Nach dem zähen Prozess bis zu einer Einigung von ÖVP, SPÖ und NEOS muss die Dreierkoalition nun ihre Pläne als Regierung vorlegen.
ÖVP, SPÖ und NEOS haben sich im zweiten Anlauf auf eine Dreierkoalition geeinigt. Die drei Parteivorsitzenden präsentierten am Vormittag im Parlament den Koalitionspakt. Geplant ist wie angekündigt eine Budgetkonsolidierung ohne EU-Defizitverfahren, dazu wird es deutliche Verschärfungen im Asylrecht und Erleichterungen für Mieter geben. Auch eine "Kindergrundsicherung" ist geplant.
Die Parteiobleute von ÖVP, SPÖ und NEOS haben ihr gemeinsames Regierungsprogramm bereits Bundespräsident
Stocker: Schwierigste Regierungsbildung
Stocker meinte in einer Pressekonferenz, die vielleicht schwierigste Regierungsbildung der Geschichte sei nun abgeschlossen: "Diese Einigung ist nur nach einem zutiefst österreichische Grundsatz gelungen: Durch's reden kommen die Leute zusammen." Während sich andere der Verantwortung entzogen hätten, hätten ÖVP, SPÖ und NEOS Einvernehmen hergestellt und Handlungsfähigkeit bewiesen. Es gehe jetzt nicht um rechts und links sondern um Rot-Weiß-Rot und neun Millionen Menschen.
Der künftige Kanzler hob in seinem Statement den Asyl- und Integrationsbereich hervor. So betonte Stocker etwa, dass man notfalls Asylanträge auch gar nicht mehr annehmen würde. Ein Kopftuch-Verbot für Mädchen werde verfassungskonform ausgestaltet. Babler freute sich, dass Banken, Energieanbieter und Immo-Branche mit Abgaben zur Budgetsanierung beitragen müssten. Zudem würdigte er, dass die Mietpreise für ein Jahr eingefroren würden und auch die kommenden Jahren moderat steigen würden.
Meinl-Reisinger: Budgetär zwei harte Jahre
Meinl-Reisinger nannte als für die NEOS besonders wichtig die Aufwertung der Elementarpädagogik mit einem zweiten verpflichtenden Kindergarten-Jahr. Budgetär würden es jetzt zwei harte Jahre werden. Aber man könnte sich gerade jetzt strukturellen Themen widmen. Maßnahmen werde es im Pensionswesen geben über einen Nachahltigkeitsmodus.
In dem mehr als 200 Seiten starken Programm mit dem Titel "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich" wird "Konsens und Pragmatismus" betont, auf dem die Einigung basiere. Der größte Fortschritt für Österreich sei immer aus "Konsens, Zusammenarbeit und Zuversicht" entstanden. Auch auf die gescheiterten Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ wird Bezug genommen: "Während andere diese Kooperation verweigern und sich ihrer Verantwortung entziehen, stellen wir Einvernehmen und Handlungsfähigkeit her." Jetzt gehe es nicht um parteipolitische Interessen, sondern "um uns alle, um Österreich, um neun Millionen Menschen in unserem Land".
Maßnahmen im Asylbereich geplant
Scharfe Maßnahmen werden im Asylbereich angekündigt. So soll der Familiennachzug zumindest vorübergehend "sofort" gestoppt werden, auch ein Kopftuchverbot für unmündige Minderjährige (bis zur Vollendung der 14. Lebensjahres) ist angepeilt. Auch finden sich Maßnahmen im Mietrecht im Programm, so soll etwa die Mindestdauer der Befristung bei Mietverträgen auf fünf Jahre steigen. Am Aufbauplan für das Bundesheer wird festgehalten, ebenso an der Teilnahme von Sky Shield. Der ORF-Beitrag soll bis 2029 nicht erhöht werden. In den Kinderbetreuungseinrichtungen soll es eine gesunde Jause kostenlos geben. Frauenhygiene- und Verhütungsartikel sollen von der Umsatzsteuer befreit werden.
