Die AfD hat bei der Bundestagswahl ein Rekordergebnis erzielt. Doch es bleibt dabei: Ihr fehlt die Machtperspektive. Was also tun? Die Parteichefs wollen einmal mehr die "Brandmauer" einreißen. Grund zur Mäßigung sehen sie nicht.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Hartmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Alice Weidel spricht in Superlativen. Das Wahlergebnis sei ein "historischer Erfolg", noch keine Partei in Europa habe in so kurzer Zeit so viel erreicht. Die AfD sei "Volkspartei". Und: "Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen".

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Montagmorgen, 9:00 Uhr in der Bundespressekonferenz in Berlin. Es ist Tag eins nach der Bundestagswahl. Die AfD hat 20,8 Prozent geholt, sie ist damit zweitstärkste Kraft im Parlament. Und sie übernimmt die Rolle des Oppositionsführers.

Weidel und ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla treten nach einer vermutlich kurzen Nacht am Morgen schon wieder vor die Hauptstadtpresse. Sie wollen ihre Sicht auf das Wahlergebnis darlegen. Die Lesart ist nicht neu: Der Wähler, sagt Weidel, wolle eine Mitte-Rechts-Regierung. Das schließe die Union aber aus. "Wir halten diese Blockadehaltung für undemokratisch", sagt Weidel.

Weidel attackiert die Union

Dann greift sie CDU-Chef Friedrich Merz an. Der werde mit der SPD in einer Großen Koalition nichts umsetzen können von seinem Programm. Wie auch? Das sei ohnehin von der AfD abgeschrieben. So ähnlich klang Weidel bereits beim Parteitag in Riesa. Spätestens da war klar: CDU und CSU sind die neuen Hauptgegner der AfD.

Auch Weidels Co-Vorsitzender Tino Chrupalla fordert ein Ende der Brandmauer. In Ostdeutschland habe die AfD 45 von 48 Wahlkreisen gewonnen, sagt er. "Der Wähler hat gezeigt, was er von der Brandmauer hält".

Trotzdem werde man immer für "vernünftige Politik" bereitstehen. Die AfD-Chefs setzen in ihren Eingangsstatements auf die ausgestreckte Hand. So soll es zumindest wirken.

Wer nach dem Wahlabend, bei dem die AfD ihr Ergebnis nahezu verdoppelt und damit zweifellos einen großen Erfolg eingefahren hat, auf einen versöhnlichen Auftritt hoffte, sieht sich aber schnell getäuscht. Spätestens mit Beginn der Reporter-Fragen ändert sich der Ton – vor allem bei Alice Weidel.

Auf eine mögliche Reform der Schuldenbremse angesprochen, redet sie sich förmlich in Rage. Nein, die Zustimmung der AfD dazu sei ausgeschlossen. Sie bemüht das schiefe Sprachbild, dass jetzt vielmehr mit "eisernem Besen" zusammengestrichen werden müsse.

"Der Steuerzahler wird geschröpft", schimpft Weidel. In Deutschland gebe es nach wie vor die "Herrschaft des Unrechts" – gemeint sind vermeintlich offene Grenzen. Weidel spricht von einem "kompletten Kontrollverlust". Dabei war nach Migration gar nicht gefragt.

Schulden sind für die AfD-Chefin Teufelszeug. Der Staat müsse zusammengestutzt werden, sagt sie. Weidels libertäre Positionen sind kein Geheimnis. Dass die promovierte Ökonomin aber behauptet, dass Staaten wie Unternehmen wirtschaften müssen, verwundert doch.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Weidel ist für die schrillen Töne zuständig

Auf dem Podium der Bundespressekonferenz ist es vor allem Weidel, die für die schrillen Töne zuständig ist, nicht ihr Co-Chef Tino Chrupalla, der ohnehin meistens erst nach Weidel spricht. Die Machtverhältnisse in der AfD sind klar.

Auch die Medien attackiert Weidel. Die würden zu oft nur die Regierungsmeinung "rauströten", sagt sie. Als Beispiel nennt sie die Euro-Rettungspolitik, Corona, Migration. Auch das: bekannte Weidel-Positionen. Sie bleibt wie immer im Allgemeinen, schwarz oder weiß, gut oder böse.

Die AfD-Chefs betonen die internationale Unterstützung, die sie erfahren. Und damit haben sie vermutlich sogar recht. Ob Ungarns Regierungschef Orban, Putin in Russland oder die Trump-Administration in den USA: Die AfD kommt in diesen Kreisen an.

Weidel drückt es so aus: Man wolle gute Beziehungen pflegen, egal, ob nach Russland, in die Ukraine, zu China oder in die USA. Dort mache Präsident Trump übrigens einen "sehr guten Job", sagt Weidel.

Eine Stunde sitzen sie und ihr Co-Chef Chrupalla auf dem Podium der Bundespressekonferenz. Die beiden sind mit ihrer Partei radikal erfolgreich. Doch die Schärfe im Ton, die Unverrückbarkeit der eigenen Positionen zeigt, warum CDU und CSU mit dieser Partei nicht regieren wollen, ja es nicht können. Mit Mäßigung ist bei der AfD nicht zu rechnen.

Ein Anruf, der begeistert

Am Schluss berichtet Weidel noch von einem für sie erfreulichen Ereignis. Als sie am Morgen nach der Wahl auf ihr Smartphone blickt, sieht sie dort einen entgangenen Anruf: von Elon Musk. Der Tesla-Chef und Trump-Berater wollte Weidel zum Wahlsieg persönlich gratulieren.

Ähnlich erging es Tino Chrupalla. Er habe von zwei Nationalspielern und ehemaligen Spielern des FC Bayern München Glückwünsche bekommen "Von daher auch viele Grüße an Uli Hoeneß", sagt Chrupalla. Er grinst.

Verwendete Quellen

  • Besuch in der Bundespressekonferenz am 24. Februar
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