Über Monate stand Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in der Kritik - jetzt wird ihr Wort mehr denn je in Europa gehört. Ihre harte Haltung in der Flüchtlingskrise hat sie unbeirrt durchgesetzt, und auch im Vertrauens-Ranking legte sie zu.
Sie war monatelang in der Schusslinie - der Medien, der Öffentlichkeit, der eigenen Kabinettskollegen. Im Sommer 2015 rangierte die österreichische Innenministerin
Der Aufbau von Zeltlagern für die Migranten schien die Überforderung der rot-schwarzen Regierung in Wien zu dokumentieren. Ende Oktober - bei einem Besuch der österreichisch-slowenischen Grenzstation Spielfeld - platzte der 51-Jährigen angesichts der Rekord-Flüchtlingszahlen der Kragen. "Wir müssen an einer Festung Europa bauen", formulierte sie eine drastische Lösung weit über die Alpenrepublik hinaus.
Eine Gallionsfigur der Skeptiker
Seitdem hat sich die konservative Politikerin - eine gelernte Wirtschaftspädagogin und frühere Unternehmensberaterin - mit markanten Äußerungen zur Gallionsfigur der Skeptiker gemausert.
Egal, ob es sich um die ihrer Meinung nach vor allem wirtschaftlichen Motive der Flüchtlinge ("Derzeit passiert Asyl-Optimierung"), den Zaunbau an der Südgrenze in Spielfeld oder um das strikte Verfechten der neuen österreichischen Asyl-Obergrenze handelt - ihr Wort wird mehr denn je in Europa gehört.
"Sie passt in keine Schublade", sagt der Politologe Peter Filzmaier von der Donau-Universität Krems. Sie sei Pragmatikerin mit sozialer Komponente. "Sie ist wahrscheinlich selbst hin- und hergerissen", meint Filzmaier. Zum Verständnis ihres Handelns seien zwei Umstände wichtig. Als Chefin des Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbunds (ÖAAB) leite sie einer der wichtigen Teilorganisationen der ÖVP.
"Mit dieser Gruppe werden Wahlen gewonnen oder verloren", sagt Filzmaier. Angesichts von stetig steigender Arbeitslosigkeit habe sich in dieser Klientel aber der Wind von Hilfsbereitschaft hin zur Sorge gedreht.
Zum anderen ist Mikl-Leitner tief im ÖVP-Landesverband Niederösterreich verwurzelt. Im bevölkerungsreichsten der neun Bundesländer ist die ÖVP seit vielen Jahren völlig unangefochten die politische Nummer eins. Obendrein sei der sehr konservative Landeshauptmann Erwin Pröll einer der einflussreichsten Politiker des Landes, meint Filzmaier. "Der Kurs von Niederösterreich ist für sie mindestens so wichtig wie der von Wien."
Harsche Kritik an Griechenland
Hervorgetan hat sich Mikl-Leitner zuletzt auch mit ihrer harschen Kritik an Griechenland. Es sei ein "Mythos", dass die griechische Küste nicht zu schützen sei, sagte sie. Die griechische Marine verfüge über große Kapazitäten. Immerhin habe Athen nun 100 Frontex-Schiffe zur Unterstützung angefordert. "Offenbar geht es nicht ohne Druck", hieß es am Mittwoch aus dem Innenministerium.
Als Plus der im persönlichen Umgang eher herzlichen als harten Innenministerin gilt ihre Gabe, gerade komplizierte Dinge gut auf den Punkt zu bringen. Die Liebe zum Detail geht ihr eher ab. Und manches politische Vorpreschen in der Vergangenheit entpuppte sich schnell als Versuchsballon ohne wirkliche Konsequenz.
Bohrende Kritik prallte an ihr ab
Das ist jetzt anders. Unbeirrt von der bohrenden Kritik hat die Mutter zweier Töchter das Jahr 2015 überstanden. Sie habe "keine einzige Sekunde" an Rücktritt gedacht, bekannte sie in einem ORF-Interview zum Jahreswechsel.
"Mit Floskeln wie Solidarität, Offenheit" komme man angesichts des Flüchtlingsandrangs nicht weiter. Dass sie polarisiere, liege am Amt der Innenministerin. Mit diesem Posten habe noch niemand Beliebtheitspreise gewonnen. Und dennoch: Nach jüngsten Umfragen hat die 51-Jährige inzwischen deutlich Punkte im Vertrauens-Ranking gemacht. © dpa
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