort (im Gazastreifen), und solange sie dort sind, ist hier alles düster."

Leiche einer älteren, männlichen Geisel identifiziert

Die Frau des 1940 geborenen Oded Lifschitz war ebenfalls während des Hamas-Terrorüberfalls vor mehr als 16 Monaten in den Gazastreifen verschleppt worden. Yocheved Lifschitz wurde zwei Wochen später freigelassen. "Ich bin durch die Hölle gegangen", sagte sie damals. Die Terroristen hätten in ihrem Kibbuz Nir Oz gewütet, Menschen getötet und entführt. Die Tochter der beiden äußerte kürzlich Berichten zufolge die Sorge, ihren Vater nicht mehr lebend wiederzusehen. "Wenn er noch lebt, wäre das ein Wunder", sagte sie demnach.

"Mit tiefer Trauer haben wir die offizielle und bittere Nachricht erhalten, die die Identifizierung des Leichnams unseres geliebten Oded bestätigt", teilte die Familie in einer vom Forum der Geisel-Angehörigen verbreiteten Erklärung mit. "503 qualvolle Tage der Ungewissheit sind zu Ende." (dpa/bearbeitet von mbo)

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