Außenminister Sigmar Gabriel fürchtet in der Katar-Krise einen Krieg. Dabei ist der Streit nur ein Nebenschauplatzes einer viel größeren Rivalität, die den Mittleren Osten im Griff hält: Saudi-Arabien und der Iran konkurrieren um die Macht – mittels Stellvertreterkriegen und religiösen Ansprüchen.
Die Hilfe kam natürlich aus dem Iran. Fünf Flugzeuge der "Iran Air" mit Obst, Gemüse und anderen frischen Lebensmitteln an Bord landeten letzte Woche in Katar, weitere sollten folgen. Auch Schiffe liefen in Richtung des Golfstaats aus.
Wichtige Unterstützung in Zeiten der Isolation – unter der Führung von Riad hatten Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate die Beziehungen zu Katar abgebrochen und das Land blockiert. Die Saudis behaupten, Katar unterstütze Terrororganisationen wie die Hamas.
Sigmar Gabriel warnt vor Krieg
Der deutsche Außenminister
Die Politikwissenschaftlerin Anna Sunik vom "GIGA-Institut für Nahost-Studien" hält das für übertrieben.
Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt sie, dass die Lösung des Problems zwar Wochen oder gar Monate dauern könne.
"Aber ich halte die Eskalationsgefahr für eingegrenzt. Es gibt sehr starke Verbindungen innerhalb des Golf-Kooperationsrates und zwischen den Herrscherfamilien."
Allerdings zeigt die aktuelle Krise deutlich, wie instabil die Lage im Nahen und Mittleren Osten ist. Und das liegt wesentlich an dem Kampf zweier Großmächte um Einfluss in der Region.
Saudi-Arabien und der Iran stehen sich auf allen Konfliktfeldern der Region feindlich gegenüber, wie der jüngste Zwischenfall nahe einer saudi-arabischen Öl-Plattform im persischen Golf zeigt.
Zusammen mit Anna Sunik vom GIGA-Institut beantworten wir die wichtigsten Fragen zu dem gefährlichen Zweikampf.
Wie passt die Katar-Krise in den Konflikt?
Zwischen dem kleinen Golfstaat und der mächtigen Monarchie herrschen schon seit Jahren Spannungen, die allerdings 2014 beigelegt schienen.
Innerhalb der Golfstaaten, organisiert im Golf-Kooperationsrat (GCC), galt Katar seit jeher als Störenfried, erklärt Anna Sunik.
2014 zogen Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Botschafter aus Doha ab.
In der Folge verpflichtete sich Katar, die Muslimbrüder in Ägypten, aber auch im Jemen und im Golf nicht mehr zu unterstützen. "Spätestens seitdem hielt sich Katar außenpolitisch zunehmend zurück."
Dass der Konflikt trotzdem neu aufflammt, hat viele Beobachter überrascht. Die Suche nach den Gründen führt zu Donald Trump und seinem Besuch in Saudi-Arabien im Mai, erklärt Anna Sunik.
"Es war eine gute Gelegenheit, den US-Präsidenten auf eine anti-iranische Linie einzuschwören. Und das scheint mir auch der gewichtigste Anklagepunkt gegen Katar: eine zu freundliche Politik gegenüber dem Iran."
Seit wann schwelt der Konflikt?
Politikwissenschaftlerin Anna Sunik hat die Wurzeln des Antagonismus zwischen Saudi-Arabien und dem Iran in einem Aufsatz zur saudischen Außenpolitik ausführlich erläutert.
Zusammengefasst bildete sich mit der iranischen Revolution 1979 ein islamisch-republikanisches Gegenmodell zur religiös legitimierten Herrschaften des wahhabitischen saudischen Königshauses heraus, das ausdrücklich in andere Staaten exportiert werden sollte.
Andererseits behauptet Teheran, Saudi-Arabien würde sich in einer "zionistisch-wahhabitischen Achse" gemeinsam mit den USA und Israel die Region unterwerfen wollen.
"Beide Seiten werfen sich Expansionismus vor, der zum Wohle der ganzen Region gestoppt werden müsse", sagt Anna Sunik.
