Hart, aber herzlich gegen Trump: Mit Ruhe und Gelassenheit hat Claudia Sheinbaum den drohenden Handelskrieg mit den USA vorerst befrieden können. Vielleicht hat die mexikanische Präsidentin sogar einen Weg für andere Länder gefunden, mit der impulsiven Art des US-Präsidenten fertig zu werden.

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

In gewisser Weise ist Claudia Sheinbaum so etwas wie die mexikanische Version von Angela Merkel. Das ist natürlich ein grober Vergleich, die beiden Frauen trennt ein Ozean, acht Lebensjahre und die Erfahrung, in einer Diktatur groß geworden zu sein. Trotzdem gibt es da Parallelen. Zunächst sei hier einmal die Ausbildung genannt. Ebenso wie die ehemalige Bundeskanzlerin hat Sheinbaum Physik studiert.

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Während Merkels Promotion in Quantenchemie erfolgte, war Sheinbaums Spezialgebiet die Energietechnik. Und was beide Frauen eint, ist die Ruhe und Gelassenheit im Angesicht von autoritären und machtbewussten Männern, die ihr Gegenüber durch ihr Auftreten gerne einschüchtern. Legendär ist Merkels Begegnung mit Wladimir Putins Hund, "Koni", den der russische Präsident bei einem Treffen dabei hatte, wohl wissend, dass sein Gegenüber Angst vor Hunden hat.

Gelassenheit im Umgang mit Trump

Legendär ist aber auch Angela Merkels Umgang mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Während er geradezu eine gewisse Obsession mit Angela Merkel, ihrer Flüchtlingspolitik und den vielen deutschen Autos auf New Yorker Straßen entwickelte, blieb die deutsche Bundeskanzlerin demonstrativ gelassen im Umgang mit dem US-Präsidenten. Und wurde so in den Augen vieler US-Bürgerinnen und -bürger damals zur Anführerin der freien Welt.

Und hier trifft die Merkel-Analogie auch wieder auf Mexikos Präsidentin Sheinbaum zu. Denn diese hat gerade mit der Methode "Ruhe bewahren" den US-Präsidenten an die Grenzen seiner Macht erinnert – im wahrsten Sinne des Wortes. Bereits am ersten Tag seiner Amtszeit verkündete der neue alte Chef in Washington, er würde Zölle verhängen und einen Notstand an der Grenze zu Mexiko ausrufen.

Trumps Verhandlungstaktik

Trump ließ keinen Zweifel daran, dass er nun eiskalte interessengeleitete Machtpolitik durchführen wird – und hierfür alle Hebel in Bewegung setzen wird, um seinen Verhandlungsspielraum zu nutzen. Experten wie der Vorstand des Hudson-Institute, Kenneth Weinstein, der das Trump-Team auch außenpolitisch berät, hatten vorab erklärt, dass Trumps Zollpolitik eigentlich einem anderen Zweck diene.

Im Fall von Mexiko sei die Drohung, 25 Prozent auf alle Importe in die USA zu verhängen, vor allem ein Druckmittel, um schärfere Kontrollen an den Grenzen durchzusetzen, so Experte Weinstein gegenüber dem Deutschlandfunk.

Mexiko schickt Nationalgarde an die Grenze

Und dieses Ziel hatte Trump nun scheinbar erreicht. Mexikos Präsidentin erklärte sich jüngst dazu bereit, 10.000 Mann der Nationalgarde an die Grenze zu schicken, um vor allem den Schmuggel der Droge Fentanyl in die USA zu unterbinden. Wie der US-Präsident ergänzte, sei auch die Grenzsicherung gegenüber illegalen Migranten ein Teil der Aufgabe der mexikanischen Mission.

Im Austausch dafür wurden die Handelszölle für mexikanische Waren zunächst ausgesetzt. Allerdings konnte Trump das Ergebnis der Verhandlungen nicht einseitig ausschlachten, wie er es sonst gerne tat.

Sheinbaum erklärte hingegen, dass die Grenzkontrollen nicht nur gegen Drogenschmuggel in die USA gerichtet seien, sondern auch gegen Waffenschmuggel aus den USA nach Mexiko. Die Drogenkartelle in Mexiko seien laut Sheinbaum nämlich auch durch den Fluss von leicht verfügbaren Schusswaffen made in USA am Leben gehalten worden. "Probleme werden nicht durch die Verhängung von Zöllen gelöst, sondern durch Gespräche und Dialog", erklärte Mexikos Präsidentin noch vor dem Beginn der Verhandlungen und zeigte damit zunächst klare Kante gegenüber der US-Administration.

Gesichtswahrende Übereinkunft

Dass Mexiko bei früheren Deals mit der US-Regierung bereits die Nationalgarde an die Grenze geschickt hatte – und damals sogar noch deutlich mehr Männer – verschwiegen die mexikanische Präsidentin und ihr US-amerikanischer Kollege und sorgten so für eine gesichtswahrende Lösung für beide Seiten.

Sheinbaums ruhige und besonnene Art, nicht auf Trumps Drohgebärden einzugehen, sondern stattdessen selbst zunächst hart zu sein, um dann eine gesichtswahrende Vereinbarung zu treffen, ist möglicherweise Sheinbaums Ausbildung als Naturwissenschaftlerin zuzuschreiben. In jedem Fall scheint es ein Erfolgsrezept zu sein, an dem sich auch die Bundesregierung in künftigen Auseinandersetzungen orientieren kann.

Ob damit auch langfristig dem neuen alten Mann im Oval Office beizukommen ist, bleibt allerdings abzuwarten. Die Aussetzung der Zölle wird zunächst nur für 30 Tage vereinbart. Was dann folgt, und ob andere Länder wie Kanada auf einem ähnlichen Weg Erfolg haben könnten, ist noch ungewiss.

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