Seit Langem ringt die EU um eine Asyl-Reform. Eine Einigung schien zunächst nah, doch Italien meldete Vorbehalte an. Es will die Finanzierung ziviler Seenotrettung verhindern.

Mehr aktuelle News

Das Ringen um die EU-Asylreform geht weiter. Nun blockiert Italien eine Einigung und macht Deutschland schwere Vorwürfe. Außenminister Antonio Tajani kritisierte, dass unter deutscher Flagge fahrende Schiffe Migranten nach Italien bringen, anstatt nach Deutschland. Dass dies nicht geschehe, ließe Zweifel aufkommen. "Geht es darum, die Migranten zu retten oder zu verhindern, dass sie nach Deutschland kommen?"

Rettungsschiffe fahren immer den nächstgelegenen Hafen an, der im Mittelmeer meistens in Italien liegt. Rund 186.000 Menschen sind laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in diesem Jahr bereits über das Mittelmeer in Europa angekommen. Von diesen seien mit 130.000 die meisten in Italien registriert worden.

Nur ein kleiner Teil davon wird von privaten Seenotrettungs-Organisationen an Land gebracht. Tajani warf den Nichtregierungsorganisationen vor, den "Menschenhandel" nach Italien zu fördern. Die italienische Zeitung "La Stampa" berichtete, die an Berlin gemachten Zugeständnisse seien "bei der italienischen Regierung nicht gut angekommen". Rom könne deshalb vorerst nicht zustimmen.

Deutschland bekommt kleinere Änderungen an Krisenverordnung

Erst am Donnerstag hatte Deutschland seine Blockadehaltung aufgegeben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte am Donnerstag bei einem EU-Treffen in Brüssel an, dass die Koalition aus SPD, Grünen und FDP einem neuen Textvorschlag zur sogenannten Krisenverordnung zustimme. "Obwohl wir noch weiteren Änderungsbedarf hätten und auch darüber hinaus, werden wir heute unserer Verantwortung gerecht", erklärte sie.

Grundlage der Ankündigung von Faeser war eine von der spanischen EU-Ratspräsidentschaft leicht überarbeitete Version des ursprünglichen Vorschlags für die Krisenverordnung. Sie soll es vor allem den deutschen Grünen ermöglichen, die Zustimmung nicht als große Niederlage aussehen zu lassen.

Nach dem neuen Text der EU-Ratspräsidentschaft wurde so zum Beispiel eine Regel gestrichen, die es EU-Ländern erlaubt hätte, bei einem starken Zustrom von Menschen zeitweise von EU-Standards für materielle Unterstützungsleistungen und den Zugang zu medizinischer Versorgung abzuweichen. Zudem sollen die Anträge auf Schutz von Minderjährigen und ihren Familienmitgliedern auch in Krisensituationen bevorzugt geprüft werden.

Einigung auch ohne Italien möglich, aber heikel

Da die Ratspräsidentschaft hier auf Deutschland zugegangen ist, will nun offenbar auch Italien Zugeständnisse. Dabei zielen sie auf die Finanzierung der zivilen Seenotretter, die von der Regierung in Rom immer wieder mit "Menschenhändlern" gleichgesetzt werden.

Tajani sieht in Nachverhandlungen kein Problem: "Wir haben monatelang auf die anderen gewartet. Wenn man nun eine Stunde auf Italien wartet, passiert nichts." Man sei sich schließlich einig, dass eine europäische Lösung notwendig sei und man zusammenarbeiten müsse.

Der Text könnte auch bei einem italienischen Nein theoretisch die erforderliche Mehrheit bekommen; allerdings gilt es als politisch heikel, eines der am stärksten von Migration belasteten EU-Länder zu überstimmen.

Der spanische Innenminister Grande-Marlaska sagte, er hoffe "in den kommenden Tagen" auf eine politische Einigung der EU-Botschafter. Sie sollen das endgültige Mandat für die nun folgenden Verhandlungen mit dem Europaparlament ausarbeiten.

2023 bereits über 2.500 Tote im Mittelmeer

Erik Marquardt, der für die Grünen im Europaparlament sitzt, sprach sich auf X dafür aus, dem italienischen Druck nicht nachzugeben. Er finde die Fokussierung der Italiener auf die Seenotrettung absurd, da 90 Prozent der Menschen ohne die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen über das Meer kommen würden.

Die Unicef-Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien, Regina De Dominicis kritisierte die EU, weil sie keine koordinierte Seenotrettung aufbiete. "Das Mittelmeer ist ein Grab für Kinder und ihre Zukunft geworden", sagte sie. "Regierungen können diese Todesfälle verhindern."

Die Zahl der Vermissten und Toten im Zeitraum von Anfang Januar bis zum 24. September liege bei mehr als 2.500 Menschen, berichtete der UNHCR-Vertreter. Die UN-Organisation für Migration (IOM) nennt mit Stand 25. September 2.778 Tote und Vermisste im Mittelmeer.

Laut Vereinten Nationen legten die meisten Migrantinnen und Migranten mit mehr als 100.000 aus Tunesien ab, gefolgt von Libyen mit mehr als 45.000. Neben Italien, Griechenland und Spanien steuerten die Boote auch Zypern und Malta an.

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur
  • Agence France-Presse
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.