- Ein Protest gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft in Mecklenburg-Vorpommern eskaliert.
- Mehrere Menschen versuchen, das Kreistagsgebäude in Grevesmühlen zu stürmen.
- Unter den Demonstrierenden befinden sich auch zahlreiche Rechtsextreme.
Es sind tumultartige Szenen, die sich vor einem Sitzungsgebäude des Kreistages in Grevesmühlen abspielen. Rund 700 Menschen protestieren gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft im nahegelegenen Ort Upahl.
Es kommt zu Ausschreitungen: Ein Teil der Demonstranten versucht, sich Zutritt zum Kreistagsgebäude zu verschaffen, wird aber von der Polizei daran gehindert. Was war passiert?
Kreistag in Grevesmühlen stimmt für Bau einer Flüchtlingsunterkunft
Der Kreistag hatte am Donnerstag dem Bau einer Flüchtlingsunterkunft in der Ortschaft Upahl zugestimmt. Geplant ist eine Anlage in Containerbauweise, die 400 Geflüchtete beherbergen soll.
Laut dem Landkreis Nordwestmecklenburg kann nun mit dem Bau begonnen werden, erste Container sollen ab März auf einem Kreis-Grundstück in einem Gewerbegebiet aufgestellt werden. Kritiker bemängeln, dass die Unterkunft in einem kleinen Dorf entstehen soll statt in einer Stadt - und damit weit weg von vielen Anlaufstellen für die Asylbewerber.
Die Teilnehmer der angemeldeten Versammlung brachten teils lautstark ihren Unmut über den Bau der Unterkunft zum Ausdruck. Laut Polizei versuchte "ein Teil der Versammlung", ins Landkreisgebäude einzudringen, wurde allerdings von den Beamtinnen und Beamten zurückgedrängt.
Rund 120 Einsatzkräfte waren vor Ort und versuchten, die Kreistagsteilnehmer abschirmen. Dabei habe sich die Polizei "verbalen Aggressionen" ausgesetzt gesehen. Unbekannte hätten im Versammlungsraum zudem mehrfach Pyrotechnik gezündet. Die Versammlung wurde schließlich durch den Versammlungsleiter beendet.
Ausschreitungen in Grevesmühlen: Offenbar zahlreiche Rechtsextreme unter den Demonstranten
An den Protesten in Grevesmühlen waren offenbar zahlreiche Rechtsextreme, Reichsbürger und Hooligans beteiligt. Laut NDR befanden sich unter anderem "bekannte Rechtsextremisten aus der Region sowie Hooligans" unter den Demonstrierenden.
Die "Bild"-Zeitung zitierte einen Polizeisprecher, der sagte, unter den Teilnehmern sei "eine auffallend hohe Anzahl an Rechtsextremen, Neonazis, Reichsbürgern und Fußball-Hooligans" gewesen. Er schätzte die Zahl der Gewaltbereiten unter den Demonstranten auf "weit über 100". Auch der Staatsschutz sei im Einsatz gewesen.
Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruchs
Die Polizei leitete insgesamt vier Strafverfahren ein. In zwei Fällen wird wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt, wie eine Polizeisprecherin am Freitag mitteilte. Zudem gebe es je ein Verfahren wegen schweren Hausfriedensbruchs und eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
Die Zahl der Tatverdächtigen sei noch nicht geklärt, hieß es. So werde unter anderem noch Filmmaterial ausgewertet, zudem müssen Zeugen befragt werden. Mehrere Teilnehmer der Proteste hätten mit Vermummungen gegen das Versammlungsgesetz verstoßen. Andere sollen Pyrotechnik und Nebeltöpfe gegen die Beamten eingesetzt haben.
Die Grüne Jugend Mecklenburg-Vorpommern sprach von einem Angriff von Rechtsextremen. "Rassistische Parolen, Fackeln und der Versuch, den Sitzungsraum zu stürmen, haben nichts mit legitimem Protest zu tun, sondern strotzen ausschließlich vor Menschenverachtung", heißt es in einer Erklärung.
Immer wieder Proteste und Anschläge auf geplante Asylunterkünfte
Es kommt immer wieder zu Protesten gegen geplante oder im Bau befindliche Unterkünfte für Geflüchtete, zuletzt etwa in Sachsen. Dort mobilisiert unter anderem die rechtsextreme Partei Freie Sachsen regelmäßig dafür. Auf ein geplantes Heim in Bautzen wurde im Oktober ein Brandanschlag verübt.
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping verurteilte Anfang der Woche die wiederholten Proteste gegen die Unterbringung von Geflüchteten im Freistaat. "Die mancherorts wieder aufflammende pauschale Ablehnung dieser Menschen finde ich unsäglich", sagte die SPD-Politikerin.
Das gelte auch für die oft unangemeldeten Demonstrationen, "die klar erkennbar von Rechtsextremisten angeführt oder begleitet werden". "Ich hatte eigentlich gehofft, dass sich 2015 nicht wiederholt", fügte Köpping hinzu. "Alle Geflüchteten, ob minderjährig oder erwachsen, ob allein oder mit Familie geflohen, ob aus der Ukraine oder aus anderen Krisen- und Kriegsregionen, haben in Deutschland einen Anspruch, menschenwürdig untergebracht zu werden."
Verwendete Quellen:
- AFP
- dpa
- NDR.de: Flüchtlingsunterkunft in Upahl kommt - Tumulte vor Kreistag
- Bild.de: Rechtsextreme wollen Kreistag stürmen
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