In Budapest haben die Innenminister ein neues Grenzschutzpaket vereinbart, um einen vollständigen Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens in die Wege zu leiten.
Die Innenminister Österreichs, Rumäniens und Bulgariens sowie Ungarns haben am Freitag in Budapest ein neues Grenzschutzpaket vereinbart, um die Weichen für einen Schengen-Beitritt der beiden Balkan-Länder im Jänner zu stellen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach von einem "weiteren wichtigen Schritt in Richtung Abstimmung" beim EU-Innenministerrat im Dezember. Eine Entscheidung werde erst im Dezember fallen, "let's cross the bridge when we are there", so Karner.
Der rumänische Innenminister Cătălin Predoiu sagte in einer gemeinsamen Pressekonferenz, Österreich habe kein Veto mehr erhoben. Er sei zuversichtlich, dass Rumänien bis Jahresende Erfolg in Hinblick auf den Schengen-Beitritt haben werde. "Wir haben heute in Budapest eine sehr wichtige Brücke überschritten." Auch der ungarische Innenminister und amtierende Ratsvorsitzende Sándor Pintér sagte, ein vollständiger Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens im Jänner sei möglich. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte, sie hoffe auf einen Schengen-Beitritt beider Länder im Jänner. Beide Länder hätten die notwendigen Kriterien erfüllt. Johansson bezeichnete das Meeting in Budapest als "sehr erfolgreich".
Gemeinsames Grenzschutzkontingent an bulgarisch-türkischer Grenze
Das am Freitag von den Innenministern vorgestellte Grenzschutzpaket sieht vor, dass die in Budapest teilnehmenden Länder ein gemeinsames Kontingent von hundert Grenzschützern an die bulgarisch-türkische Grenze entsenden, wie Pintér sagte. Die Details und genauen Beiträge der Länder müssen noch bis Dezember entschieden werden. Außerdem werde es zwischen Bulgarien und Rumänien weiterhin Binnengrenzkontrollen geben für eine gewisse Zeit, sagte Karner. "Das wurde auch vereinbart nicht nur zwischen Rumänien und Bulgarien sondern auch zwischen Ungarn und Rumänien, so wie es auch Binnengrenzkontrollen Österreichs Richtung Ungarn, Slowenien, Slowakei oder Tschechien gibt." Wenn der EU-Außengrenzschutz noch nicht so robust sei wie er sein sollte, dann seien solche Ausgleichsmaßnahmen notwendig.
Karner lobte die bisherigen Anstrengungen: Vor dem Schengen-Veto Österreichs im Jahr 2022 habe es an der östlichen Grenze Österreichs rund 70.000 Aufgriffe gegeben, jetzt seien es 3.000, "wir bewegen uns in Richtung null". Karner fügte hinzu, er werde Bundeskanzler Karl Nehammer über das heutige Treffen informieren, damit für den 12. Dezember eine gemeinsame Entscheidung getroffen werden könne.
Österreich habe sich durchgesetzt, um Europa und Österreich sicherer zu machen. Gemeinsam mit den Niederlanden habe Österreich 2022 gegen die Schengen-Erweiterung gestimmt, weil das Schengen-System in keiner Weise funktioniert habe und Österreich über Gebühr überlastet gewesen sei. Seither habe man viele Maßnahmen zur Verbesserung des Systems gesetzt, etwa große Anstrengungen im Rahmen von "Schengen Air" unternommen.
Der bulgarische Innenminister Atanas Ilkow sagte, sein Land habe große Anstrengungen unternommen. Bulgarien werde etwa mehr als 1.100 zusätzliche Grenzpolizisten entsenden.
EU-Ratsvorsitz will Einigung bis 12. Dezember unter Dach und Fach bringen
Der ungarische EU-Ratsvorsitz will beim Treffen der EU-Innenminister am 12. Dezember eine formale Einigung zur Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum erzielen. Seit März sind Rumänien und Bulgarien bereits Mitglieder von "Schengen Air", die Kontrollen an den Luft- und Seegrenzen wurden damit aufgehoben. Ein vollwertiger Schengen-Beitritt ist aber erst mit Öffnung der Landgrenzen erreicht.
Auf niederländischer Seite ist trotz neuer, rechtspopulistischer Regierung nicht mit einer Rückkehr zur früheren Blockadehaltung zu rechnen. Die frühere niederländische Regierung hatte im vorigen Jahr dem vollständigen Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens zugestimmt. Aus EU-Kreisen hieß es am Freitag gegenüber der APA in Brüssel, die jetzige Regierung dürfte an dieser Entscheidung festhalten, sofern keine größeren Probleme auftauchten.
Eine technische Möglichkeit, die Aufnahme noch aufzuhalten, besteht aber: Niederländische Ministerinnen und Minister müssen vor EU-Ratstagungen in Brüssel ihre dort vertretenen Positionen immer zuvor mit ihrem Parlament besprechen. Das Parlament könnte damit theoretisch das Ja der niederländischen Innenministerin zur Schengen-Erweiterung am 12. Dezember noch verhindern. Dafür gebe es zum jetzigen Zeitpunkt aber keine Anzeichen, hieß es weiter.
Reaktionen fallen unterschiedlich aus
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) begrüßte das "Einlenken" Karners: "Unsere Überzeugungsarbeit hat gewirkt", sagte er in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Die Erweiterung des Schengenraums stelle auch eine "wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des Flüchtlings- und Migrationspaktes der EU" dar.
Die freiheitliche EU-Abgeordnete Petra Steger richtete in einer Aussendung einen "eindringlichen Appell an die österreichische Bundesregierung: Das österreichische Veto gegen die Erweiterung des Schengen-Raums darf nicht aufgegeben werden, solange die Masseneinwanderung nicht wirksam gestoppt wurde", so Steger.
Der SPÖ-EU-Abgeordnete Hannes Heide erklärte: "Die Schengen-Blockade hatte einzig und allein den Zweck, innenpolitisches Kleingeld aus der Debatte zu schlagen. Durch das Veto wurde Österreich ein erheblicher Image- und wirtschaftlicher Schaden zugefügt." Die Voraussetzungen zur Aufnahme in den Schengenraum hätten Rumänien und Bulgarien "längst erfüllt".
Helmut Brandstätter, NEOS-Delegationsleiter im EU-Parlament, begrüßte den Vorstoß in einer Aussendung als "Meilenstein, der nicht nur Rumänien und Bulgarien voranbringt, sondern auch die gesamte EU stärkt und Österreich neue Perspektiven eröffnet." Die vollständige Integration stärke den Schutz der EU-Außengrenzen und ermögliche effektive Kontrollen, so Brandstätter.
Der Vollbeitritt beider Länder 2025 sei eine "gute Nachricht für Österreichs Wirtschaft und ein wichtiger gemeinsamer Schritt für Europa", kommentierte auch der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Karlheinz Kopf. EBÖ-Präsident Christoph Leitl bezeichnete das bevorstehende Ende des österreichischen Vetos als "Sieg der Vernunft" und "Zeichen für die europäische Einheit und den Zusammenhalt in herausfordernden Zeiten". © APA
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