- Ein Rechtsextremist wird ausgerechnet auf dem ehemaligen Grab eines jüdischstämmigen Protestanten beigesetzt.
- Für diese Entscheidung hagelte es Kritik.
- Jetzt hat sich die Evangelische Kirche dazu geäußert.
Die evangelische Kirche hat sich für die Beisetzung eines Holocaust-Leugners auf der früheren Grabstätte eines jüdischstämmigen Wissenschaftlers in Stahnsdorf bei Berlin entschuldigt. "Die Bestattung eines Holocaust-Leugners auf der Grabstätte von Max Friedlaender ist ein schrecklicher Fehler und ein erschütternder Vorgang angesichts unserer Geschichte", erklärte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein, am Dienstag. "Wir müssen umgehend schauen, ob und was wir rückgängig machen können." Zuvor hatten mehrere Medien über die Beisetzung berichtet.
Der Mann war den Angaben der Kirche zufolge am vergangenen Freitag auf dem Südwestkirchhof auf der ehemaligen Grabstätte des Musikwissenschaftlers Max Friedlaender (1852-1934) ohne evangelische Begleitung beigesetzt worden. Friedlaender war nach Angaben der Landeskirche jüdischstämmiger Protestant. Die EKBO habe die Entscheidung getroffen, die Anfrage nach einer Grabstätte nicht abzulehnen, teilte sie mit. "Leitend ist dabei im Grundsatz, dass jeder Mensch ein Anrecht auf eine letzte Ruhestätte hat." Der erste Wunsch für die Grabstätte sei von der Friedhofsleitung abgelehnt worden, die Auswahl der ehemaligen Grabstätte Friedlaenders sei aber auch ein Fehler gewesen. Die Bestattung des Holocaust-Leugners und Neonazis sei "ein Versagen unserer Kirche".
Zentralrat der Juden reagiert empört
Der Antisemitismusbeauftragte von Berlin, Samuel Salzborn, stellte laut der Senatsverwaltung für Justiz Strafanzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts der Störung der Totenruhe. "Die Absicht liegt hier auf der Hand, dass Rechtsextremisten bewusst ein jüdisches Grab gewählt haben, um durch die Beisetzung eines Holocaustleugners die Totenruhe zu stören", teilte Salzborn mit. Nun müsse geprüft werden, ob und gegebenenfalls wie schnell "der Holocaustleugner umgebettet werden kann, um das würdige Andenken an Max Friedlaender nicht länger zu stören".
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland reagierte empört. "Die Bestattung eines Neonazis und Schoaleugners auf dem ehemaligen Grab des jüdischen Musikwissenschaftlers Max Friedlaender ist unerträglich", schrieb Präsident Josef Schuster bei Facebook und Twitter.
Berliner Landesbischof erschüttert und fassungslos
Der Berliner Landesbischof zeigte sich erschüttert und fassungslos. "Ich möchte alles daran setzen, diese Schändung des Grabes von Max Friedlaender aufzuarbeiten", erklärte Stäblein laut Landeskirche nach einem Besuch auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf. "Ich werde alle rechtlichen Schritte prüfen, die den Vorgang rückgängig machen könnten. In jedem Fall werde ich dafür Sorge tragen, dass wir ein ehrendes Gedenken für Max Friedlaender auf diesem Friedhof bewahren." Die Kirche, die bereits durch Missbrauch von Kindern für negative Schlagzeilen sorgte, räumte ein, die Brisanz des Vorgangs sei im Vorfeld nicht erkannt worden.
Die Brandenburger Landesregierung kritisierte den Vorfall. "Die Zuweisung dieser Grabstätte an einen Holocaust-Leugner ist ein fataler Fehler und lässt jedes Fingerspitzengefühl vermissen", sagte Innenminister Michael Stübgen (CDU).
Mutmaßlicher Reichsbürger bei Beerdigung festgenommen
Zunächst hatten das Recherchenetzwerk Berlin und das Portal "Blick nach rechts" über die Bestattung berichtet. Das Recherchenetzwerk Berlin stellte zahlreiche Fotos davon ins Netz. Die Polizei war bei der Beerdigung am Freitag im Einsatz, zu der Dutzende Anhänger des Holocaust-Leugners gekommen waren. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurde während der Beisetzung ein mit zwei Haftbefehlen gesuchter Mann bei einer Personenkontrolle im Umfeld des Friedhofs festgenommen, der nach Erkenntnissen der Polizei "offenbar der Reichsbürgerszene zuzuordnen" ist.
Der Südwestkirchhof in Stahnsdorf ist nach eigener Darstellung Deutschlands größter Waldfriedhof. Dort ruhen unter anderem Manfred Krug und Heinrich Zille. Der Friedhof liegt kirchenrechtlich in Berlin. Dort sind Patenschaften für historische Grabmale möglich. (mt/dpa)
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