Der rasante Aufstieg des Rechtspopulisten Jordan Bardella in Frankreich hat am Montag noch einmal einen kräftigen Schub bekommen: Der erst 29-jährige Parteichef des Rassemblement National (RN) könnte nach dem Urteil gegen Marine Le Pen der Präsidentschaftskandidat der Rechtspopulisten 2027 werden.

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Leon Kottmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Jordan Bardella ist erst 29 Jahre alt. Doch der Parteichef des Rassemblement National (RN) könnte in zwei Jahren schon Präsidentschaftskandidat werden. Der populäre Jungpolitiker profitiert dabei von der heftigen, juristischen Niederlage seiner langjährigen Mentorin, der einstigen RN-Parteichefin Marine Le Pen.

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Le Pen wurde am Montag wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gesprochen. Neben einer vierjährigen Haftstrafe, die teils zur Bewährung ausgesetzt und teils durch das Tragen einer Fußfessel abzuleisten ist, wurde ihr vor allem eine Kandidatur für jegliches öffentliche Amt für fünf Jahre verboten. Die bisherige Favoritin in den Umfragen für die erste Runde der nächsten Präsidentschaftswahl geht in Berufung. Ob das ihre angestrebte Kandidatur aber retten kann, ist mehr als fraglich. Das Verbot der Wählbarkeit wird - anders als die Haftstrafe - durch ein laufendes Berufungsverfahren nicht ausgesetzt.

Bardella ist ähnlich beliebt wie Le Pen

Für Le Pens Partei, der die 56-jährige Anwältin in den vergangenen Jahren einen gemäßigteren Anstrich verpasst hat, um sie für breitere Schichten wählbar zu machen, bedeutet das Urteil in Paris aber nicht automatisch einen schweren Rückschlag. Denn der oft im Jackett und mit Krawatte betont bürgerlich auftretende Bardella ist in den Umfragen ähnlich beliebt (35 Prozent) wie Le Pen (37 Prozent) - und könnte für viele Franzosen eine Alternative sein. Der liberale und inzwischen höchst unpopuläre Präsident Emmanuel Macron darf 2027 nicht erneut antreten.

Bardella, der Sohn italienischer Einwanderer, hat einen rasanten Aufstieg in der RN-Parteihierarchie hinter sich - aber außerhalb der Politik nicht viel Erfahrung. Als Kind verbrachte Bardella seine Schulferien bei einem Onkel in Turin, der dort ein Restaurant namens "Europa" betrieb. Die Liebe zum italienischen Essen blieb, aber Europa wurde ihm zum Feindbild. Mit 17 Jahren trat Bardella der rechtsnationalistischen Partei bei, die damals noch Front National hieß und den Ausstieg Frankreichs aus der EU im Programm hatte.

Le Pen wird bei einem Pizzaabend auf ihn aufmerksam

Die damalige Chefin Marine Le Pen wurde bei einem Pizza-Abend mit dem Parteinachwuchs auf ihn aufmerksam und traute ihm sehr früh sehr viel zu. Mit 22 Jahren war Bardella Parteisprecher und Chef der Jugendorganisation, mit 23 Spitzenkandidat bei der Europawahl.

Bardella passte hervorragend zu Le Pens Strategie der "Entdämonisierung". So nannte sie den Versuch, der von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen und einem Mitglied der Waffen-SS gegründeten, rechtsextremen Partei ein weniger radikales Image zu geben. Und Bardella passte zu ihr - hier die Matriarchin, die drei Präsidentschaftswahlkämpfe hinter sich hatte und den nächsten endlich gewinnen wollte, dort der redegewandte Polit-Jungstar.

Bardella stammt aus bescheidenen Verhältnissen aus einer Pariser Vorstadt. Seine Siedlung sei ein Drogenumschlagplatz gewesen, aber seine alleinerziehende Mutter habe ihn vor dem Abrutschen bewahrt. Sie sei streng gewesen und habe Wert auf Respekt gelegt, erzählte Bardella gerne in Interviews.

Steiler Aufstieg nach abgebrochenem Studium

Sein Geographie-Studium brach Bardella noch vor dem Bachelor ab. Die Politik hatte ihn in ihren Bann gezogen. Wäre er nicht in die Politik gegangen, hätte er Soldat werden wollen, sagte Bardella einmal. Stattdessen wurde er Parteisoldat und stieg unter Le Pen im RN unaufhaltsam nach oben.

Dabei mauserte er sich zum Medienprofi, der Wissenslücken und Widersprüche ungerührt weglächelt. Erfolg hat er auch mit seinen Tiktok-Auftritten vor seinen rund 1,5 Millionen Abonnenten - auch dort oft mit Krawatte und vor der französischen Flagge sitzend.

Der Partei bringt Bardella neue, bisher skeptische Wähler: Junge, Angestellte, Rentner und Stadtbewohner. Inhaltlich steht Bardella aber für die euroskeptische, einwanderungs- und islamfeindliche Haltung, die der RN schon immer vertreten hat. So warnte er davor, "dass die französische Identität auf ihrem eigenen Boden auf beispiellose Weise verdrängt" werden könne - ein Anklang an die rechtsextreme Verschwörungstheorie eines drohenden Bevölkerungsaustausches.

Und er bedient sich gerne des Schemas des Sündenbocks: Schuld sind nach seiner Darstellung meistens die Einwanderer, seien es Finanzprobleme oder die innere Sicherheit. Aufsehen erregte sein Vorhaben, Berufsverbote für Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit zu verhängen.

Bardella ist "bestens platziert"

Schon im Wahlkampf für die Europawahl im vergangenen Jahr erklärte die heutige RN-Fraktionschefin Le Pen, dass sie 2027 als Tandem die Macht übernehmen wollten: sie als Präsidentin, Bardella als Regierungschef. Nach dem Urteil am Montag stärkte Bardella seiner Ziehmutter zwar demonstrativ den Rücken: "Ein Todesurteil für die französische Demokratie", nannte er die Entscheidung des Gerichts auf X.

Aus seiner Partei kamen aber auch schon ganz andere Töne. Vize-Chef Louis Aliot, einstiger Lebenspartner von Le Pen, der am Montag selbst zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde, hatte schon kurz vor dem Urteil erklärt, dass die Rechtspopulisten bei der Wahl 2027 so oder so nicht geschwächt sein würden: "Es ist kein Geheimnis, dass Jordan Bardella bestens platziert wäre." (afp/lko)