Die Art und Weise, wie Donald Trump Außenpolitik betreibt, bereitet ihm Sorgen. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt der ehemalige luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, wie Europa darauf reagieren sollte.
"Die Welt steht Kopf", sagt Jean Asselborn, ehemaliger Außenminister Luxemburgs. Er sitzt im Garten eines Hotels am Tegernsee. Es ist März, aber warm genug, um ohne Jacke draußen zu sitzen. Um ihn herum eine Bilderbuchkulisse: ein wolkenloser Himmel, der sich ebenso blau im Wasser des Sees spiegelt. Im Hintergrund türmen sich die Alpen auf. Seit 2007 findet hier jährlich der Unternehmertag statt. Von der chaotischen Welt, von der Asselborn spricht, ist hier nichts zu spüren.
Seit
Herr Asselborn, am 12. März haben die USA Zölle gegen die EU verhängt – 25 Prozent auf Stahl und Aluminium. Die EU hat bereits mit Gegenmaßnahmen reagiert. Befinden wir uns in einem Handelskrieg?
Jean Asselborn: Trump benutzt das Wort "Zoll", als sei es eines der schönsten auf Erden. Aber: Zölle heißen Handelskrieg. Egal wie, egal wo, es ist so.
Was bedeutet das für Europa?
Trumps erste Amtszeit war noch gemäßigt. Aber jetzt steht die Welt Kopf. Die Dimension seines Handelns ist eine ganz andere. Ich weiß nicht, warum Trump jetzt auch noch mit Zöllen spielen muss. Aber das trifft Europa und vor allem Deutschland. Denn Zölle auf Autos könnten in Deutschland rund 10.000 Arbeitsplätze kosten – und die Wirtschaft könnte schrumpfen. Frankreich zum Beispiel ist nicht so stark betroffen, weil es mehr Agrarprodukte exportiert. Doch Trump hat bereits angekündigt, nach dem 1. April gezielt weitere Zölle zu erheben. Das ist katastrophal für ganz Europa. Da können wir nicht einfach zuschauen.
Was sollte die EU Ihres Erachtens tun?
Von Bernd Lange, dem Chef des Handelsausschusses im Europaparlament weiß ich, dass wir bereits auf alles vorbereitet sind. Meiner Meinung nach muss Brüssel die US-Bundesstaaten mit ihren Gegenmaßnahmen ins Visier nehmen, in denen die Republikaner, die Trump in Zollfragen unterstützen, besonders stark vertreten sind.
Jüngste Untersuchungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zeigen ohnehin, dass die USA von Trumps Zöllen zunächst weit mehr betroffen wären als die EU. Was verspricht sich Trump also davon?
Ich kann nicht sagen, wen es mehr trifft, es trifft beide. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass Trump angetreten ist, um die Inflation in Amerika einzudämmen. Und jetzt heizt er sie an. Zum Vorteil kann das jedenfalls keinem sein, weder Europa noch Amerika.
Wenn die USA nun Europa als Handelspartner verlieren und auch unsere Beziehungen zu China derzeit eher angespannt ist, auf wen können wir uns dann überhaupt noch verlassen?
Zunächst einmal stellt sich das Problem: Wenn die USA Zölle gegen China verhängen, ist das schlecht für die europäische Stahlindustrie. Denn dann wird China versuchen, seinen Stahl nach Europa zu bringen – Europa mit billigem chinesischem Stahl zu überschwemmen. Davor muss uns die Europäische Kommission schützen. Aber das weiß sie bereits.
Europa spielt also nur eine passive Rolle zwischen den USA und China?
Die Welt darf nicht aufgeteilt werden in amerikanische Interessen und chinesische Interessen – und Europa steht irgendwo dazwischen. Das geht nicht. Das können wir uns nicht gefallen lassen. Aber es gibt gerade eine Wende. Das finde ich gut. Auch mit diesem Milliardenpaket in Deutschland, das beschlossen worden ist – mit dem Deutschland von dieser Stoppnummer wegkommt.
