Die britische Regierung hat Einreisebeschränkungen für radikale israelische Siedler angekündigt. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat ähnliche Sanktionen ins Spiel gebracht. Wie steht die Bundesregierung zu derartigen Sanktionen?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Im Nahen Osten nimmt die Gewalt zu: Nicht nur im Gaza-Streifen, wo die israelische Armee im Kampf gegen die Hamas nun auch im Süden vordringt, sondern auch im Westjordanland. Seit dem Massaker durch die Hamas am 7. Oktober kommt es dort vermehrt zu gewaltsamen Übergriffen militanter Siedler gegenüber Palästinensern. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Palästinensischen Behörde, das unter Kontrolle der Hamas steht, starben bei Zusammenstößen seither 265 Palästinenser. Vier Israelis sollen getötet worden sein, davon drei Angehörige der Sicherheitskräfte.

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Die Bundesregierung hat daher aus Sorge vor einer weiteren Eskalation des Konflikts die israelische Regierung dazu aufgerufen, die Palästinenser "von den Aktivitäten extremistischer Siedler zu schützen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen." Die USA sind vergangene Woche noch einen Schritt weiter gegangen und haben Einreisesperren für gewaltbereite israelische Siedler verhängt, welche "den Frieden, die Sicherheit oder die Stabilität im Westjordanland" gefährdeten. "Dutzende" Personen sollen betroffen sein.

Großbritannien und EU planen Sanktionen

Diesen Donnerstag erklärte nun auch die britische Regierung, Sanktionen gegen radikale israelische Siedler verhängen zu wollen. Israelis, die in palästinensischen Gebieten siedeln, sollen es demnach künftig schwerer haben, nach Großbritannien zu reisen. "Israel muss stärker gegen Gewalt durch Siedler vorgehen und die Verursacher zur Verantwortung ziehen", erklärte Außenminister David Cameron.

Auch die EU soll vergleichbare Sanktionen vorbereiten. Der Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte am vergangenen Montag nach einem Gipfel der EU-Außenminister, er werde den Mitgliedsländern einen Vorschlag unterbreiten, der sich am Vorbild der Sanktionen durch die USA orientiere. Borrell zufolge arbeite das Staatenbündnis bereits mit einigen Mitgliedsländern an konkreten Listen von Personen, die für "gewaltsame Aktivitäten und Attacken gegen Palästinenser im Westjordanland" verantwortlich sind.

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Siedler im Westjordanland

Im Jahr 2021 lebten nach Angaben der israelischen Nichtregierungsorganisation Peace Now ungefähr 465.000 israelische Siedler im Westjordanland. Das entspricht rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung des Westjordanlands. Insgesamt leben dort 3,3 Millionen Menschen. Hinzu kommen etwa 230.000 israelische Siedler in Ostjerusalem. In den vergangenen Jahrzehnten waren radikale Siedler immer wieder für gewalttätige Übergriffe gegenüber Palästinensern verantwortlich.

Außerdem kommt es immer wieder zu Landnahme durch Siedler, die teilweise von der israelischen Regierung genehmigt wird. Seit den 1970er Jahren dehnen sich die Siedlungen daher immer weiter aus. Gemäß den Vereinbarungen in der Roadmap von 2002/2003 hätten alle israelischen Siedlungsaktivitäten im Westjordanland eingefroren werden müssen. Allerdings lehnte die palästinensische Seite diesen Vorschlag ab. In den vergangenen Jahren intensivierten sich die Siedlungsaktivitäten und die Gewalt durch Siedler nahm zu.

Wirken Sanktionen gegen Privatpersonen?

Die gesellschaftliche Bedeutung der Siedlerbewegung ist nicht zu unterschätzen: Rund 7,5 Prozent der israelischen Bevölkerung sind Siedler im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem. Auch politisch sind sie einflussreich. Mit Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir sind zwei bekannte Vertreter der radikalen Siedler Teil der aktuellen Regierung unter Benjamin Netanyahu.

Fraglich ist, ob diese Art von Sanktionen gegen Privatpersonen Wirkung zeigen. Bei den Sanktionen gegen russische Oligarchen im Zuge des Ukraine-Krieges 2022 wurde mit den Einreisebeschränkungen auch das Vermögen im Ausland eingefroren. Für israelische Siedler ohne Besitz in der EU würde somit lediglich ein Reiseziel wegfallen. Die USA hatten explizit Israelis mit US-amerikanischem Pass ausgeschlossen von der Liste der Sanktionierten. Regierungsmitglieder wie Smotrich und Ben-Gvir würde ein Verbot der Einreise in die EU hingegen wahrscheinlich empfindlicher treffen und bei ihrer politischen Arbeit behindern.

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Wie steht die Bundesregierung zu Sanktionen?

Unter den Mitgliedsländern, die sich für Sanktionen gegen radikale israelische Siedler auf EU-Ebene aussprechen, gehören laut Informationen der Deutschen Welle Deutschland und Frankreich. Auf Anfrage unserer Redaktion möchte das Auswärtige Amt keine konkreten Maßnahmen benennen, erklärt aber, dass es die Sanktionen durch die USA begrüßt und vorhat, "diese Debatte auch auf europäischer Ebene voranzutreiben." Auf die Frage, ob Regierungsmitglieder wie Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir in mögliche Sanktionen miteinbezogen wären, gibt das Auswärtige Amt keine Auskunft.

Darüber hinaus erklärt das Auswärtige Amt: "Unsere Haltung ist sehr klar: Wir lehnen den Ausbau von Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten ausdrücklich ab. Er steht in eindeutigem Widerspruch zu einer verhandelten und gerechten Zweistaatenlösung und verschärft die ohnehin schon angespannte Sicherheitslage."

Verwendete Quellen

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