Der Müncher Adnan S. flog zur Beerdigung seiner Mutter in die Türkei. Da landete er wegen einiger Facebook-Posts vorübergehend im Gefängnis. S. ist wieder frei - aber zurück nach Deutschland darf er vorerst nicht.
Der wegen einiger Facebook-Posts vorübergehend in Ankara festgenommene Münchner Adnan S. wird weiter in der Türkei festgehalten.
S. sei zwar auf freiem Fuß und müsse sich nicht regelmäßig bei der Polizei melden, die Ausreisesperre bleibe aber in Kraft, sagte sein Anwalt Abdulmenaf Kiran der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Sein Einspruch gegen das Reiseverbot sei von einem Gericht am Nachmittag zunächst mündlich abgelehnt worden.
Eine endgültige Entscheidung erwartete der Anwalt frühestens an diesem Freitag, möglicherweise auch erst kommende Woche.
S. (56), der nach Angaben seiner Familie seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, in einem Bereich der Stadtverwaltung arbeitet und nur den deutschen Pass besitzt, war am 27. Dezember zur Beerdigung seiner Mutter in die Türkei geflogen und festgenommen worden. Er blieb zwei Tage in Polizeigewahrsam. Die Beerdigung seiner Mutter hatte S. so verpasst, wie ein Familienmitglied sagte.
Möglicherweise von jemandem angezeigt
S. werde vorgeworfen, mit einigen Einträgen in sozialen Medien Terror verherrlicht zu haben, sagte sein Anwalt.
Er habe allerdings "lediglich das Referendum zur Unabhängigkeit der Kurden im Nord-Irak in sozialen Medien unterstützt und ein Bild der Fahne der autonomen kurdischen Region geteilt". Das stelle nach türkischem Gesetz keine Straftat dar, aber das wüssten viele Sicherheitsbeamte nicht.
Wie die Staatsanwaltschaft von den Einträgen erfahren hat, blieb zunächst unklar. Der Anwalt gab an, nur begrenzten Zugang zu den Akten zu haben. Möglicherweise habe jemand S. angezeigt. Ähnliche Anzeigen oder Denunziationen haben bereits mehrfach zu Festnahmen auch von Deutschen mit türkischen Wurzeln geführt.
Das Auswärtige Amt hatte erst im Oktober die Reisehinweise für Deutsche verschärft und warnt nun vor regierungskritischen Äußerungen in sozialen Medien.
Türkische Polizei durchforstet soziale Medien
Möglicherweise sei aber auch einfach die Abteilung der Polizei für Cyber-Kriminalität über die Einträge gestolpert, sagte der Anwalt. Diese zunehmend aktive Abteilung hat nach offiziellen Angaben 2018 rund 42.400 Konten auf sozialen Medien nach "Terrorpropaganda, Hass-Reden oder Beleidigung von Staatsmännern" durchforstet. Gegen rund 18.300 Nutzer wurde rechtlich vorgegangen.
Das Auswärtige Amt bestätigte, dass der Fall bekannt sei. Die Botschaft in Ankara betreue den Mann konsularisch.
Kiran sagte, seinem Mandanten gehe es den Umständen entsprechend gut. "Aber natürlich ist er psychisch angeschlagen." Im Moment sei er in seinem Heimatdorf in der Provinz Konya.
Warnung an Journalisten und Blogger
2017 hatte eine ganze Serie von Verhaftungen von Deutschen eine schwere Krise zwischen Ankara und Berlin ausgelöst. Mit der Freilassung und Ausreise einiger prominenter Betroffener hatten sich die Beziehungen von Ende 2017 an leicht entspannt. Es sitzen aber noch immer fünf deutsche Staatsbürger "aus politischen Gründen" in Haft.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnte wegen des Falls von Adnan S. Journalisten und Blogger vor Reisen in die Türkei. Das gelte auch für private Urlaubsreisen, teilte der DJV am Donnerstag in Berlin mit.
Vor der Buchung einer Türkei-Reise sollten Journalisten überprüfen, ob sie sich zu den politischen Entwicklungen dort in ihren Berichten oder in sozialen Medien geäußert haben. Im Zweifel sollten sie sich für ein anderes Ziel entscheiden. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.