Lange Zeit erwartet und doch überraschend hat Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger Dienstagfrüh alle seine politischen Ämter niedergelegt. Der offizielle Grund dafür ist der Streit um die Steuerreform. Aber auch mit dem parteiinternen Zusammenhalt stand es offenkundig nicht zum Besten. Woran ist Spindelegger tatsächlich gescheitert und wer sind seine potenziellen Nachfolger?

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Gut drei Jahre lang war Michael Spindelegger als ÖVP-Obmann und Vizekanzler im Amt. Er trat 2011 (damals noch Außenminister und zweiter Nationalratspräsident) in die Fußstapfen von Josef Pröll, der sich krankheitsbedingt zurückziehen wollte. Von Anfang an musste sich der Spindelegger den Vorwurf gefallen lassen, zu wenig Charisma zu besitzen, aber zumindest wurde er als braver Arbeiter gelobt. Kritik musste sich der Niederösterreicher nicht nur von außen, sondern vor allem von den eigenen Partei-Kollegen anhören. Auch seine Entscheidungen für Besetzungen einzelner Ämter stießen nicht immer auf Gegenliebe. "Es gibt keine Obmanndebatte", ließ er gerne verlauten. Ob er das Geräusch des am Sesselsägens schon wahrgenommen hat?

Als schwierig erwies sich seine Doppelfunktion als Vizekanzler und Finanzminister. Diese Funktion hatte er seit Dezember 2013 inne. Finanz- und Bankenkrisen, Hypo-Debakel, Verschuldung, Budget und Sparmaßnahmen forderten Spindelegger, dem in dieser Hinsicht auch zu wenig Fachkompetenz zugesprochen worden war.

Streitthema Steuerreform

Die Kritik aus den Bundesländern, etwa von den ÖVP-Landeshauptleuten Josef Pühringer (Oberösterreich), Markus Wallner (Vorarlberg) und Günther Platter (Tirol) sowie zuletzt auch die Rücktrittsforderung des Tiroler Arbeiterkammer-Präsidenten Erwin Zangerl brachten das Fass offenbar zum Überlaufen: Sie forderten mehr Tempo bei der Steuerreform.

Die unterschiedlichen Standpunkte mit dem Koalitionspartner hätte er noch durchgestanden, erklärte Spindelegger bei der Pressekonferenz anlässlich seines Rücktritts. Wenn aber "der Zusammenhalt nicht mehr da ist, ist auch der Moment gekommen, das Ruder zu übergeben". Jetzt wäre eine Steuerreform Spindeleggers Meinung zufolge nur mit neuen Schulden oder neuen Steuern möglich. Das sei für ihn jedoch nicht gangbar.

Konkret plante Spindelegger im Rahmen der Steuerreform eine Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent (um 11,5 Prozent). Derzeit werden Jahreseinkommen ab 11.000 Euro brutto mit 36,5 Prozent besteuert. Für eine Änderung bei den Lohnnebenkosten zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie für eine Entlastung für Familien mittels Freibetrag sprach sich Spindelegger ebenfalls aus.

Millionärssteuer war für Spindelegger kein Thema

Die SPÖ kommunizierte den Wunsch nach einer Millionärssteuer, um damit eine "spürbare Steuerentlastung" der Arbeitnehmer finanzieren zu können. Das sei eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Für Spindelegger war die Millionärssteuer aber kein Thema, wie er in einem Ö1-Radiointerview sagte. Nötig seien seiner Meinung nach Einsparungen bei den Ländern, im Bundesbudget sowie bei den "großen Kostentreibern" wie der ÖBB-Infrastruktur und den Förderungen.

Dass die vergangenen Jahre keine einfachen waren, bestätigte nun auch Spindelegger. Dennoch verbuchte der ein respektables Ergebnis bei der Nationalratswahl vergangenes Jahr (die ÖVP lag bei 24 Prozent) sowie die Bestätigung des ersten Platzes bei der EU-Wahl unter seiner Führung als Erfolge. Auch mit seinen Leistungen im Finanzressort ist Spindelegger "durchaus zufrieden".

Wer wird Spindelegger nachfolgen?

Für Dienstagabend ist ein Parteivorstand einberufen worden, um die Nachfolge Spindeleggers zu bestimmen. Sowohl Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner als auch Außenminister Sebastian Kurz sind für den Posten als ÖVP-Chef im Gespräch. Als Finanzminister wird unter anderem der Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Hans-Jörg Schelling, kolportiert, ebenso wie Landwirtschaftminister Andrä Rupprechter.

Mitterlehner könnte alle drei Funktionen übernehmen, heißt es in einem Artikel der "Presse". Sebastian Kurz hingegen soll noch "nicht verheizt" werden. Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer dementierte Gerüchte um eine Obmann-Nachfolge. Ins Spiel gebracht werden gerne auch noch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll sowie ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka.

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