Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor dem EU-Gipfel in Brüssel eine Regierungserklärung vor dem Bundestag abgegeben. In leidenschaftlicher Weise hat sie dabei mit Blick auf den Asylstreit die Bedeutung Europas betont und die Migration zur "Schicksalsfrage" der EU erklärt.

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Mit diesem Donnerstag ist für Angela Merkel ein Tag angebrochen, der für ihre weitere Karriere als Bundeskanzlerin entscheidend sein könnte.

In Brüssel beginnt an diesem Donnerstag der zweitägige EU-Gipfel, auf dem die Kanzlerin eine europäische Lösung für das innenpolitische Problem finden muss, das den Zusammenhalt der Schwesterparteien CDU und CSU sowie der Koalition bedroht – und damit ihre Zukunft als Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

Merkel zitiert Präambel des Grundgesetzes: Vereintes Europa

Vor ihrer Abreise nach Brüssel hat Merkel eine Regierungserklärung vor dem Bundestag in Berlin abgegeben. Gleich zu Beginn ihrer Erklärung machte sie deutlich, wie wichtig die Stabilität Europas für die Bundesrepublik ist: "Deutschland geht es auf Dauer nur gut, wenn es auch Europa gut geht", sagte sie am Donnerstagmorgen im Bundestag.

Merkel wählte für sie leidenschaftliche Worte und zitierte die Präambel des Grundgesetzes: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben."

"Koalition von willigen Ländern"

Auf alle globalen Herausforderungen der Gegenwart sollte Europa eine "möglichst geschlossene Antwort" geben. Wenn zur Migrationsfrage keine Regelungen mit allen Mitgliedstaaten erreicht werden könnten, brauche es eine "Koalition von willigen Ländern".

Dies dürfe aber nicht "unilateral", nicht "unabgestimmt" und nicht "zulasten Dritter" geschehen, "sondern im Gespräch mit Partnern", hob Merkel hervor.

"Es kann der Bewerber, der Schutz sucht in Europa, sich innerhalb der Europäischen Union nicht das Land aussuchen, in dem er einen Asylantrag stellt", sagte Merkel. Es dürften aber auch nicht die Länder alleine gelassen werden, in denen die meisten Flüchtlinge ankommen. Dafür brauche es einer Weiterentwicklung der Dublin-Regeln der Europäischen Union.

Migration könne zur "Schicksalsfrage der EU" werden

"Europa hat viele Herausforderungen. Aber die mit der Migration, könnte zu einer Schicksalsfrage für die Europäische Union werden", sagte Merkel. Beim EU-Gipfel in Brüssel am heutigen Donnerstag gehe es nun darum, eine gemeinsame europäische Lösungen zu finden.

Entweder bewältige Europa diese Herausforderung so, dass in Afrika und anderswo daran geglaubt werde, dass "uns Werte leiten und dass wir auf Multilateralismus und nicht auf Unilateralismus setzen", fügte die Kanzlerin hinzu. "Oder aber niemand wird mehr an unser Wertesystem glauben, das uns so stark gemacht hat."

Zwei von sieben Punkten seien in der Flüchtlingsfrage noch offen, daher sei mit einer Komplettlösung nicht mehr in dieser Woche zu rechnen. Bereits im Vorfeld hatte die Kanzlerin die Erwartungen an den Gipfel gedämpft.

Horst Seehofer war während der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht im Plenarsaal zugegen.

Klares Bekenntnis zu transatlantischem Bündnis

Die US-Strafzölle auf Aluminium und Stahl kritisierte Angela Merkel erneut als "rechtswidrig", betonte aber auch, wie wichtig der weitere Dialog mit den USA sei, um einen Handelskrieg zu verhindern.

Trotz aller Differenzen mit US-Präsident Donald Trump bekannte sich die Kanzlerin klar zum transatlantischen Bündnis: "Wir sind [...] überzeugt, dass dieses Bündnis für unsere gemeinsame Sicherheit zentral bleibt."

Die "Amerika zuerst"-Politik Trumps hat die Beziehungen zwischen den USA und seinen westlichen Partnern schwer belastet.

In zwei Wochen treffen Merkel und Trump beim Nato-Gipfel in Brüssel aufeinander.

Merkel stellt höhere Militärausgaben in Aussicht

Hinsichtlich der Nato hat Merkel ihr Bekenntnis zu deutlich höheren Verteidigungsausgaben bekräftigt.

Deutschland habe den Beschluss der Nato-Staaten, die Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anzunähern, mitgefasst.

Das erfordere einen fairen und notwendigen Beitrag der Europäer im Bündnis: "Bei dieser Grundsatzfrage geht es im Übrigen nach meiner festen Überzeugung um nicht mehr und nicht weniger als den zukünftigen Erhalt des transatlantischen Bündnisses."

Merkel sicherte erneut zu, im Jahr 2024 1,5 Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. Experten zufolge wären das rund 60 Milliarden Euro im Jahr.

Auch die Soldaten verdienten es, über die erforderliche Ausrüstung zu verfügen. "Das ist eine Frage des Vertrauens in die politische Führung", sagte Merkel. (jwo/dpa/AFP)

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