Ölschmuggel, Menschenhandel, Plünderungen, Steuern: Der sogenannte "Islamische Staat" gilt als finanzstärkste Terrororganisation der Geschichte. Ein Sieg über die Dschihadisten ist kaum möglich, ohne ihre Finanzquellen trocken zu legen. Doch das ist nicht einfach.
Die innere Struktur der Terrormiliz "Islamischer Staates" (IS) ist nur bruchstückhaft bekannt, eines allerdings gilt als gesichert: Der IS ist reich, sehr reich sogar.
Laut Angaben der Bundesregierung beträgt der Kapitalstock bis zu zwei Milliarden Dollar (rund 1,85 Mrd. Euro).
Einnahmequellen des IS sind bekannt
Und auch die wichtigsten Einnahmequellen der Dschihadisten, die seit 2014 große Teile Syriens und des Irak besetzt halten und sich in Libyen immer weiter auszubreiten drohen, sind bekannt.
Verkauf von Erdöl, Ausraubung der besetzten Gebiete und ihrer Bewohner, Handel mit Beutekunst, Lösegelderpressungen, Menschenhandel und Spenden.
Letztere sollen überwiegend aus dem ultra-konservativen Saudi-Arabien und dessen Nachbarstaaten kommen, vor allem von "religiösen Stiftungen und Privatleuten", wie der Politologe Florian Wätzel von Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK) vermutet.
Mit den Geldern werden unter anderem Waffen und Munition gekauft, die Solde der IS-Kämpfer sowie Witwen-Renten beglichen, Terroranschläge finanziert und die Infrastruktur des staatsähnlichen Gebildes mit seinen fünf bis acht Millionen "Einwohnern" aufrecht erhalten; etwa der Unterhalt von Straßen, Stromleitungen, Schulen und Krankenhäusern.
Öl-Geschäfte mit den Feinden
Die Frage, wie abhängig der IS von seinen jeweiligen Einnahmequellen ist, wird von Experten und selbst von Regierungen, die auf Geheimdienstinformationen zurückgreifen, völlig unterschiedlich bewertet.
Die Schätzungen zu den Ölschmuggel-Einnahmen reichen von 70 Millionen bis zu einer Milliarde Dollar im Jahr. Das Öl aus den besetzten Feldern im Irak und Syrien ist eine der wichtigsten Einnahmequellen.
Der Großteil des wertvollen Rohstoffs wird direkt im Irak und in Syrien verkauft – an die eigenen Feinde: das Assad-Regime, die Kurden und die Opposition.
Auch die Türkei soll in den Ölschmuggel verwickelt sein. Präsident Recep Tayyip Erdogan weist solche Anschuldigungen, die zuletzt Russlands Präsident Wladimir Putin vorbrachte, jedoch stets als Lüge zurück.
Nicht nur der Handel mit dem "schwarzen Gold" ist ein ertragreiches Geschäft. Allein durch die Ausbeutung der eroberten Gebiete machen die Dschihadisten bis zu 850 Millionen Dollar Gewinn pro Jahr.
Dazu gehören Steuern, Zölle, Zwangsabgaben, Beschlagnahmungen, Plünderungen und Menschenhandel.
"Der 'Islamische Staat' ist eine Beute-Ökonomie. Es müssen ständig neue Gebiete erobert werden, um sie dann zu plündern", sagte der Terrorismusexperte Peter Neumann vom King's College in London zu "Zeit Online".
Schließlich gelten auch der Handel mit Antiquitäten (mehr als 100 Millionen Dollar), die wie das Öl über Schmugglerrouten vertrieben werden, und Erpressungen (20 bis 45 Millionen Dollar) als wichtige Einnahmequellen.
Spenden, die das Erstarken des IS überhaupt erst ermöglichten, haben dagegen an Bedeutung verloren. Laut Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD liegt das am inzwischen rigorosen Vorgehen Saudi-Arabiens gegen illegale Finanztransfers an den IS.
Geldhahn ist schwer zuzudrehen
Trotzdem ist der Geldhahn schwer zuzudrehen. Woran liegt das? Zum einen gilt der IS als "Bargeld-Organisation". Es gibt kaum Bankkonten, die einfach so gesperrt werden könnten.
Fast alle Geschäfte werden in bar abgewickelt, Kuriere bringen die Summen von A nach B.
Ist das nicht möglich, nutzten die Dschihadisten das traditionell-muslimische Hawala-System, mit dem Gelder vertraulich über Zwischenmänner verschoben werden können.
Bei internationalen Transaktionen greifen sie zudem auf dezentrale Zahlungsmethoden mit der Internet-Währung Bitcoin zurück. Klassische Mittel der Geldwäschebekämpfung versprechen somit wenig Erfolg.
Terrorangriffe ließen sich selbst durch eine drastische Reduzierung der Geldflüsse wohl kaum eindämmen: Eine Untersuchung des FFI, der Forschungsabteilung der norwegischen Streitkräfte, von 40 erfolgten oder verhinderten islamistischen Anschlägen in Europa zwischen 1994 und 2013, kam zu dem Ergebnis, dass Dreiviertel der Fälle weniger als 10.000 Dollar (rund 9.200 Euro) kosteten.
Letztlich wäre es wichtig, zunächst die Ölgeschäfte und die weitere Ausbeutung der IS-Herrschaftsgebiete zu unterbinden – bei beiden ertragreichsten Quellen. Ersteres wird durch Luftangriffe der internationalen Allianz unter US-Führung bereits versucht.
Aber: Der Preis für noch mehr Angriffe auf Ölraffinerien und Lkw wären mehr zivile Opfer – dies würde wahrscheinlich weitere Menschen radikalisieren.
Um die Ausbeutung des Staatsgebietes zu stoppen, müsste die Terrormiliz mit einer Bodenoffensive zurückgedrängt werden.
Genau davor schreckt die internationale Staatengemeinschaft zurück. Eine schnelle und effiziente Lösung, um die Geldquellen des IS auszutrocknen, ist bisher nicht in Sicht.
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