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Neuerungen sind laut dem Entwurf unter anderem auch im Bereich Armut und Soziales geplant. Der Kinderarmut soll mit einer "Kindergrundsicherung" entgegengetreten und bis 2030 halbiert werden. Die bisherige Sozialhilfe soll zu einer "Sozialhilfe NEU" werden, mit einem einheitlichen Tagsatz, der sich am Ausgleichszulagen-Richtsatz orientiert. Die 2019 unter Schwarz-Blau statt der Mindestsicherung geschaffene Sozialhilfe legte hingegen Höchstgrenzen statt der bis dahin gütige Mindeststandards fest.
Defizitverfahren soll verhindert werden
Das Budget soll wie angekündigt entlang der EU-Fiskalregeln konsolidiert werden, Ziel ist die Verhinderung eines Defizitverfahrens. Angesichts der "aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen" plane die neue Bundesregierung das Budget über die nächsten sieben Jahre zu konsolidieren. Auch soll rasch ein Doppelbudget und ein neuer Bundesfinanzrahmen beschlossen werden. Die Planungen sehen wie bereits angekündigt ein Maßnahmenpaket für das Jahr 2025 von mehr als 6,3 Mrd. Euro und für das Jahr 2026 von 8,7 Mrd. Euro vor.
Als möglicher Angelobungstermin der neuen Bundesregierung gilt weiterhin der kommende Montag. Voraussetzung dafür ist, dass die Partei-Gremien grünes Licht für den Koalitionspakt geben. Die größte innerparteiliche Hürde müssen dabei die NEOS nehmen, entscheidet bei den Pinken doch in letzter Instanz eine Mitgliederversammlung am Sonntag. Für die Annahme der Koalitionsvereinbarung ist dabei eine Zweidrittelmehrheit nötig.
Stocker verteidigt großes Kabinett
Die ungewöhnliche Größe der neuen Regierung verteidigten alle drei Parteispitzen. Es sei nicht das erste Mal in der Zweiten Republik, dass es so viele Regierungsmitglieder gebe, meinte Stocker. Zudem habe sich das Aufgabenspektrum der Politik verbreitert mit Themen wie Klimaschutz und Integration. "Es müssen Ressorts auch führbar sein", meinte Babler zum Vorwurf einer zu großen Regierungsmannschaft. Und auch Meinl-Reisinger sagte: "Wir gehen hier Schritte, die gewaltig und auch ein Kraftakt sind."
Einstimmigkeit im Ministerrat sollen zudem wieder eigene Regierungskoordinatoren oder -koordinatorinnen herbeiführen. Wer diese Aufgabe für jede Partei übernehmen soll, wurde - wie auch Ministerposten - nicht verraten. Stocker zeigte sich jedenfalls zuversichtlich, dass auch in der ersten Dreierkoalition etwas weitergebracht wird. International seien solche Konstellationen durchaus üblich - und auch in den Bundesländern. Neu ist, dass in einem Koalitionspakt erstmals die Vorschlagsrechte der Parteien für wichtige Positionen festgelegt wurden - für Stocker und Meinl-Reisinger ein Ausdruck von Transparenz.
Maßnahmen ohne Budgetvorbehalt "unseriös"
Auch dass viele der im Regierungsprogramm erwähnten Maßnahmen im Papier unter Budgetvorbehalt fallen, verteidigten die künftigen Koalitionspartner und -partnerinnen. Man wisse nicht, wie die Entwicklung in den kommenden Jahren aussehen werde, argumentierte Stocker. Daher wäre es auch unseriös zu sagen, dass wirklich alles umgesetzt werden könne. Auch Babler und Meinl-Reisinger schlossen sich dieser Argumentation an und sprachen von einer seriösen Vorgangsweise. (APA/bearbeitet von ng)