Die vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) angestoßene "Spurwechsel-Diskussion" über einen Wechsle von abgelehnten Asylbewerbern bei geeigneter Qualifikation in ein Einwanderungssystem erhitzte zuletzt die Gemüter in der Koalition. Nun hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im ARD-Sommerinterview noch einmal deutlich positioniert - gegen den Vorstoß aus dem Norden.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt Überlegungen für einen sogenannten Spurwechsel abgelehnter Asylbewerber in den deutschen Arbeitsmarkt ab. "Nach außen das Signal zu geben, Du kannst kommen, und es wird im Grunde dann nicht mehr unterschieden, das finde ich nicht richtig", sagte sie am Sonntag im "Sommerinterview" der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Es erzeuge ein falsches Bild, wenn der Eindruck erweckt werde, dass man als Asylbewerber oder Flüchtling komme und dann einfach die Spur in Richtung des Fachkräftemangels wechsele.

Diskussion um Fachkräfte-Gesetz

Merkel verwies auf eine bestehende Aufenthaltsregelung für Geduldete, die nach einer Ausbildung zwei Jahre hier arbeiten. Zudem sei man in der Diskussion um ein Fachkräftezuwanderungsgesetz. Dies sei ein Riesenschritt für die Union, nachdem sie sich jahrzehntelang dagegen gesperrt habe.

CDU-Mann unterstützt Spurwechsel

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) befürwortete hingegen - wie zuvor schon die SPD - eine Stichtagsregelung beim sogenannten Spurwechsel. "Wir sollten gut integrierten Asylbewerbern, die fachlich qualifiziert sind, bis zu einem Stichtag eine Chance geben hierzubleiben", sagte Hans der "Bild am Sonntag". "Wer bis zu diesem Stichtag nach Deutschland gekommen ist und wie andere ausländische Bewerber die Kriterien des Einwanderungsgesetzes erfüllt, der sollte hier bleiben dürfen."

Abschiebung trotz guter Ausbildung

Der "Spurwechsel" bedeutet im Grundsatz, dass es Asylbewerbern, die abgelehnt und nur geduldet, aber gut integriert sind und einen Arbeitsplatz haben, über ein Einwanderungsrecht ermöglicht wird, in Deutschland zu bleiben. Gerade aus der Wirtschaft kommt immer wieder die Klage, dass einige Asylbewerber ausgebildet und gut integriert seien - und dann trotzdem abgeschoben würden.

Scharfe Kritik von CSU

Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Stefan Müller, sagte, einen "Spurwechsel" vom Asyl- ins Einwanderungsrecht lehne man "klar ab". Das Asylrecht biete Schutz vor politischer Verfolgung, das Einwanderungsrecht diene dazu, den Fachkräftebedarf der Wirtschaft gezielt zu sichern. Sonst würden "neue Anreize für Migranten in aller Welt" geschaffen, einen Asylantrag allein aus wirtschaftlichen Gründen zu stellen.

Seehofer gegen Arbeitsverbot

Von einem Arbeitsverbot für alle, die weder den vollen Flüchtlingsschutz noch politisches Asyl haben, hält CSU-Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer aber nichts. Er sagte bei einer Fragerunde mit Bürgern in Berlin: "Wenn jemand als Asylbewerber abgelehnt ist, aber nicht abgeschoben werden kann, weil zum Beispiel in seinem Herkunftsland Folter droht, dann bin ich der Meinung, dann sollte man diese Leute auch hier arbeiten lassen, denn das ist immer noch besser als sie hier herumsitzen zu lassen."

SPD will Vorstoß durchsetzen

Angestoßen worden war die Debatte vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU). Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte diesen Vorstoß bereits abgelehnt, die SPD will einen "Spurwechsel" aber in der Koalition durchsetzen. Deren Bundestagsfraktion schlug zuletzt ebenfalls eine Stichtagsregelung vor.

Verteilung nur mit Bleibeperspektive

Günther sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag): "Wir können doch nicht, wie die Bundesregierung es jetzt plant, im Kosovo um Pflegekräfte werben, aber die Leute, die schon hier sind und schon Deutsch sprechen, die schicken wir wieder nach Hause." In den Sammelunterkünften der Länder müsse deshalb das Konzept lauten: Verteilung nur mit Bleibeperspektive.

FDP für Stichtagsregelung

Die FDP-Politikerin Linda Teuteberg nannte eine Stichtagsregelung "die einzig vernünftige Lösung". Einerseits verhindere man dadurch, "dass wir weiterhin gerade gut integrierte Menschen gegen jede Vernunft aus Deutschland abschieben", andererseits setze man "keine falschen Anreize für weitere illegale Migration".

Evangelische Kirche für Nouvelle

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sprach sich für einen "Spurwechsel" aus. "Seit langem setzen wir uns als Kirchen dafür ein", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm der Deutschen Presse-Agentur. Schon jetzt arbeiteten Flüchtlinge in vielen kirchlichen Einrichtungen. (mc/dpa)

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