Einst galt Max Lercher als linker Revoluzzer. Heute versetzt er als SPÖ-Bundesgeschäftsführer seiner Partei einen Rechtsdrall. Ist er der richtige Mann für den Posten? Ja, sagen selbst Kritiker.

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Als der steirische Landtag vor sieben Jahren mit großer Mehrheit ein Bettelverbot beschloss, scherte ein einziger SPÖ-Abgeordneter aus. Max Lercher, Chef der Sozialistischen Jugend (SJ) in der grünen Mark. Der damals 24-Jährige galt vielen fortan als Unbequemer, der seine Überzeugungen über die Parteiräson stellt.

Heute ist Lercher Bundesgeschäftsführer der SPÖ und Christian Kerns Mann fürs Grobe.

Rechtspopulisten rechts überholen?

Großen sozialdemokratischen Idealismus unterstellt ihm inzwischen keiner mehr. Erst vergraulte er viele Genossen, indem er die Bundesregierung quasi von rechts attackierte: "Die FPÖ holt 150.000 Zuwanderer ins Land“, kritisierte er in einer Presseaussendung. Das sei "Arbeiterverrat". Wenig später legte er auf Facebook nach: "Jörg Haider würde heute SPÖ wählen", schrieb Lercher.

Wollte der neue sozialdemokratische Parteimanager die Rechtspopulisten rechts überholen? Das fragten sich nicht wenige Genossen, in den sozialen Medien wurde Lercher rasch zum Reibebaum empörter Parteifreunde.

Allenfalls hielt man ihm zugute, dass er nicht aus Überzeugung, sondern aus politischem Kalkül handelte: "Es ist legitim, die Widersprüche der Regierung aufzudecken", sagt ein hochrangiger SPÖ-Funktionär. "Aber die Wortwahl war einfach jenseitig."

Bruch mit jungen Roten

Wie aber konnte sich der mittlerweile 31-jährige steirische Politiker so verändern? Wie seine linken Überzeugungen so rasch über Bord werfen?

Wegbegleiter von früher – als er noch Landeschef der linken SPÖ-Jugendorganisation war – urteilen nüchtern. "Dass er damals gegen das Bettelverbot stimmte, war auf unseren Druck zurückzuführen. Eigentlich wollte er mitstimmen", erzählt ein einstiger SJ-Kollege.

Als die rot-schwarze Landesregierung bald darauf massive Kürzungen im Sozialbereich beschloss, legte sich Lercher nicht mehr quer. Es kam zum Bruch mit den jungen Roten, Lercher legte den Vorsitz zurück.

Der heutige Bundesgeschäftsführer hat keine allzu gute Nachrede von seinen Jugendfreunden: "Er weiß, wie man Inhalte einfach verkauft. Aber er ist kein politischer Analytiker."

Lerchers schwieriger Job

Trotzdem – oder gerade deshalb – hat Lercher in der Bundespartei schon lange Fans. Als Christian Kern im Frühling 2016 Werner Faymann als Bundeskanzler und SPÖ-Chef beerbte, fiel sein Name erstmals bei der Suche nach einem neuen Bundesgeschäftsführer.

Doch am Ende machte, auf Wunsch der Wiener Landespartei, Georg Niedermühlbichler das Rennen. Als dieser im Sommer über die Affäre rund um Tal Silberstein stolperte, wurde der wichtige Posten erst provisorisch besetzt. Nach der Wahl installierte Kern dann den jungen Steirer.

Lerchers Aufgabe ist nicht einfach. Die SPÖ-Bundespartei ist seit Jahren von Flügelkämpfen geschwächt und organisatorisch schwach aufgestellt. Dass es den Roten an Mobilisierungsfähigkeit und politischer Schlagkraft fehlt, hat nicht zuletzt der pannenreiche Nationalratswahlkampf gezeigt. Lercher soll es nun richten und die Partei neu ausrichten.

Der neue Karl Blecha?

Ist er dafür der Richtige? Als eines seiner politischen Vorbilder nennt Lercher ein SPÖ-Urgestein, den ehemaligen Parteimanager Karl Blecha, der vor fünf Jahrzehnten Bruno Kreisky zur Kanzlerschaft verhalf. Der gelernte Meinungsforscher Blecha setzte früh auf innovative Methoden zur politischen Auswertung von Daten. Er wusste, wie man mit Statistiken und Umfragen arbeitet.

Eine ähnliche Innovationskraft wird auch Lercher nachgesagt. "Er ist ein richtiger Nerd, was Onlinetools zur Wählermobilisierung betrifft", sagt ein Parteifreund, der Lercher durchaus kritisch sieht. "Und er hat organisatorisch große Stärken." Damit, sowie mit einer gewissen Durchsetzungskraft ausgestattet, sei er womöglich die richtige Besetzung zur richtigen Zeit. Lercher sei eben ein "Umsetzer und Exekutor."

Freilich: Mit seiner ausländerkritischen Presseaussendung dürfte er weder sich noch seiner Partei einen Gefallen getan haben. Am Ende ging die SPÖ-Kritik an der Regierung unter, im kollektiven Gedächtnis blieb nur die Empörung über seine Wortwahl. Ob Lercher tatsächlich ein neuer Blecha sein kann, wird sich noch zeigen.

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