Nach jahrelangen Ermittlungen wird der ehemalige Finanzminister nun wegen Untreue und Bestechlichkeit angeklagt. Warum hat das so lange gedauert? Und was wird ihm konkret vorgeworfen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Acht Jahre ist es her, seit das Songwriter-Duo Christoph & Lollo ein schnell zusammengeschustertes Liedchen aufgenommen haben, dass seither alle paar Monate wieder viral geht, wenn es im extrem langwierigen und komplizierten Verfahren gegen den ehemals jüngsten Finanzminister aller Zeiten eine Neuigkeit zu vermelden gab. "Wann geht der Grasser endlich sitzen?" sangen die beiden Pop-Barden 2009.
Ob Karl-Heinz Grasser tatsächlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, steht weiterhin in den Sternen. Jetzt ist zumindest eines fix: Er wird angeklagt. Aber warum eigentlich? und warum hat das alles so lange gedauert? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Causa Grasser.
Wer ist Karl-Heinz Grasser eigentlich?
Der heute 48-jährige Klagenfurter war viele Jahre einer der prägendsten Politiker des Landes. Grasser galt als Ziehsohn des verstorbenen Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider (FPÖ, BZÖ), der den Sohn eines erfolgreichen Autohändlers früh unter seine Fittiche nahm und förderte. Grasser wurde schon mit 23 Jahren Landeshauptmann-Stellvertreter in Kärnten. Das war 1994. Vier Jahre später zerkrachte sich Grasser mit Haider und wechselte in die Privatwirtschaft. Sein politisches Comeback kam Anfang 2000, als der damalige ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel eine international umstrittene Koalition mit der FPÖ bildete. Der als politisch moderat geltende Grasser wurde auf einem FPÖ-Ticket Finanzminister und stieg bald zu einem der populärsten Politiker des Landes auf. 2002 überwarf er sich erneut mit Haider und wechselte die Partei: Bis 2006 war er für die ÖVP Finanzminister. Dann wurde die Regierung Schüssel abgewählt und Grasser wechselte in die Privatwirtschaft. Bald darauf wurden erste Unregelmäßigkeiten bei Privatisierungen bekannt, die in der Ära KHG – wie er sich selbst gerne nannte – durchgeführt wurden. Seit 2010 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn.
Worum geht es dabei?
Im Wesentlichen besteht der Verdacht, dass Grasser gemeinsam mit Freunden beim Verkauf der staatseigenen Bundeswohnungen (Buwog) in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass beim Verkauf getrickst wurde: So hat der spätere Käufer, die Immobilienfirma Immofinanz, offenbar einen Tipp bekommen, wie viel ein anderer Kaufinteressent (CA Immo) im streng geheimen Bieterverfahren für die Buwog geboten hat. Das Angebot der Immofinanz – 961 Millionen Euro – lag hauchdünn über jenem des Konkurrenten. Die Firma bekam den Zuschlag, ohne dass der Konkurrent die Chance hatte, nachzubessern.
Kann das alles nicht einfach nur ein Zufall sein?
Selbstverständlich. Für Grasser gilt die Unschuldsvermutung. Allerdings zahlte die Immofinanz an zwei enge Freunde Grassers, die beiden Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger, eine Provision von 9,6 Millionen Euro. Das Geld wurde am Fiskus vorbei auf ausländische Konten überwiesen. Hochegger und Meischberger gingen damals im Finanzministerium ein und aus: Sie waren enge Berater Grassers und damit über viele Interna aus dem Ministerium informiert. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ein Teil des Geldes für Grasser bestimmt war.
Gibt es weitere Indizien?
Ja. Ein ehemaliger Kabinettsmitarbeiter Grassers, Michael Ramprecht, behauptet, dass die Buwog-Vergabe getürkt war. Ramprecht spricht von einem "abgekarteten Spiel". Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Immofinanz den Zuschlag bekommen solle. Grasser weist das zurück. Er unterstellt Ramprecht persönlich Motive: Dieser wolle sich bloß an seinem ehemaligen Chef rächen.
Hat Grasser etwas von der illegalen Provision bekommen?
Das ist die große Frage. Tatsache ist, dass der Ex-Minister über große Summen Geld auf zahlreichen ausländischen Konten verfügen konnte, zu deren Herkunft er gegenüber der Staatsanwaltschaft keine konkreten Angaben machen wollte.
Warum haben die Ermittlungen so lange gedauert?
Der Ex-Minister beklagt, dass durch die jahrelangen Ermittlungen gegen ihn seine wirtschaftliche Existenz zerstört wurde. Konten wurden gesperrt, mögliche Arbeitgeber würden abwinken, weil der Ruf des einst angesehenen Ex-Ministers völlig ruiniert ist. Dass die Ermittlungen so lange gedauert haben, liegt allerdings zu einem guten Grund bei Grasser selbst, der über seine Anwälte die Öffnung von ausländischen Konten verhindert hat. Ein anderer Grund ist, dass für Prozesse gegen aktive und ehemalige Spitzenpolitiker besondere Spielregeln gelten: Will ein Staatsanwalt Anklage erheben, muss er sich das vom Justizministerium absegnen lassen. Und dort hat man sich mit einer Entscheidung Zeit gelassen.
Angenommen, der Buwog-Verkauf war eine geschobene Sache: Wer war dann Leidtragender?
Die Steuerzahler. Denn ohne Manipulation des Vergabeverfahrens hätte womöglich ein deutlich höherer Kaufpreis erzielt werden können.
Gibt es noch weitere Verdachtsmomente gegen Grasser?
Ja. Er wird nicht nur wegen der Causa Buwog angeklagt. Die Staatsanwaltschaft glaubt auch, dass bei einer weiteren Privatisierung – dem Verkauf des Linzer Terminal Towers – Schmiergelder in der Höhe von 200.000 Euro geflossen sind.
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