ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling verzichtet auf die Einschau in Stiftungen im kleinen Nachbarland Liechtenstein. Die NEOS und die Arbeiterkammer sind darüber empört. Ausgerechnet die SPÖ nimmt den konservativen Minister in Schutz.
Ein Finanzminister und Stiftungen im Ausland: War da nicht schon was? In wenigen Wochen beginnt der Buwog-Prozess gegen Karl-Heinz Grasser, den Finanzminister der schwarz-blauen Regierung unter Wolfgang Schüssel.
Die Ermittlungen gegen Grasser – dem Unregelmäßigkeiten bei Privatisierungen vorgeworfen werden – dauerten zehn Jahre lang. Der Hauptgrund: Grasser hatte einen Teil seines Vermögens über ein Dickicht von Stiftungen in ausländischen Steueroasen angelegt. Als die Staatsanwaltschaft seine Konten öffnen wollte, biss sie auf Granit.
Der noch amtierende Finanzminister Hans-Jörg Schelling ist nicht Grasser. Aber auch er musste bereits Kritik einstecken, weil sein früherer Arbeitgeber, der Möbelriese XXX-Lutz 2007 mit Tochterfirmen auf Malta Steuern sparte. Schelling rechtfertigte sich damit, dass er damals nur noch Aufsichtsrat und als solcher an den Praktiken nicht beteiligt war. Tatsächlich waren die Praktiken im Rahmen der damaligen Gesetze legal.
Nachdem Schelling aber Finanzminister wurde, musste er sich von der Opposition harsche Kritik wegen seiner Vergangenheit gefallen lassen – umso mehr, als er sich weigerte, konkrete Antworten zur Malta-Konstruktion seines ehemaligen Arbeitgebers zu geben.
Steuer-Deal mit Liechtenstein sorgt für Wirbel
Die Aufregung um den unlängst bekannt gewordenen Steuer-Deal Österreichs mit Liechtenstein kommt also nicht von irgendwoher. Der "Standard" hatte enthüllt, dass die Bundesregierung vor einem Jahr mit dem kleinen Fürstentum – das als Steueroase gilt – eine Extraregelung beim Datenaustausch über Stiftungen getroffen hat. Das Finanzministerium verzichtet darauf, ab 2018 automatisch über alle österreichischen Stifter in Liechtenstein genau informiert zu werden.
Worum geht es dabei? Auf Druck der EU müssen Steueroasen wie Liechtenstein oder die Schweiz in Zukunft gesprächiger gegenüber den Finanzministerien anderer Länder sein. So soll verhindert werden, dass unversteuerte Gelder über verwinkelte Konstruktionen im Ausland geparkt werden.
Österreich will weniger von Liechtenstein wissen als andere EU-Länder. Umgekehrt pocht Österreich bei der Schweiz sehr wohl darauf, umfassend informiert zu werden.
Gerüchteküche am Brodeln
Warum ausgerechnet Liechtenstein? Die Gerüchtebörse in Wien kocht: Wer könnte davon profitieren, dass das Finanzministerium weniger Informationen über unversteuerte Gelder im kleinen Nachbarland bekommt? Konkrete Hinweise gibt es freilich keine.
Auch der NEOS-Angeordnete Sepp Schellhorn, der zu dem Thema eine parlamentarische Anfrage an Finanzminister Schelling gestellt hat, bleibt zurückhaltend. Nur so viel: "Es wirkt fast so als würde man Leuten Zeit geben, ihre Gelder ins Trockene zu bekommen."
Es gehe ihm aber, beteuert Schellhorn, gar nicht so sehr um mögliche Steuerhinterziehung, sondern ums Prinzip: "Warum verlängert ein ÖVP-Minister entgegen den OECD-Richtlinien die Intransparenz?", fragt er. "Warum gibt es unterschiedliche Kriterien für die Schweiz und für Liechtenstein?"
Im Finanzministerium gibt man sich zu der Causa bedeckt und verweist auf die bestehenden Kontrollen in Liechtenstein zur Vermeidung von Steuervergehen.
Durchaus gesprächiger ist der Noch-Koalitionspartner der Konservativen. Die SPÖ hat die kritisierte Regelung nämlich im Vorjahr mitbeschlossen: "Es gab bei uns durchaus Diskussionen", räumt SP-Finanzsprecher Jan Krainer im Gespräch mit unserer Redaktion ein. Am Ende stehe er aber zu der beschlossenen Regelung.
Krainer: "Die Beamten im Finanzministerium konnten uns glaubhaft versichern, dass der Vollzug des Abkommens mit Liechtenstein ausgezeichnet funktioniert. Es wäre ein ungleich höherer Verwaltungsaufwand, wenn wir nicht das alte Abkommen laufen lassen."
Mit anderen Worten: Es gebe keinen Grund, den Behörden des kleinen Nachbarstaates zu misstrauen, ein Mehr an Kontrolle würde die Sache unnötig verkomplizieren.
Kritik: Österreich bei Steuertrick-Bekämpfung auf der Bremse
Viel Lärm um nichts also? Kritik am Liechtenstein-Abkommen gibt es nicht nur von den liberalen NEOS, sondern auch von der Arbeiterkammer (AK): "Es ist nicht das erste Mal, dass Österreich bei der Bekämpfung von internationalen Steuertricks auf der Bremse steht", sagt AK-Finanzexperte Philipp Gerhartinger im Gespräch mit GMX.at. Es sei auf jeden Fall problematisch, wenn Österreich internationale Abkommen unterlaufe.
Das hat in einem ähnlichen Fall auch zu parteiinternem Zwist bei den Konservativen geführt. So empörte sich der Chef der ÖVP-Delegation im EU-Parlament, Othmar Karas, unlängst darüber, dass Österreich internationale Bemühungen gegen Geldwäsche hintertreibe.
Im "Standard" schimpfte er: "Ich kann nicht glauben, dass sich Österreich im Kampf gegen Steuertricks der Konzerne auf die Seite von Malta, Zypern und Großbritannien stellt".
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