Ein "Miteinander der Kulturen, aber null Toleranz gegenüber Extremisten" wünschen sich Vizekanzler und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizminister Wolfgang Brandstetter. Ein Teil ihres Maßnahmenpakets wird aber nur schwer umzusetzen sein.

Mehr aktuelle News

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner will "auf drei Ebenen gegen die Radikalisierungstendenzen" vorgehen, die er derzeit in Österreich ortet: mittels "Prävention und Sensibilisierung, Beratung und interkultureller Dialog sowie Nachbesserung bei vorhandenen Instrumenten im Vollzug". Am Montag hatten die zuständigen ÖVP-Minister ein Gesetzespaket für den Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) vorgestellt. Vizekanzler Wissenschaftsminister Mitterlehner, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizminister Wolfgang Brandstetter betonten, die Maßnahmen richteten sich nicht gegen den Islam als Religion, sondern gegen den in ihrem Namen ausgeübten Terror.

Ein Verbot von IS wie in Deutschland wird es hierzulande nicht geben. Brandstetter hält es für unnötig: IS verhalte sich wie eine terroristische Vereinigung und sei daher auf Basis der bestehenden Gesetze de facto bereits verboten.

Die Maßnahmen im Detail:

Verschärfung des Abzeichengesetzes

"IS-Symbole auf T-Shirts und Fahnen haben in unserer Gesellschaft nichts zu suchen", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. "Deshalb wollen wir die IS-Symbole verbieten."

Mit dem Schritt kommt Mikl-Leitner Forderungen von Öffentlichkeit und Medien nach. Problematisch dabei: IS bedient sich auch Symbolen, die tief in der islamischen Geschichte verwurzelt sind und gegen die per se wenig einzuwenden ist - der Farbe Schwarz sowie der Shahada, des islamischen Glaubensbekenntnisses.

Ein in sozialen Medien gern genutztes Symbol ist der auf Fotos mahnend erhobene Zeigefinger. Verbieten lässt sich dieser nur schwerlich.

Aberkennung der Staatsbürgerschaft

Die Staatsbürgerschaft soll Österreichern künftig auch dann aberkannt werden können, wenn sie im Ausland in einer paramilitärischen Einheit gekämpft haben. Derzeit ist das nur möglich, wenn sie in einer regulären ausländischen Armee dienen. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Das Völkerrecht erlaubt eine Aberkennung ausschließlich bei Doppelstaatsbürgern.

Adaption des Grenzkontrollgesetzes

Zudem will die Innenministerin das Grenzkontrollgesetz adaptieren. Auslandsreisen von Minderjährigen außerhalb der EU sollen nur mehr mit Zustimmung eines Obsorgeberechtigten möglich sein. Damit müssen jedoch auch 17-Jährige, die zum Urlaub oder zur Familie in die USA, die Türkei oder Serbien reisen, eine Erlaubnis der Eltern mitführen.

Tatbestand der Verhetzung ausweiten

Der Tatbestand der Verhetzung soll künftig schon dann erfüllt sein, wenn Aussagen vor nur rund zehn Personen fallen. Zudem will Justizminister Brandstetter eventuell den derzeitigen Strafrahmen von maximal zwei Jahren anheben.

Derzeit ist der Paragraph 283 des Strafgesetzbuchs nur dann anzuwenden, wenn in einer "breiten Öffentlichkeit" - vor rund 150 Personen - gehetzt wird. In Gebetsstuben und Moscheen, wo zum Teil für IS rekrutiert wird, halten sich jedoch oft weit weniger Menschen auf.

Auf Verhetzung im Internet geht Brandstetter dabei ebenso wenig ein wie auf den Aspekt, dass nach der neuen Definition unter Umständen eine heftige Auseinandersetzung am Stammtisch als Verhetzung gelten könnte. Auf Anfrage der "Wiener Zeitung" heißt es aus dem Justizministerium ldediglich: "Es soll eine Fokussierung geben" und man brauche sich nicht zu sorgen, "dass man nicht mehr normal reden kann".

Staatsschutz soll aufgerüstet werden

Innenministerin Mikl-Leitner will 20 zusätzliche Spezialisten im Staatsschutz für den Kampf gegen IS einsetzen: Elf sollen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung verstärken, weitere neun die einzelnen Landesämter für Verfassungsschutz. Worin ihre Aufgabe im Detail bestehen wird, ist unklar.

Prävention in Schulen und Universitäten

Die ÖVP-Minister wollen Schüler und Lehrer sensibilisieren "und auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in die Pflicht nehmen". Zudem will Mitterlehner im nächsten Universitätsbudget drei Millionen Euro beiseite legen, "um gezielt innovative Projekte zu fördern, die den interreligiösen Dialog und den Austausch zwischen den Kulturen vorantreiben sollen".

Prävention im Internet

Mit Internetanbietern und Social Media wollen die Minister "Kontakt aufnehmen und Selbstverpflichtungen einfordern", um die Radikalisierung im Netz einzudämmen. Wie genau die Selbstverpflichtungen aussehenen soll und wie sie zu einzuhalten sind, darüber schweigen sie sich aus.

Deradikalisierungshotline

Nun will das Innenministerium auch die im Februar angekündigte "Deradikalisierungshotline" einrichten. Eigentlich sollte sie ab der zweiten Jahreshälfte 2014 Anlaufpunkt für Angehörige sein, wenn diese vermuten, dass ein Familienmitglied sich radikalisiert. Ermittlungsansätze stehen dabei nicht im Mittelpunkt.

Größere Befugnisse der Polizei

Die ÖVP-Minister denken zudem darüber nach, die Befugnisse der Polizei auszuweiten. In Fällen von Terrorismus und Schwerstkriminalität können sie sich etwa eine Nachfolgeregelung der - nicht nur in Österreich höchst umstrittenen - Vorratsdatenspeicherung mit Richtervorbehalt vorstellen. Derzeit müssen die Daten von Terrorverdächtigen nach maximal neun Monaten gelöscht werden.

Der Europäische Gerichtshof hatte die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung Anfang April 2014 gekippt, der Verfassungsgerichtshof erklärte daraufhin Ende Juni die österreichische Umsetzung der Richtlinie für unzulässig.

Obwohl das Paket nur von ÖVP-Ministern präsentiert wurde, rechnet Mitterlehner damit, dass es so auch beschlossen wird. Einen Zeitplan für die Umsetzung nannten die Minister noch nicht. Am 14. Oktober soll es jedenfalls einen "Gipfel gegen Hass und Hetze", bei dem diese Themen beraten werden.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.