Er wurde geliebt und gehasst, verehrt und verachtet: Jörg Haider ist bis heute einer der umstrittensten Politiker Österreichs. Am 26. Jänner wäre er 65 Jahre alt geworden. Was ist von der Ära Haider übriggeblieben?
"Die Schulden." Die Antwort der Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle kommt prompt. Sie steigt nicht mit politischen Themen ein, erwähnt weder BZÖ noch FPÖ. Für sie steht fest, was Kärnten Jörg Haider vor allem zu verdanken hat: "Leere Kassen, die die Landespolitik derzeit enorm einschränken." Und es vermutlich auch noch auf Jahre tun werden.
Die Antwort der Politologin ist bezeichnend. Das Erbe Jörg Haiders, der am 11. Oktober 2008 mit 1,8 Promille in den Tod raste, ist ein Trümmerfeld. Von der Ära des Politikers blieb wenig mehr als Schuldenberge, Gerichtsverfahren, zerstrittene Parteien und Anschuldigungen, die wohl nie ganz geklärt werden können.
Zum Schuldenberg Kärntens trugen größenwahnsinnige Projekte wie das Wörthersee-Stadion ihren Teil bei, der größte Brocken allerdings ist die Hypo Alpe Adria. Wie viel die Abwicklung der Bank noch verschlingen wird, was sie Kärnten, was sie Österreich kosten wird, steht noch nicht abschließend fest. In Klagenfurt, in Wien und München wird um Milliarden prozessiert. Schuld an dem Desaster trägt Haider sicher nicht allein, aber wie in den Gerichtsverfahren deutlich wurde, spielte er eine zentrale Rolle.
"Bastion Kärnten" ist gefallen
Zwei Landtagsabgeordnete stellt Haiders politisches Kind, das BZÖ, derzeit noch. "Das ist der letzte Rest", sagt Stainer-Hämmerle. Im Frühjahr 2013 fiel die "Bastion Kärnten", hier feierte der Politiker seine größten Erfolge. Bei der Landtagswahl verloren die Freiheitlichen in Kärnten über 28 Prozent der Stimmen, bei der Nationalratswahl scheiterte das BZÖ an der Vier-Prozent-Hürde, bei der Europawahl 2014 blieben gerade einmal 0,5 Prozent übrig.
Viele von Haiders ehemaligen Weggefährten haben die politische Bühne mittlerweile verlassen. Gerald Mikscha, früher persönlicher Referent Haiders, gilt seit 2004 als unauffindbar. Ein Großteil der "Buberlpartie" landete früher oder später vor Gericht. Und nach der desaströsen Nationalratswahl 2013 verabschiedete sich auch Josef Bucher, der 2009 Haider als Bundesbündnisobmann des BZÖ beerbt hatte, aus der Politik.
BZÖ funktionierte nicht ohne Jörg Haider
"Das BZÖ war für Haider das Vehikel, seine persönlichen Vorstellungen umzusetzen", erklärt Stainer-Hämmerle. Er gründete die Partei, als er merkte, dass er in der FPÖ nicht mehr frei schalten und walten konnte. "Deshalb funktioniert die Partei nicht ohne ihn." Die Politologin geht davon aus, dass das BZÖ auch bei der bevorstehenden Gemeinderatswahl in Kärnten im März keine große Rolle spielen wird. "Manchmal ist ja auch gar nicht klar, wer nun wohin gehört." FPÖ, FPK, BZÖ oder Team Stronach – das Spektrum am rechten Rand ist unübersichtlich geworden.
Nicht alles aus der Ära Haider will Stainer-Hämmerle verurteilen. Viele der Dinge, die Haider anfangs scharf kritisierte, habe er durchaus zu Recht kritisiert. Er habe den Proporz aufgebrochen, wollte das System ändern. "Das große Problem war: Er hat es nicht besser gemacht. Und viele Menschen in die Politik gebracht, die reihenweise vor dem Richter gelandet sind." Das größte Problem sei, dass die Auseinandersetzung mit dem System Haider ohne ihn stattfinden müsse. Ob er - würde er noch leben - tatsächlich ebenfalls auf der Anklagebank hätte Platz nehmen müssen, bleibt jedoch reine Spekulation.
"Haider war skrupellos genug, um Stimmungen und Konflikte – wenn sie ihm nutzten – immer weiter zu schüren", sagt Stainer-Hämmerle. Doch die Befürchtungen der Bevölkerung blieben auch bestehen, als der Schürmeister starb. Populismus, Ausgrenzung, Ausländerfeindlichkeit funktionieren in Österreich nach wie vor. Das zeigen die Erfolge, die Heinz-Christian Strache derzeit wieder mit der FPÖ feiert. "Die Ausrede, dass die Politik so gut funktionierte, weil Haider so ein großes politisches Talent war, gilt nicht mehr." Die Ursache dafür müsse man nun woanders suchen.
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