Die einen lieben Michael Häupl, anderen spritzen die Impfstellen auf, wenn sie ihn sehen. Und doch würde Wiens charismatischer Bürgermeister den meisten Österreichern wohl fehlen.
Mit Wien assoziiert man gemeinhin den Stephansdom, das Schnitzerl, die Musik, das Kaffeehaus mit seinen grantigen Kellnern, die Fiaker, den leiwanden Dialekt und natürlich den Wiener Schmäh.
Für Österreicher konnotiert die Stadt seit rund einem Vierteljahrhundert auch mit einem launigen und Spritzwein-affinen Bürgermeister, dessen Persönlichkeit gekonnt zwischen den Modi Taktikfuchs, Schmähbruder, Intellektueller, Poltergeist und Grantscherben changieren kann.
Häupls Weg an die Spitze der Hauptstadt
Ja, bald 25 Jahre sind inzwischen vergangen, seit der damalige Umweltstadtrat Michael Häupl das Kommando in der Hauptstadt übernommen und im Wiener Rathaus Platz genommen hat. Im Jahr 1993 folgte er Hans Mayr als Landesparteivorsitzender der SPÖ, rund 1,5 Jahre später Helmut Zilk als Bürgermeister und Landeshauptmann.
Die Zeiten damals? Für die SPÖ keine einfachen, machte sich doch deren Wählerschaft gerade in Scharen aus dem Staub. Und auch das Erbe Helmut Zilks war kein allzu leichtes, erfreute sich der "Bürgermeister-Übervater" ("Kurier") in Wien doch enormer Beliebtheit. "Und dennoch hat er es geschafft, sich selbst zum Übervater hochzuarbeiten", sagte Politologe Thomas Hofer einmal über Michael Häupl.
Ein Machtwort nach den Querelen
Jetzt, rund eineinhalb Jahre nach der letzten Wien-Wahl, offenbart uns die Landes-SPÖ ihr inneres Chaos. Interne Zerwürfnisse und offen ausgetragene Flügelkämpfe haben auch die Institution Michael Häupl in Frage gestellt und die Namen potenzieller Nachfolger aufkommen lassen.
Nun hat der Chef selbst seinen Rückzug angekündigt: Nach der nächsten Nationalratswahl will er als SPÖ-Landesparteivorsitzender und Wiener Bürgermeister abdanken. Zuvor hatte Häupl bekannt gegeben, beim Landesparteitag der SPÖ Wien am 29. April erneut als Parteivorsitzender zu kandidieren.
Zumindest in naher Zukunft muss Wien also noch nicht auf seinen wohl charismatischsten Politiker verzichten. Unter uns, würden wir den Häupl Michi, den am längsten dienenden "Burgerl" Wiens, und seine polternden Auftritte und launigen Sager nicht alle vermissen?
Ein Wiener Bürgermeister, der völlig schmähbefreit ist, mit einer gesunden Gesichtsfarbe daherkommt und alkoholfreien Getränken huldigt? "Man bringe den Macha-Tee?" Bitte nicht!
Häupls beste Sager im Rückblick
Schon 1996 ließ uns der Zilk-Nachfolger, Vater zweier Kinder und leidenschaftlicher Toskana-Urlauber, wissen, dass es auch in seiner Amtszeit ohne Hemdsärmeligkeit und launige Sager nicht gehen wird. So ließ er bei der Präsentation des SPÖ-Wahlkampfprogramms zum Thema "Jugendkultur" mit einem deutlichen "Wien darf nicht verwechselbar mit dem Zentralfriedhof werden" aufhorchen.
Ein Jahr später hatte er für den politischen Mitbewerb eine Botschaft, die bei diesem nicht sonderlich gut ankam: "Die SPÖ ist die lustigere Partei, wenn ich mir die anderen mieselsüchtigen Koffer anschaue, die so herumrennen."
Dass derartige Sprüche von den Medien gern prominent verhandelt werden, erstaunte dann selbst den Wiener Bürgermeister: "Ich liebe dieses Land schon allein deshalb unendlich, weil man mit einer Fußnoten-Bemerkung zur Aufheiterung des Publikums das Land drei Tage lang beschäftigen kann", urteilte Häupl nach seinem"Koffer"-Sager.
