Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad war das große Ziel von Abu Mohammed al-Dscholani. Wer ist der Mann, der die HTS, welche als Terrorgruppe eingestuft wird, anführt?

Mehr aktuelle News

Am Sonntag haben seine islamistischen Kämpfer die Hauptstadt Damaskus erobert und Assad zur Flucht gezwungen - 13 Jahre, nachdem Assad Proteste gegen die Regierung im Land mit Gewalt hatte niederschlagen lassen. Abu Mohammed Al-Dscholani zog als Sieger in Damaskus ein und ließ sich in der berühmten Umayyaden-Moschee feiern.

Al-Dscholani ist der Chef von Hajat Tahrir al-Scham (HTS), eines früheren Zweigs von Al-Kaida in Syrien, der sich allerdings vor Jahren offiziell von dem Terrornetzwerk lossagte. Die HTS-Kämpfer und verbündete Gruppen hatten nach Jahren des weitgehenden Stillstands im syrischen Bürgerkrieg am 27. November überraschend eine Großoffensive gegen die Regierungstruppen gestartet - und waren blitzschnell vorgerückt.

Jahrelang hatte al-Dscholani im Verborgenen agiert. Nun steht er im Rampenlicht, gibt Erklärungen ab und spricht mit internationalen Medien. Den Turban der Dschihadisten, den er noch zu Beginn des syrischen Krieges im Jahr 2011 trug, trug er immer seltener, stattdessen zeigt er sich vermehrt in einer Militäruniform.

Bereits seit seinem Bruch mit Al-Kaida im Jahr 2016 versuchte al-Dscholani, sein Image zu glätten und sich moderater zu zeigen. Experten und westliche Regierungen überzeugte das nicht. Sie stufen die HTS weiter als Terrorgruppe ein.

Der Wissenschaftler Thomas Pierret von Frankreichs nationalem Forschungsinstitut CNRS nennt ihn einen "pragmatischen Radikalen". 2014 sei al-Dscholani auf dem Höhepunkt seiner Radikalität gewesen, sagt der Experte und verweist darauf, dass er sich damals gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) habe durchsetzen wollen. Seitdem habe der HTS-Chef "seine Rhetorik gemildert".

Wer ist der Mann?

Der 1982 geborene al-Dscholani wuchs in Masseh auf, einem gutbetuchten Stadtteil von Damaskus. Er stammt aus einer wohlhabenden Familie und war ein guter Schüler. Während der aktuellen Offensive fing er an, seinen bürgerlichen Namen zu nutzen: Ahmed al-Scharaa. Mit diesem wird er auch in allen aktuellen Erklärungen seiner Miliz genannt.

2021 sagte er dem US-Fernsehnetzwerk PBS, sein Kampfname nehme Bezug auf die Wurzeln seiner Familie auf den Golanhöhen. Seinen Angaben zufolge war sein Großvater nach der israelischen Annexion der Gegend im Jahr 1967 zur Flucht gezwungen worden. Nach einem Bericht der Website "Middle East Eye" fühlte sich al-Dscholani erstmals nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zum Gedankengut der Dschihadisten hingezogen. Er habe an "geheimen Predigten und Podiumsdiskussionen in abgehängten Vororten von Damaskus" teilgenommen.

Nach der US-geführten Invasion im Irak verließ er Syrien, um im Nachbarland zu kämpfen. Im Irak schloss sich er sich dem Terrornetzwerk Al-Kaida an und wurde anschließend fünf Jahre inhaftiert.

Syrien: Scholz begrüßt Ende der Assad-Herrschaft

Syrien: Scholz begrüßt Ende der Assad-Herrschaft

Der langjährige syrische Machthaber Baschar al-Assad ist weg. Aus Sicht von Kanzler Scholz ist das erst einmal eine gute Nachricht. Das neue Syrien müsse in Frieden mit seinen Nachbarn leben.

Im März 2011, als die Revolte gegen Assads Regierung in Syrien begann, kehrte er in sein Heimatland zurück und gründete die Al-Nusra-Front - den syrischen Ableger von Al-Kaida, aus dem später die HTS hervorging. 2013 weigerte er sich, Abu Bakr al-Baghdadi, dem späteren Emir der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat, die Treue zu schwören. Stattdessen versicherte er dem Emir von Al-Kaida, Ayman al-Sawahiri, seine Loyalität.

Darum hat er die Verbindung zu Al-Kaida gekappt

Im Mai 2015 gab al-Dscholani an, dass er im Gegensatz zum IS nicht die Absicht habe, Anschläge gegen den Westen auszuführen. Auch erklärte er, dass es im Fall einer Niederlage Assads keine Angriffe aus Rache gegen die alawitische Minderheit geben werde, der Assads Familie entstammt.

Als al-Dscholani die Verbindungen zu Al-Kaida kappte, erklärte er, dies zu tun, um dem Westen keine Gründe zu geben, seine Organisation anzugreifen. Nach Angaben von Pierret hat er seitdem versucht, sich auf den Weg zu einem "aufstrebenden Staatsmann" zu machen.

Ende der Assad-Regierung: Islamistische Kämpfer erklären Einnahme von Damaskus

Die Assad-Regierung in Syrien ist offenbar Geschichte: Die islamistischen Kämpfer der Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Milizen verkündeten die Einnahme der Hauptstadt Damaskus und die Flucht von Machthaber Baschar al-Assad. Nach der "Unterdrückung" unter der mehr als fünf Jahrzehnte währenden Herrschaft von Assads Baath-Partei sei nun "der Beginn einer neuen Ära für Syrien" gekommen, erklärten die islamistischen Kämpfer im Onlinedienst Telegram.

Im Nordwesten Syriens zwang al-Dscholani rivalisierenden islamistischen Gruppen im Januar 2017 einen Zusammenschluss mit der HTS auf und beanspruchte damit die Kontrolle über weite Teile der nordwestsyrischen Provinz Idlib. Die HTS baute in den von ihr kontrollierten Gegenden eine zivile Regierung auf und richtete eine Art Staat in Idlib ein, während sie zugleich ihre Rivalen zerschlug.

Der HTS wurden in dieser Zeit von Bewohnern und Menschenrechtsgruppen brutales Vorgehen gegen Andersdenkende vorgeworfen - die Vereinten Nationen stufen diese als Kriegsverbrechen ein.

Kämpfer sollen Sicherheit in eingenommenen Gebieten gewährleisten

Womöglich im Wissen um die Angst und den Hass, den seine Miliz hervorrief, hat al-Dscholani sich an die Bewohner von Aleppo gerichtet, um ihnen zu versichern, dass ihnen nichts passieren werde. In Aleppo gibt es eine große christliche Minderheit. Außerdem rief er seine Kämpfer dazu auf, die Sicherheit in den nun eingenommenen Gebieten zu gewährleisten.

Das sei zunächst einmal ein politisch gutes Vorgehen, erklärte Aron Lund vom Politikinstitut Century International. "Je weniger Panik auf lokaler und internationaler Ebene herrscht und je mehr al-Dscholani wie ein verantwortungsbewusster Akteur und nicht wie ein toxischer Dschihad-Extremist erscheint, desto einfacher wird seine Aufgabe." Zugleich schränkt der Experte ein: "Ist er völlig aufrichtig? Sicherlich nicht." Bei al-Dscholanis derzeitigem Vorgehen sei aber klar: "Es ist das Klügste, was man im Moment sagen und tun kann (AFP/bearbeitet von mak/szu)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © Omar Albam/AP/Omar Albam