Zwei Monate hat der Prozess wegen des Vorwurfs der Veruntreuung von EU-Geldern gegen Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen gedauert, das Urteil am Montag in Paris wurde mit Spannung erwartet. Nun ist klar: Le Pen ist vorerst für die Präsidentschaftswahlen 2027 gesperrt.

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Die rechtsnationale französische Politikerin Marine Le Pen kann aller Voraussicht nach nicht bei der Präsidentschaftswahl 2027 kandidieren. Im Prozess wegen des Vorwurfs der Veruntreuung von EU-Geldern hat das Gericht in Paris am Montag Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen schuldig gesprochen. Acht weitere frühere EU-Abgeordnete ihrer Partei Rassemblement National (RN) sprachen die Richter ebenfalls schuldig.

Le Pen
Marine Le Pen verließ den Gerichtssaal bereits vor der Verkündung des gesamten Strafmaßes. © IMAGO/ABACAPRESS/Lafargue Raphael

Diese Strafe trete umgehend in Kraft, urteilte die Richterin am Montag in Paris. Dies bedeutet, dass das Verbot auch im Fall einer Berufung zunächst weiter bestehen bleibt, und sich Le Pens Aussichten deutlich verringern, bei der Präsidentschaftswahl 2027 antreten zu können.

Zudem wurde die 56-Jährige zu zwei Jahren Haft mit Fußfessel verurteilt. Zwei weitere Jahre Haft setzte das Strafgericht in Paris zur Bewährung aus. Außerdem wurde eine Geldstrafe von 100.000 Euro verhängt. Noch bevor die Vorsitzende Richterin das komplette Urteil und die vollständige Strafe gegen Le Pen verkündete, verließ die Politikerin den Gerichtssaal.

Berufung von Le Pen wird erwartet

Es wird erwartet, dass Le Pen gegen das Urteil Berufung einlegen wird. Es dürfte ein langer Weg durch die gerichtlichen Instanzen folgen. Gemeinhin gilt als unwahrscheinlich, dass ein Berufungsprozess zu einem schnellen Ergebnis kommen würde. Bis zum Ende der Wahlperiode kann Le Pen weiter als Abgeordnete im Parlament sitzen, wo sie Fraktionsvorsitzende ist.

Für die rechte Partei und Le Pens politische Ambitionen ist das Ergebnis des Prozesses ein Desaster. Der vorübergehende Verlust des passiven Wahlrechts ist in Frankreich eine gängige Strafe, wenn Politiker wegen Korruption und Untreue verurteilt werden. Dennoch gilt es aufgrund der großen Beliebtheit von Le Pen als heikel - auch moderate Politiker hatten Bedenken angemeldet, da es das Narrativ befeuern könnte, das Urteil sei politisch motiviert, um Le Pen als Präsidentin zu verhindern.

"Es ist mein politischer Tod, der gefordert wird mit vorläufiger Vollstreckung, und das ist, glaube ich, von Anfang an das Ziel dieser Operation", hatte Le Pen auf die Forderung der Anklage reagiert, ihre Unwählbarkeit für politische Ämter vorläufig und sofort vor Rechtskraft des Urteils umzusetzen.

Veruntreuung von EU-Geldern

Nach Überzeugung der Richter machte sich die heutige RN-Fraktionschefin schuldig, indem sie in ihrer Zeit als EU-Abgeordnete vier EU-Parlamentsassistenten widerrechtlich für Aufgaben einsetzte, die nicht ihrer Funktion entsprachen, unter anderem als Personenschützer und persönliche Assistenten.

Das Debakel vor Gericht trifft die rechtsnationale Partei in Frankreich in einem ungünstigen Moment. Seit einer Weile ist sie beständig auf dem Vormarsch und im Parlament inzwischen so stark vertreten wie noch nie. Den von ihrem kürzlich verstorbenen Vater Jean-Marie gegründeten rechtsextremistische Front National benannte Marine Le Pen 2018 in Rassemblement National um und verzichtete auf allzu radikale Positionen, um die Partei auch für breitere Schichten der Bevölkerung wählbar zu machen.

Russland solidarisiert sich mit Le Pen

Die Verurteilung hat in Russland und im rechtspopulistischen Lager in Europa für Empörung gesorgt.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warf europäischen Regierungen die Verletzung demokratischer Regeln vor. "Immer mehr europäische Hauptstädte beschreiten den Weg der Verletzung demokratischer Normen", sagte er, als er auf das Urteil angesprochen wurde. Zwischen dem Kreml und Le Pens Rassemblement National (RN) bestehen seit Jahren enge Verbindungen, wie ein Bericht des französischen Parlaments aus dem Jahr 2023 dokumentierte.

Russland pflegt zu vielen rechtspopulistischen Parteien Europas gute Kontakte und wird immer wieder der Einmischung in Wahlen in westlichen Demokratien bezichtigt. Parteien wie der RN vertreten häufig pro-russische Positionen.

Salvini spricht von "Kriegserklärung"

Auch Rechtspopulisten in Europa brachten ihre Solidarität mit Le Pen zum Ausdruck. Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini bezeichnete das Urteil als "Kriegserklärung Brüssels" - obwohl ein Gericht in Paris Le Pen verurteilte. Salvini sah in der richterlichen Entscheidung ein Übergehen des demokratischen Willens der Franzosen. "Diejenigen, die das Urteil der Wähler fürchten, sehen sich oft in den Urteilen der Gerichte bestätigt", erklärte er.

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders zeigte sich im Onlinedienst X "schockiert über das unglaublich harte Urteil" gegen Le Pen. Er sei jedoch zuversichtlich, dass "sie die Berufung gewinnen und die Präsidentin Frankreichs werden wird".

Auch Ungarns Regierungschef Viktor Orban drückte Le Pen in Reaktion auf das Urteil seine Unterstützung aus. "Ich bin Marine!", erklärte er auf Französisch auf X. Der Rechtsnationalist hatte Le Pen in der Vergangenheit aufgerufen weiterzukämpfen, wie andere verurteilte "Patrioten". Orban pflegt gute Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Parteichef Bardella logischster Nachfolgekandidat

Der erst 29-jährige Parteichef Jordan Bardella bezeichnete das Urteil als Todesstoß für Frankreichs Demokratie.

Erwartet wird, dass Bardella sich nun in Stellung für die Kandidatur 2027 bringt. Erstmals hatte Le Pen am Wochenende in einem Interview bekräftigt, dass Bardella das Zeug dazu habe, Präsident zu werden. Doch es ist fraglich, ob Le Pen so einfach zu ersetzen ist. In der heutigen Stimmungslage würde sie als Favoritin in eine Präsidentenwahl ziehen. Noch dazu hat der 29-Jährige deutlich weniger politische Erfahrung als sie, auch wenn der eloquente Jungpolitiker in den Medien omnipräsent ist. (afp/dpa/bearbeitet von lko und ng)

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