Die USA sind dabei, uns nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch im Stich zu lassen.
Wir können nicht verlangen, dass 350 Millionen Amerikaner die Sicherheit von uns 500 Millionen Europäern garantieren. Das ist völlig klar. Was die EU braucht, ist eine Koalition der Willigen. Mit Ländern wie Kanada, Großbritannien, Norwegen. Wir bräuchten auch die Türkei, wenn sie dort nicht wieder diese verdammte Politik gegen die elementarsten Regeln der demokratischen Ordnung machen würden.
Wäre Europa dann groß genug, um mit Russland und den USA an einem Tisch zu sitzen?
Groß genug sind wir. Mit rund 500 Millionen Einwohnern – weit mehr als die 130 Millionen Russen. Und unsere Wirtschaft ist viel, viel stärker als die Russische. Tatsächlich ist die russische Wirtschaft nur etwa so stark wie die Italienische.
"Wir können nicht verlangen, dass 350 Millionen Amerikaner die Sicherheit von uns 500 Millionen Europäern garantieren. Das ist völlig klar. Was die EU braucht, ist eine Koalition der Willigen."
Trotzdem wirkt die EU häufig handlungsunfähig.
Das ist sie aber nicht. Mit Trump befinden wir uns plötzlich in einem anderen Film. Die Amerikaner halten nicht mehr ihre schützende Hand über uns. Vielmehr sind es die Amerikaner, die die Nato herausfordern. Sie haben Streit mit Kanada, sie haben Streit mit Dänemark um Grönland. Wie soll die Nato in diesem Streit zusammenhalten? Ich habe schon Theorien gehört, dass man über eine europäische Alternative zur Nato nachdenke.
Deutschland hat zwar keine Atomwaffen, die Briten nur eine halbe, die Franzosen sind da besser aufgestellt. Die Nuklearfrage war schon immer schwierig, aber heute ist sie zumindest ein Thema, mit dem man sich intensiv auseinandersetzt. Vor einigen Monaten wäre das noch undenkbar gewesen. Aber jetzt sind all diese Überlegungen in Gang gekommen.
Ungarn gilt als der Blockierer in der EU. Was muss sie tun, dass nicht ein Land die ganze Sicherheitspolitik der EU blockiert?
Wir müssen an einem Strang ziehen. Politisch muss die EU wie ein Staat agieren. Ungarn hat nur zehn Millionen Einwohner. Dieser Orbán wird viel zu hoch gehängt. Er ist nicht so wichtig.
Ist es mit Aufrüstung getan?
Nein. Wir dürfen den Menschen nicht weismachen, dass die Produktion von Panzern, Flugzeugen und Bomben eine verdammte Sicherheit wäre. In dieser neuen Welt können wir nicht auf Verteidigung verzichten, aber auch nicht auf Diplomatie.
Seit drei Jahren versucht die EU, Russland mit Sanktionen unter Druck zu setzen – doch der Krieg in der Ukraine tobt ungebrochen. Trump hingegen verspricht, den Konflikt in 100 Tagen zu beenden.
Trump mag ein erfolgreicher Immobilienhändler gewesen sein, aber er ist eine Null, was Verhandlungen angeht. Er hat noch nichts erreicht. Weder Frieden in 24 Stunden noch demnächst, noch in 100 Tagen.
Zu dem Gesprächspartner:
- Jean Asselborn war mehr als 19 Jahre lang Außenminister Luxemburgs – länger als jeder andere EU-Außenminister seiner Zeit. Am 16. November 2023 trat er schließlich zurück. Während seiner Amtszeit setzte er sich vor allem für eine starke und geeinte Europäische Union ein, die den großen globalen Herausforderungen gemeinsam begegnen kann.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Jean Asselborn auf dem Unternehmertag 2025 am Tegernsee
- ifw-kiel.de: Trump's Tariff Threats on EU Could Trigger Economic Turmoil