"Ich bin Bürgermeister, nicht Gott"
Aber auch die eigenen Leute bekommen beim Wiener "Burgerl" schon mal ihr Fett weg. Seine Wortspende "Wahlkampf ist Zeit fokussierter Unintelligenz. Da passieren halt gelegentlich Dinge, die nicht gescheit sind – leider auch in der eigenen Partei" traf nicht nur die Sensiblen in der SPÖ, sondern ging auch einigen anderen an die Nieren.
"Ich bin Bürgermeister, nicht Gott", stellte Michael Häupl im Jahr 2009 klar, um die Erwartungen aller Untertanen ein wenig runterzuschrauben. Für die lernwilligen Adressaten eine essenzielle Information, wussten diese doch dann ein Jahr später besser mit der neuen Situation umzugehen, als die Wiener SPÖ bei der Wien-Wahl 2010 die absolute Mandatsmehrheit verlor und sich als Koalitionspartner die Grünen suchte.
Häupl damals über den Entschluss, mit den Grünen gemeinsame Sache zu machen: "Ich habe mich zu entscheiden gehabt, ob ich mit einem Partner zu leben habe, mit dem ich mich um die eine oder andere Straße streite, oder mit einem Partner, mit dem ich mich täglich um die Bildungspolitik streite.” Offensichtlich, dass das Thema "Mariahilfer Straße" damals noch keines war.
Nah am Bürger und nah am Achterl
Zum Amt des Wiener Bürgermeister gehört natürlich eine g'scheite Weinbegleitung. Das ist in Wien langjährige Tradition, wenn man so will. Schon Häupls direkte Vorgänger – Leopold Gratz und Helmut Zilk – waren nicht nur nah am Bürger, sondern auch einigermaßen nah am Weinderl dran.
Auch der folgende Witz, den man sich im Wien der 1970er-Jahre erzählte, deutet darauf hin: "Welcher ist der sauberste Platz in Wien? Der Rathausplatz, weil der Poldi Gratz immer mit einem Fetzen drüber geht." Dass Helmut Zilk ganz gern wichtige Gespräche in sein Stammlokal "Gustl-Bauer" verlegte, um dort bei einem weißen Spritzer Stadtpolitik zu machen, ist ebenso bekannt.
Einigermaßen interessant ist auch, dass Michael Häupl den Koalitionspakt mit den Grünen im Jahr 2010 so feierlich begießen wollte ("Man bringe den Spritzwein!"). Einige Jahre zuvor klang dies ja noch ein wenig anders, als er im Zuge einer Lese in Wiens kleinstem Weingarten am Schwarzenbergplatz über die grüne Schürze, die man ihm dort zum Weinlesen überreichte, lapidar meinte: "Das einzig Grüne, das ich mag, ist der Grüne Veltliner."
Der Aufstoß-Onkel, den jeder hat
Witziges über Michael Häupl bekam man anlässlich der Wien-Wahl 2010 im "VICE Magazin" zu lesen. Dort bat man Kollegen aus den ausländischen "VICE"-Redaktionen, die die Wiener Spitzenkandidaten, darunter natürlich Michael Häupl, nicht kannten, darum, diese rein nach deren Aussehen zu beurteilen.
Über den Wiener Bürgermeister war dann Folgendes zu lesen: "Michael Häupl ist der Onkel, den jeder hat und der die ganze Zeit aufstoßen muss. Und ich meine richtig starkes Aufstoßen. Wildes Rülpsen. Die Art vom Rülpsen, die dein Haar ein bisschen beben lässt und die mitten im Satz während dem Abendessen passiert. (…) Manchmal hörst du ihn rülpsen, wenn er in eurem Haus vorbeikommt, um mit dem Rechen irgendwas im Garten zu tun. Obwohl du ihn eigentlich nicht magst, gibst du dich trotzdem mit ihm ab, weil er dir eben hin und wieder auch in seiner Onkel-Art zuwinkt und dir 20 Euro zusteckt. Während er dich anrülpst."
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