Nach dem überraschenden Rücktritt der Regierung hat Russland schon knapp 24 Stunden später einen neuen Ministerpräsidenten: Wirtschaftsexperte Michail Mischustin übernimmt den Posten von Dmitri Medwedew.

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Michail Mischustin war fast zehn Jahre lang Leiter des Föderalen Steuerdienstes Russlands. Politisch ist der 53-Jährige bisher kaum in Erscheinung getreten - bis jetzt.

Das Unterhaus des Parlaments in Moskau wählte ihn mit überwältigender Mehrheit zum neuen Ministerpräsidenten. Dies galt als reine Formsache. 383 votierten für den Ökonomen. Es gab keine Gegenstimmen, aber 41 Enthaltungen.

Mischustin soll der Wunschkandidat von Wladimir Putin gewesen sein. Beobachter schließen nicht aus, dass der Wirtschaftsexperte nur ein Übergangskandidat sein könnte.

Mischustin kündigt Wirtschaftsreformen an

Der Rücktritt der Regierung am Mittwoch hatte in Moskau ein politisches Erdbeben ausgelöst. Die Regierung unter Dmitri Medwedew war zwar in der Bevölkerung sehr unbeliebt, mit dem Rücktritt hatte zu diesem Zeitpunkt aber niemand gerechnet.

Medwedew hatte 2012 das Amt des Ministerpräsidenten von Putin übernommen, zuvor war er vier Jahre lang Präsident gewesen. Nun soll er Vize-Chef im Sicherheitsrat werden.

Mischustin kündigte in der Duma als einen seiner ersten Schritte Wirtschaftsreformen an. Es sei wichtig, für ein besseres Geschäftsklima zu sorgen. Die Wirtschaftslage bezeichnete er als stabil, obwohl das größte Land der Erde unter einer lahmenden Konjunktur leidet. Mischustin hatte in der Steuerbehörde viele Modernisierungen angestoßen und ein digitales System eingeführt.

"Wir haben die notwendigen finanziellen Ressourcen, um alle vom Präsidenten gestellten Aufgaben zu erfüllen", sagte er mit Blick etwa auf die von Putin versprochene Hilfe für Familien mit geringem Einkommen.

Mischustin sprach sich auch dafür aus, mehr Agrarprodukte zu exportieren. "Die Lebensmittelsicherheit im Land ist fast vollständig gewährleistet."

Einige Ministerposten werden neu besetzt

Unklar war zunächst, welche Ministerposten neu besetzt werden. Der neue Regierungschef sagte, er wolle sich dazu "in naher Zukunft" äußern. Einen Zeitpunkt nannte er allerdings nicht.

Außenminister Sergej Lawrow sagte der Agentur Interfax zufolge: "Ich habe meine Pflichten immer ehrlich erfüllt. Das mache ich jetzt weiter." Vermutet wird, dass neben Lawrow auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Energieminister Alexander Nowak im Amt bleiben werden. Der Chef des russischen Parlaments, Wjatscheslaw Wolodin, appellierte indirekt, nicht alle Minister auszuwechseln.

Wenige Stunden vor dem Rücktritt hatte Wladimir Putin eine Rede an die Nation gehalten und dabei Änderungen in der Verfassung angekündigt. Deshalb gehen viele Kommentatoren davon aus, dass diese Ankündigung und der Rücktritt direkt zusammenhängen.

Der Kremlchef kann nämlich laut Verfassung nur noch bis 2024 das Land führen. Dass er sich danach als Privatmann aus der Politik zurückzieht, ist wohl auszuschließen.

Putin hat angestoßen, dass das Parlament mehr Macht bekommen soll. Dabei geht es unter anderem darum, dass die Duma künftig entscheiden soll, wer Ministerpräsident wird und wer Stellvertreter. Auch über die einzelnen Minister soll das Parlament bestimmen. Bislang lag all das in der Hand des Präsidenten. Details ließ Putin aber offen. (awa/dpa)

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