Ein aktuelles Beispiel dafür findet sich in einem Interview des saudischen Vizekronprinzen Mohammed bin Salman.
"Sie wollen die Kontrolle über die Kaaba", also über den Würfel im Hof der Heiligen Moschee in Mekka, warf er im saudischen Staatsfernsehen Teheran vor.
"Wie können wir in Dialog treten mit einem Regime, das stur an seiner extremistischen Ideologie festhält und über die muslimische Welt herrschen will?"
Welche Rolle spielt die Religion?
Das saudische Herrscherhaus versteht sich als Hüter der heiligen Stätten in Mekka und Medina und Schutzmacht des sunnitisch-arabischen Islam.
Der Iran wiederum beansprucht für sich die Rolle der Vormacht des persisch-schiitischen Islam,
llerdings warnt Anna Sunik vom GIGA-Institut für Nahost-Studien, den Konflikt auf den Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten herunterzubrechen. "
"Das wäre zu einfach. Es ist ein Faktor, der beiden Seiten die Mobilisierung erleichtert."
Deswegen habe der Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten in vielen großen Konflikten des Mittleren Osten zunehmende Bedeutung erlangt.
Diese Konfessionalisierung erschwert die Lösung. "Das rückgängig zu machen, ist sehr schwer und würde Jahrzehnte dauern."
Regional-Konflikte als Stellvertreterkriege?
Nicht zu übersehen ist, dass beide Seiten in jedem Konflikt ihre Finger im Spiel haben.
In Bahrain stützt Saudi-Arabien das Königshaus seit dem Arabischen Frühling gegen die schiitische Bevölkerungsmehrheit, im Jemen kämpfen Truppen aus Riad gegen die Huthi, die wahrscheinlich mit Waffen und Geld aus Teheran versorgt werden.
Die schiitische libanesische Hisbollah hängt am Tropf Teherans, und kämpft in Syrien für den Iran an der Seite von Baschar al-Assad.
Trotzdem beantwortet Anna Sunik die Frage mit einem "Jein". "Natürlich bilden sie als externe Player klare Blöcke und unterstützen interne Kräfte, die ohne die Hilfe teilweise nicht weiterkämpfen könnten. Am klarsten sehen wir das im Krieg in Syrien."
Allerdings schwinge beim Wort Stellvertreterkrieg immer die Wertung mit, die Konflikten hätten nichts mit der Situation vor Ort zu tun.
"Aber es gibt klare lokale Konflikte, im Jemen wie in Syrien und Irak, die erst von den größeren Mächten instrumentalisiert werden können, weil sie unabhängig davon existieren und Wirkung entfalten."
Außerdem seien der Iran und Saudi-Arabien unterschiedlich stark involviert: "In Jemen sind die Saudis massiv und direkt mit Truppen vor Ort, während die iranische Unterstützung relativ jung und indirekt ist. In Syrien ist es tendenziell umgekehrt."
Kriegsgefahr zwischen Saudi-Arabien und Iran?
Der saudische Vizekronprinz hat es bei seinem TV-Interview nicht bei der Kritik am religiösen Machtanspruch des Iran belassen.
"Wir werden nicht warten, bis sie diesen Krieg auf saudischen Boden tragen", sagte er. Und weiter: "Wir werden dafür sorgen, dass dieser Krieg im Iran stattfindet."
Anna Sunik hält die Gefahr eines Krieges zwischen Riad und Teheran denn auch für höher als in der Katar-Krise. "Es gab schon militärische Konflikte zwischen dem Iran und Staaten des Golf-Kooperationsrates."
Andererseits seien beide Staaten hochgerüstet und hätten viel zu verlieren – also hätten beide kein Interesse an einem heißen Krieg. "Da sind Stellvertreter-Konflikte billiger."
Das wiederum lässt keine großen Hoffnungen auf Stabilität in der Region aufkommen. "Die einzige Möglichkeit dafür liegt in einem Frieden zwischen Saudi-Arabien und dem Iran", sagt Sunik.
"Dafür braucht es internationalen Druck - auf beide Seiten, und nicht wie jetzt einseitig auf den Iran."
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