Er war eine der prägenden Figuren der italienischen Nachkriegspolitik: der erste Ex-Kommunist, der zum Präsidenten gewählt wurde. Seine Anhänger nannten ihn gern "König Giorgio". Nun ist der ehemalige italienische Präsident Giorgio Napolitano im Alter von 98 Jahren gestorben.

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Über den Spitznamen, den ihm seine Landsleute verpasst hatten, musste Giorgio Napolitano manchmal selbst noch schmunzeln. "Re Giorgio" ("König Giorgio") - nicht schlecht für einen, der viele Jahre seines Lebens Kommunist war. Die flapsig gemeinte Erhebung zum Monarchen war Beleg dafür, welch hohes Ansehen er als italienischer Präsident genoss. Napolitano blieb das 3166 Tage lang - so lange wie kein anderer. Am Freitagabend ist er mit 98 Jahren gestorben.

Aus heutiger Sicht war Napolitano wie gemacht fürs höchste Staatsamt: "Gentiluomo" der alten Schule, Vermittler zwischen Parteien und ideologischen Welten, moralische Instanz, würdevoll im Auftreten, persönlich aber eher bescheiden. Kurzum: eine Ausnahmeerscheinung in der italienischen Politik - das Gegenteil zum im Juni verstorbenen Rechtspopulisten Silvio Berlusconi, der neben Napolitano Ministerpräsident war, bevor es dann doch zu viel der Skandale wurde.

Mit 17 Jahren kämpfte Napolitano im Widerstand

Dabei sah es anfangs überhaupt nicht nach Staatsoberhaupt aus. Mit 17 schloss er sich dem Widerstand gegen den faschistischen Diktator Benito Mussolini und die deutsche Besatzung an. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs trat der junge Mann aus gutbürgerlichen Verhältnissen bald in die Partito Communista Italiano (PCI) ein. Dort ging es im Lauf der Jahre bis ins Politbüro. Zehn Legislaturperioden lang vertrat er seine Heimatstadt Neapel in der Abgeordnetenkammer.

Die PCI galt zur Zeit des Kalten Kriegs ader Sozialdemokratie näher als dem Sowjetsozialismus. Mit Willy Brandt pflegte er gute Kontakte, der frühere US-Außenminister Henry Kissinger nannte ihn seinen "Lieblingskommunisten". Als es in Moskau mit der Sowjetunion zu Ende ging, war er einer der ersten, die sich für eine Umbenennung der Partei aussprachen.

Giorgio Napolitano als überzeugter Europäer im EU-Parlament

Mit der neuen Demokratischen Linkspartei (PDS) wurde er in den 1990er Jahren Parlamentspräsident und Innenminister einer Mitte-Links-Regierung. Zwischenzeitlich saß der überzeugte Europäer auch im Europaparlament. Wegen seiner Verdienste um die Republik wurde er zum Senator auf Lebenszeit ernannt. Mit 80 wurde Napolitano dann 2006 als erster Ex-Kommunist zum Präsidenten gewählt.

Normalerweise ist das wie in Deutschland eher ein Amt mit repräsentativen Aufgaben. Wenn es keine klaren Mehrheiten gibt, kommt es aber auf das Staatsoberhaupt an. In Regierungskrisen hatte Napolitano mehrmals eine Schlüsselrolle - auch, als das Land in die Turbulenzen der internationalen Finanzkrise geriet. Ausländische Besucher setzten sich lieber mit ihm zusammen als mit Berlusconi. Als dieser 2011 nicht mehr tragbar war, setzte Napolitano eine Expertenregierung ein.

Als erster Präsident mit zweiter Amtszeit

Nach sieben Jahren im Quirinalspalast - so heißt in Rom der Sitz des Präsidenten - wollte er sich aufs Altenteil zurückziehen. Das Büro war schon ausgeräumt. Weil sich die Parteien aber auch in fünf Wahlgängen nicht über die Nachfolge einigen konnten, erklärte er sich zu einer Verlängerung bereit - "aus Pflichtgefühl fürs Vaterland". Als erster Präsident bekam er eine zweite Amtszeit.

Nach anderthalb Jahren war es dem alten Herrn dann aber doch genug. In seiner TV-Ansprache zum Jahreswechsel 2014/15 kündigte Napolitano seinen Rücktritt an. Nachfolger wurde Sergio Mattarella, der mittlerweile ebenfalls in der zweiten Amtszeit ist. Die letzten Jahre verbrachte er zurückgezogen mit seiner Frau Frau Clio, mit der er fast 65 Jahre lang verheiratet war und zwei Söhne hatte. Er starb in einem Krankenhaus in Rom. (dpa/cgo)

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