Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Polen zu einer Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro verurteilt. Der Grund: Eine jungen Polin durfte trotz einer Trisomie-Diagnose des Kindes keinen Schwangerschaftsabbruch durchführen.

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Weil einer jungen Polin ein Schwangerschaftsabbruch trotz einer Trisomie-Diagnose für ihr Kind verboten worden war, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Polen am Donnerstag verurteilt. Es ist das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass das Gericht in Straßburg Polen wegen einer Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben verurteilt.

Die Klägerin hatte einen Termin für einen Schwangerschaftsabbruch am 28. Januar 2021 gehabt, einen Tag nach dem Inkrafttreten einer Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts, das Abtreibungen wegen Fehlbildungen des Fötus für ungesetzlich erklärt hatte. Die Klinik hatte den Termin zur Abtreibung daraufhin abgesagt, die junge Frau ließ schließlich im Ausland abtreiben.

Polnisches Verfassungsgericht widerspreche rechtsstaatlichen Anforderungen

Die Straßburger Richter begründeten ihr Urteil damit, dass es bei der Wahl der polnischen Verfassungsrichter "erhebliche Regelverstöße" gegeben habe. Das Verfassungsgericht entspreche daher nicht den Anforderungen eines Rechtsstaates. Zudem sei der Eingriff bei der jungen Frau noch vor Inkrafttreten der Neuregelung vereinbart worden.

Der Menschenrechtsgerichtshof verurteilte Polen zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro. Zwei der sieben Richter, einer aus Polen und einer aus Ungarn, stimmten gegen die Verurteilung.

Polen zuvor wegen mangelndem Schutz Homosexueller verurteilt

Der EGMR hatte Polen bereits am Dienstag wegen fehlenden Schutzes homosexueller Partnerschaften verurteilt. Geklagt hatten fünf homosexuelle Paare, die vergeblich versucht hatten, vor polnischen Standesämtern eine Ehe zu schließen. Es bestehe kein Grund zur Annahme, dass die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare traditionell gegründeten Familien schaden könne, urteilten die Richter.

Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind 46 Staaten beteiligt. Er befasst sich mit mutmaßlichen Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in allen Unterzeichnerstaaten. Grundsätzlich müssen erst die innerstaatlichen Institutionen durchlaufen sein, bevor das Menschenrechtsgericht sich mit einem Fall befasst. (afp(jos)

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