Ein fataler Fehler hat den Konflikt im Nahen Osten angeheizt. Syriens Raketenabwehr, normalerweise im Einsatz gegen israelische Raketen, hat ein russisches Aufklärungsflugzeug abgeschossen - alle 15 Soldaten kamen ums Leben. Moskau macht Israel dafür verantwortlich.
Nach der Einigung auf eine Pufferzone um die syrische Rebellenprovinz Idlib hat der Abschuss eines russischen Aufklärungsflugzeugs neue Spannungen in der Region ausgelöst. Die Maschine mit 15 Soldaten Besatzung wurde über dem Mittelmeer versehentlich von der syrischen Luftabwehr getroffen.
Moskau machte aber Israel dafür verantwortlich: Dessen Kampfjets hätten sich bei einem Angriff auf Ziele in Syrien hinter dem russischen Flugzeug versteckt, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau am Dienstag.
Putin zurückhaltend
Israel wiederum wies die Schuld der syrischen Regierung zu. Ministerpräsident
Israel nehme aber für sich das Recht in Anspruch, gegen iranische Truppen in Syrien und Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah-Miliz vorzugehen, betonte Netanjahu. Der Kreml machte zunächst keine Angaben zu dem Gespräch.
Putin äußerte sich jedoch zunächst zurückhaltend zu dem Abschuss. Die syrische Flugabwehr habe die Maschine durch "tragische Umstände" getroffen, sagte er. Deshalb sei der Fall nicht vergleichbar mit dem Abschuss eines russischen Jets durch die Türkei 2015. Er kündigte aber verstärkte Sicherheitsmaßnahmen für die russischen Truppen in der Türkei an.
Beileidsbekundung aus den USA
US-Außenminister Mike Pompeo brachte sein Bedauern mit den betroffenen Crewmitgliedern des russischen Flugzeugs zum Ausdruck.
"Der unglückliche Zwischenfall erinnert uns an die Notwendigkeit, dauerhafte, friedliche und politische Lösungen für die vielen überlappenden Konflikte in der Region zu finden und an die Gefahr gefährlicher Fehleinschätzungen im überfüllten syrischen Kampfgebiet", hieß es in einer Stellungnahme Pompeos, die sein Ministerium in Washington verbreitete.
Israel weist Vorwürfe zurück
Die israelische Armee erklärte in einer Stellungnahme, sie halte "den Iran und die Hisbollah-Terrororganisation für diesen unglücklichen Vorfall für verantwortlich". Nach eigenen Angaben griff Israels Luftwaffe eine Einrichtung der syrischen Armee an.
Von dort hätten im Auftrag des Irans Waffen zur Schiiten-Miliz Hisbollah in den Libanon gebracht werden sollen. "Mit diesen Waffen hätte Israel angegriffen werden sollen, und damit stellten sie eine nicht zu tolerierende Bedrohung (...) dar".
Warnung kam zu spät
Der russische General Igor Konaschenkow drohte der Agentur Tass zufolge, Russland behalte sich Schritte gegen Israel vor. Die israelische Luftwaffe habe den Angriff nicht angekündigt, sagte Konaschenkow. "Die Warnung über den "heißen Draht" kam weniger als eine Minute vor dem Angriff, was zu kurz war, um das russische Flugzeug in Sicherheit zu bringen."
Russland und Israel sind in Syrien nicht direkt Verbündete, stimmen sich aber eng ab. Moskau bemüht sich, den israelischen Sicherheitsinteressen im Nachbarland Rechnung zu tragen. Der Iran wiederum ist ein enger Verbündeter der syrischen Regierung, wird aber im Bürgerkriegsland von Israel bekämpft.
Bei dem Raketenangriff auf ein Waffenlager in der Küstenprovinz Latakia waren nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zwei Soldaten getötet und zehn weitere verletzt worden.
Das russische Aufklärungsflugzeug vom Typ Il-20 sei über dem Mittelmeer auf dem Rückflug zur russischen Luftwaffenbasis Hamaimim in Syrien gewesen, als die israelischen F16-Jets auftauchten. Die syrische Staatsagentur Sana bestätigte, die Luftabwehr habe aufs Meer hinaus auf angreifende Raketen gefeuert.
Putin und Erdogan einigen sich
Kurz vor dem Abschuss hatten sich Russland Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan in dem Badeort Sotschi auf ein Abkommen für Syriens letzte große Rebellenhochburg Idlib geeinigt.
Es sieht die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone in einer Breite von 15 bis 20 Kilometern bis Mitte Oktober vor und soll einen Großangriff abwenden, mit dem die Regierung droht. Helfer warnten deswegen vor einer humanitären Katastrophe unter den drei Millionen Zivilisten dort.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sicherte am Dienstag einen Abzug radikaler Milizen zu. "Terroristische Gruppen" würden aus der vereinbarten Zone gebracht, sagte er. In Idlib ist vor allem die Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) stark, die als Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida gilt. Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass diese kampflos abrückt oder Waffen abgibt.
Hat das Blutvergiesen bald ein Ende?
Sowohl Syriens Regierung als auch Rebellengruppen begrüßten das Abkommen. Damaskus habe Lösungen, die zu einem Ende von Blutvergießen und zur Sicherheit beitragen, immer gut geheißen, teilte die staatliche Nachrichtenagentur Sana.
Rebellensprecher Nadschi Mustafa zeigte sich skeptisch, ob das Abkommen wie geplant umgesetzt wird. Den Russen könne nicht vertraut werden, da sie schon früher ihre Versprechungen nicht eingehalten hätten, erklärte er. Bundesaußenminister Heiko Maas begrüßte die Einigung zwischen Russland und der Türkei als "gutes Signal". (sg/dpa)
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